Leitsatz

Die Benutzung der Räume eines Teileigentümers zu Wohnzwecken ist nach einer typisierenden Betrachtungsweise jedenfalls dann nicht störender als die vorgesehene Benutzung und deshalb zulässig, wenn

  • es für die Räume an einer Zweckbestimmung im engeren Sinne fehlt,
  • die Räume in einem separaten Gebäude liegen,
  • das übrige Sondereigentum ausschließlich dem Wohnen dient und
  • die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zwischen den Gebäuden getrennt werden.

Normenkette

§§ 1 Abs. 2, Abs. 3, 9a Abs. 2, 10 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG

Das Problem

Die Wohnungseigentumsanlage gliedert sich in 2 auf einem Grundstück errichtete Gebäude. In Haus 1 gibt es 8 Wohnungen. Haus 2 ist ein Teileigentum (eine Scheune). Dieses steht im Eigentum von B. Nach der Gemeinschaftsordnung muss B das Haus 2 auf eigene Kosten erhalten. Die Verwaltungskosten sind, soweit sie unterscheidbar sind, auf die Wohnungseigentumsrechte einerseits und das Teileigentum andererseits aufzuteilen und entsprechend zu tragen. Nach der Gemeinschaftsordnung ist der jeweilige Eigentümer von Haus 2 berechtigt, beliebige bauliche Veränderungen vornehmen zu lassen, auch soweit hierdurch gemeinschaftliches Eigentum betroffen bzw. verändert wird. Im Jahr 2013 reißt B vor diesem Hintergrund die Scheune ab und errichtet an derselben Stelle ein Einfamilienhaus. Im Jahr 2017 schließt das Grundbuchamt auf Antrag von B ferner das Teileigentumsgrundbuch von Haus 2 und legt stattdessen ein Wohnungsgrundbuch an. Gegen die Umschreibung im Grundbuch ist ein Beschwerdeverfahren anhängig. Mit der Klage will K es B untersagen, das von ihm errichtete Gebäude als Wohnraum zu nutzen. Das AG gibt der Klage statt. Die Berufung bleibt erfolglos. Hiergegen wendet sich B mit der vom BGH zugelassenen Revision.

Die Entscheidung

Mit Erfolg! K habe keine Befugnis, von B Unterlassung zu verlangen. Zwar dürfe B das Haus 2 nach der Gemeinschaftsordnung nicht bewohnen. Hieran ändere nichts, dass das Sondereigentum zurzeit als Wohnungseigentum ausgewiesen sei. Ein Wohnungseigentümer könne nämlich nicht ohne Mitwirkung der übrigen Eigentümer sein Teil- in Wohnungseigentum umwandeln, es sei denn, in der Gemeinschaftsordnung sei ein entsprechender Vorbehalt enthalten – woran es im Fall fehle. Indem B das neue Haus bewohne, störe er nach einer typisierenden Betrachtungsweise aber nicht mehr als durch ein "Nicht-Wohnen".

 

Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es zum einen um die Frage, ob B befugt war, eine Vereinbarung zu ändern. Zum anderen geht es um die Frage, ob die Benutzung eines Teileigentums zu Wohnzwecken störender ist als die Benutzung zu Nicht-Wohnzwecken.

Umwidmung eines Teileigentums

Ein Teileigentümer ist berechtigt, ohne Beteiligung der anderen Miteigentümer die Bestimmung, dass seine Räume nur zu "Nicht-Wohnzwecken" benutzt werden dürfen, zu ändern, wenn die Wohnungseigentümer diese Befugnis vereinbart haben (BGH, Urteil v. 18.1.2013, V ZR 88/12). Die Berechtigung des B zu baulichen Veränderungen war weder ausdrücklich noch nach einer Auslegung ein solcher "Änderungsvorbehalt".

Unterlassung und typisierende Betrachtungsweise

Nach der Rechtsprechung kann eine nach dem vereinbarten Zweck nicht gestattete Benutzung nicht untersagt werden, wenn diese bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung (siehe nur BGH, Urteil v. 13.12.2019, V ZR 203/18). Eine Wohnnutzung ist im Vergleich zu einer gewerblichen Nutzung bei typisierender Betrachtung auch nicht regelmäßig als störender anzusehen. Dies folgt insbesondere nicht aus einer BGH-Entscheidung zu einem Ärztehaus (BGH, Urteil v. 23.3.2018, V ZR 307/16). Denn dort gab es in der Anlage ausschließlich Teileigentum. In einem solchen Fall haben die Eigentümer ein berechtigtes Interesse daran, dass der durch die Gemeinschaftsordnung vorgegebene professionelle Charakter erhalten bleibt, um Konflikte, die durch eine in der Gemeinschaftsordnung nicht angelegte gemischte Nutzung hervorgerufen werden können, von vornherein zu vermeiden. Anders kann es sich aber verhalten, wenn es in einer Anlage im Übrigen nur Wohnungseigentum gibt. Denn es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhaltes, dass die Wohnnutzung die intensivste Form des Gebrauchs ist. Vielmehr kann eine Nutzung zu anderen als Wohnzwecken genauso störend oder störender als eine Wohnnutzung sein. Insbesondere muss die Nutzung einer Teileigentumseinheit nicht zwingend als auf die üblichen Geschäfts- oder Bürozeiten beschränkt anzusehen sein, sondern kann außerhalb dieser Zeiten und auch am Wochenende erfolgen, wie es etwa bei einer Gaststätte, einem Beherbergungsbetrieb, einem Call-Center, einem SB-Waschsalon oder einem Sportstudio nicht untypisch ist. Zugleich werden der Publikumsverkehr und die Geruchs- und Lärmimmissionen bei einigen der genannten Nutzungen typischerweise nicht geringer sein als bei einer Wohnnutzung. Abstrakte Aussagen, wann eine Wohnnutzung an Stelle einer Nutzung zu sonstigen Zwecken typischerweise mehr stört und deshalb vo...

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