In räumlich getrenntem Gewerbeteil darf nicht gewohnt werden
Hintergrund: Aus Zahnarztpraxis wird Wohnung
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft streiten eine Wohnungseigentümerin und die Eigentümer einer Teileigentumseinheit über die zulässige Nutzung dieser Einheit. Die Anlage besteht aus zwei Häusern mit insgesamt 14 Einheiten. Im Dachgeschoss der Häuser befinden sich jeweils zwei Wohnungen, während die restlichen zehn Einheiten nicht zu Wohnzwecken dienen.
Laut Gemeinschaftsordnung dürfen die Wohnungen nur zu Wohnzwecken genutzt werden; die Ausübung eines Berufs oder Gewerbes soll dort nur mit Zustimmung des Verwalters zulässig sein. Die nicht für Wohnzwecke bestimmten, gewerblich nutzbaren Räume dürfen als Büro, Praxis, Apotheke, Kiosk, Laden oder für ähnliche Zwecke genutzt werden.
Die Eigentümer einer Teileigentumseinheit nutzten diese zunächst als Zahnarztpraxis, bevor sie die Einheit zum Wohnen umbauten. Die Eigentümerin einer Wohnung aus dem anderen Haus war hiermit nicht einverstanden und verlangte Unterlassung der Wohnnutzung. Nachdem die Klage vor dem Amtsgericht erfolglos war, gab das Landgericht der Unterlassungsklage statt. Eine Nutzung als Wohnung widerspreche der Zweckbestimmung der Teileigentumseinheit.
Entscheidung: Kein Wohnen im gewerblichen Gebäudeteil
Der BGH bestätigt die Rechtsauffassung des Landgerichts. Eine Nutzung als Wohnung wäre mit der Zweckbestimmung der Teileigentumseinheit unvereinbar. Daher steht der klagenden Wohnungseigentümerin ein Anspruch auf Unterlassung der Wohnnutzung zu. Dieser ergibt sich aus § 1004 BGB.
Zwar kann im Einzelfall zulässig sein, eine Teileigentumseinheit zum Wohnen zu nutzen, wenn dies bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung. In einem nur beruflichen und gewerblichen Zwecken dienenden Gebäude stört die Wohnnutzung aber regelmäßig mehr als die vorgesehene Nutzung, wie der BGH bereits entschieden hat.
Auch wenn die Teilungserklärung einer Anlage, zu der sowohl Wohnungs- als auch Teileigentumseinheiten gehören, innerhalb eines Gebäudes eine räumliche Trennung von Wohnen und Gewerbe vorgibt, stört die Wohnnutzung einer Teileigentumseinheit in dem der gewerblichen Nutzung vorbehaltenen Gebäudeteil bei typisierender Betrachtung regelmäßig mehr als die vorgesehene Nutzung.
Das ist hier der Fall. Wohnnutzung und gewerbliche Nutzung sollen räumlich getrennt sein. Die Anlage ist so konzipiert, dass im Dachgeschoss gewohnt werden soll, während die restlichen Gebäudeteile der gewerblichen Nutzung dienen. In einer solchen gemischten, aber räumlich getrennten Anlage haben sowohl die Teil- als auch die Wohnungseigentümer ein berechtigtes Interesse daran, dass die vorgegebene räumliche Trennung erhalten bleibt, um etwaige Nutzungskonflikte von vornherein zu vermeiden.
Auch der Umstand, dass laut Gemeinschaftsordnung die berufliche Nutzung einer Wohnung unter gewissen Umständen zulässig sein soll, während der Fall der Wohnnutzung einer Teileigentumseinheit nicht vorgesehen ist, deutet darauf hin, dass der teilende Eigentümer solche Nutzungen nicht zulassen wollte.
Klagebefugnis entfiel nach Widerspruch der Gemeinschaft
In dem Verfahren, das vor Inkrafttreten der WEG-Reform am 1.12.2020 begonnen hatte, machte die Wohnungseigentümerin ihren Unterlassungsanspruch selbst geltend, weil die Gemeinschaft diesen nicht an sich gezogen hatte. Obwohl seit der WEG-Reform allein die Gemeinschaft zur Durchsetzung solcher Ansprüche befugt ist, blieb die Klagebefugnis der Eigentümerin zunächst bestehen (hierzu BGH: WEG-Reform kippt Klagebefugnis einzelner Eigentümer in laufenden Verfahren nicht)
Erst während des Revisionsverfahrens vor dem BGH legte die Verwalterin ein Schreiben vor, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer der weiteren Rechtsverfolgung durch die Wohnungseigentümerin widerspricht. Hierdurch wurde die bis dahin zulässige und begründete Klage unzulässig. Die Eigentümerin erklärte den Rechtsstreit daraufhin für erledigt.
(BGH, Urteil v. 15.7.2022, V ZR 127/21)
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