Wohnen in Teileigentumseinheit kann zulässig sein
Hintergrund: Teileigentümer ersetzt Scheune durch Wohnhaus
Eine Wohnungseigentumsanlage bestand bei der Teilung im Jahr 1973 aus einem Gebäude mit acht Wohneinheiten sowie einer fensterlosen Scheune. Diese war als Teileigentumseinheit gebucht und ist in der Teilungserklärung als „Lagerraum“ bezeichnet. Laut Teilungserklärung sollten beide Gebäude hinsichtlich Nutzung, Kostenverteilung, Instandhaltung und Instandsetzung getrennt behandelt werden. Der Teileigentümer der Scheune sollte zu beliebigen baulichen Veränderungen berechtigt sein.
Im Jahr 2013 riss der Teileigentümer die Scheune ab und errichtete an deren Stelle ein Einfamilienhaus. Auf Antrag des Teileigentümers änderte das Grundbuchamt danach die Buchungsart des Sondereigentums von Teileigentum in Wohnungseigentum.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt nun von dem Teileigentümer, die Nutzung des neu errichteten Gebäudes als Wohnraum zu unterlassen. Vor Amts- und Landgericht hatte die Klage Erfolg. Das Landgericht meinte, die Bezeichnung als Teileigentum widerspreche einer Wohnnutzung. Eine solche sei auch nicht ausnahmsweise zulässig, weil eine Nutzung zu Wohnzwecken bei typisierender Betrachtung mehr störe als die in der Teilungserklärung genannte Nutzung als Lager.
Entscheidung: Zweckwidrige Nutzung im Einzelfall zulässig
Der BGH hält die Nutzung als Wohnung anders als das Landgericht für zulässig und weist die Klage ab.
Sondereigentümer kann nicht allein Teil- in Wohnungseigentum umwandeln
Nach wie vor handelt es sich bei der betreffenden Einheit um Teileigentum. Hieran hat die erklärte Nutzungsänderung nichts geändert, denn ein Sondereigentümer kann ohne Mitwirkung der übrigen Eigentümer sein Teileigentum nicht in Wohnungseigentum umwandeln. Ein Änderungsvorbehalt, der dies ermöglichen würde, ist in der Gemeinschaftsordnung nicht vorhanden.
Zweckwidrige Nutzung kann ausnahmsweise zulässig sein
Im Ausgangspunkt liegt eine zweckwidrige Nutzung vor. Eine als Teileigentum ausgewiesene Einheit darf grundsätzlich nicht zu Wohnzwecken genutzt werden; umgekehrt darf eine als Wohnungseigentum ausgewiesene Einheit grundsätzlich nicht zu anderen als Wohnzwecken genutzt werden.
Die Wohnnutzung der Teileigentumseinheit ist aber ausnahmsweise deshalb zulässig, weil sie nicht mehr stört als die zulässige Nutzung des Teileigentums.
Ausgangspunkt bei der Prüfung, ob die tatsächliche Nutzung bei typisierender Betrachtung mehr stört als die in der Gemeinschaftsordnung vorgesehene, ist, welche Nutzung der Einheit nach der Gemeinschaftsordnung zulässig ist. Hier ist die Einheit in der Teilungserklärung zwar als „Lager“ bezeichnet, eine solche Bezeichnung gibt im Zweifel aber keine Einschränkung der zulässigen Nutzung vor. Gegen eine Einschränkung spricht auch die Befugnis des Teileigentümers zu beliebigen baulichen Veränderungen. Somit ist in der Einheit jede Nutzung möglich, die in einer Teileigentumseinheit zulässigerweise ausgeübt werden kann.
Bei der Vergleichsbetrachtung, ob die Nutzung der Einheit als Wohnung mehr stört als die nach der Teilungserklärung vorgesehene, ist daher nicht nur von einem Lagerraum auszugehen. Vielmehr sind alle gewerblichen Nutzungen einzubeziehen, zu denen sich die Einheit eignet und nach der Teilungserklärung ausgebaut werden darf.
Wohnnutzung stört nicht grundsätzlich mehr
Eine Wohnnutzung ist im Vergleich zu einer gewerblichen Nutzung bei typisierender Betrachtung nicht regelmäßig als störender anzusehen, sondern es kommt auf die Verhältnisse in der konkreten Anlage an.
Befindet sich eine Teileigentumseinheit in einem nur beruflichen oder gewerblichen Zwecken dienenden Gebäude, stört eine Wohnnutzung typischerweise mehr als die vorgesehene Nutzung. (Hierzu siehe BGH: Wohnen im Geschäftshaus ist unzulässig)
Wenn eine Anlage aber – wie hier – sonst nur aus Wohnungen besteht, kann es sich anders verhalten. Eine Wohnnutzung ist nicht von vornherein die intensivste Form, eine Sondereigentumseinheit zu gebrauchen. So muss die Nutzung einer Teileigentumseinheit nicht auf die üblichen Geschäfts- oder Bürozeiten beschränkt sein, wie etwa bei einer Gaststätte, einem Sportstudio, einem SB-Waschsalon oder einem Co-Working-Space. Auch werden Publikumsverkehr und Geruchs- und Lärmimmissionen bei einigen zulässigen Nutzungen nicht geringer sein als bei einer Wohnnutzung.
Eine Wohnnutzung wäre im Vergleich mit solch zulässigen Nutzungen und den hiermit üblicherweise verbundenen Beeinträchtigungen für die übrigen Wohnungseigentümer bei typisierender Betrachtungsweise nicht als störender anzusehen, wenn man die gewöhnlicherweise zu erwartenden Lärm- und Geruchsimmissionen, die Besucherfrequenz und die Nutzungszeiten berücksichtigt. Eine Wohnnutzung würde auch nicht zu höheren Kosten für die Gemeinschaft führen, weil die Gebäude laut Teilungserklärung insoweit getrennt behandelt werden sollen. Und schließlich können Unzuträglichkeiten aus einer gemischten Nutzung der Anlage nicht auftreten, weil es sich bei allen anderen Einheiten bereits um Wohnungen handelt.
Danach ist die Nutzung einer Teileigentumseinheit zu Wohnzwecken bei typisierender Betrachtungsweise jedenfalls dann nicht störender als die vorgesehene Nutzung und deshalb zulässig, wenn es wie hier an einer einschränkenden Zweckbestimmung für das Teileigentum fehlt, die Teileigentumseinheit in einem separaten Gebäude (mit getrennter Kostenregelung) gelegen ist und auch die übrigen Sondereigentumseinheiten ausschließlich der Wohnnutzung dienen.
(BGH, Urteil v. 16.7.2021, V ZR 284/19)
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