Leitsatz (amtlich)
Klagt ein Vermieter rückständigen Mietzins nicht gegen die aus Rechtsanwälten bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein, die seine Vertragspartnerin ist, sondern gegen die drei Mitglieder dieser Sozietät persönlich als Gesamtschuldner, so ist es diesen unbenommen, sich im Verfahren jeweils selbst zu vertreten.
Aus dem Prozessrechtsverhältnis folgt jedoch die Pflicht jeder Partei, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Obsiegens vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt.
Der Kostenerstattungsanspruch der Beklagten kann daher insgesamt auf den Betrag beschränkt sein, der sich ergeben hätte, wenn sie einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten beauftragt hätten. Dies kommt insb. in Betracht, wenn hinsichtlich ihrer Rechtsverteidigung Interessenkonflikte zwischen ihnen weder bestanden noch zu erwarten waren.
Normenkette
ZPO § 78 Abs. 6, § 91 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 3, § 103
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 1) gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des OLG Karlsruhe vom 16.8.2006 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Wert: bis 900 EUR
Gründe
I.
[1] Im Hauptsacheverfahren hat die Klägerin von dem Beklagten zu 1) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 2) und 3) rückständige Miete i.H.v. 18.446,51 EUR begehrt. Die Beklagten sind als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zusammengeschlossene Rechtsanwälte. Sie haben sich jeweils selbst vertreten und mit nahezu wortgleichen Schriftsätzen auf die Klage erwidert.
[2] Am 12.4.2005 haben die Parteien einen Vergleich geschlossen. Danach haben die Kosten des Rechtsstreits zu 54 % die Klägerin und zu 46 % die Beklagten zu tragen.
[3] Auf die Kostenfestsetzungsanträge der Beklagten, die insoweit von drei Einzelmandaten ausgingen, hat die Rechtspflegerin beim LG mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30.1.2006 Anwaltsgebühren für die Beklagten i.H.v. jeweils 2.604 EUR, zusammen also 7.812 EUR festgesetzt.
[4] Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Beschwerdegericht diesen Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG - Rechtspflegerin - zurückverwiesen. Der Beklagte zu 1) begehrt mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, die Entscheidung des Beschwerdegerichts aufzuheben und die sofortige Beschwerde der Klägerin zurückzuweisen.
II.
[5] Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
[6] 1. Das OLG hat einen Anspruch des Beklagten und seiner Sozien auf Abrechnung von drei Einzelmandaten verneint. Zwar könne bei einer gegen mehrere Rechtsanwälte einer Sozietät gerichteten Klage jeder dieser Anwälte sich selbst vertreten und im Falle des Obsiegens grundsätzlich auch volle Kostenerstattung verlangen. Dieser nach § 91 Abs. 2 ZPO zu beurteilende Erstattungsanspruch finde jedoch seine Grenze in dem Grundsatz von Treu und Glauben und dem Verbot des Rechtsmissbrauchs. Mit Rücksicht darauf könnten auch Rechtsanwälte, die als Streitgenossen verklagt werden, unter Kostengesichtspunkten verpflichtet sein, einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten mit ihrer Vertretung zu beauftragen oder sich zumindest im Rahmen der Kostenerstattung so behandeln zu lassen, als sei dies geschehen. Dies sei hier der Fall, weil die Sozietät Vertragspartner des Mietvertrages sei und bereits deshalb ein Gleichlauf der auf Abweisung der Klage auf rückständigen Mietzins gerichteten Interessen der Sozien von Anfang an nahe gelegen habe. Auch angesichts der Einheitlichkeit des zugrunde liegenden Sachverhalts habe weder die Gefahr widerstreitender Interessen bestanden noch sei sie zu befürchten gewesen. Auch sonst habe für die Beklagten kein sachlicher Grund vorgelegen, sich jeweils selbst zu vertreten. Dem stehe auch nicht entgegen, dass es der Klägerin freigestanden habe, die Sozietät als Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Anspruch zu nehmen, statt deren Gesellschafter als Gesamtschuldner zu verklagen.
[7] 2. Die überzeugend begründete Entscheidung des OLG entspricht einer in Rechtsprechung und Literatur weit verbreiteten Ansicht (vgl. Musielak/Wolst ZPO 5. Aufl., § 91 Rz. 69; Zöller/Herget ZPO 26. Aufl., § 91 Rz. 13 "Sozietät"; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO § 91 Rz. 43; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.11.2006 - I-24 W 79/06, MDR 2007, 747 = OLGReport Düsseldorf 2007, 326 - (JURIS); OLG Naumburg, Beschl. v. 11.8.2005 - 12 W 74/05 - (JURIS); OLG Schleswig JurBüro 1988, 1030 f.; OLG Bamberg JurBüro 1985, 1876 f.; KG MDR 1985, 851; OLG Koblenz VersR 1985, 746; OLG Hamburg MDR 1980, 501; OLG München, Beschl. v. 5.10.1998 - 11 W 2385/98, AGS 2000, 103; OLG Hamm OLGReport Hamm 2003, 39 f.; OLG Karlsruhe Justiz 1988, 312 und Beschl. v. 31.8.1994 - 11 W 86/94 - (JURIS); LG Berlin Rpfleger 1979, 465; LG Münster MDR 1989, 165 f.; Hessisches LArbG LAGReport 2002, 78 f.; OVG Berlin, Beschl. v. 4.9.1984 - 7 K 1.84 - (JURIS); einschränkend: OLG Nürnberg JurBüro 1981, 763 f.).
[8] Sie hält der rechtlichen Überprüfung und den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
[9] a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt das Recht eines Rechtsanwalts, sich selbst vor Gericht zu vertreten, nicht automatisch zu einem Kostenerstattungsanspruch. Während § 78 Abs. 6 ZPO die anwaltlichen Befugnisse zur Selbstvertretung regelt (zu Einzelheiten Stein/Jonas/Bork ZPO 22. Aufl., § 78 Rz. 22), bestimmt sich der Umfang der im Kostenfestsetzungsverfahren zu erstattenden Kosten nach §§ 91, 103 ZPO. Dabei sieht § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO vor, dass dem Rechtsanwalt in eigener Sache die Gebühren und Auslagen zu erstatten sind, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
[10] Dies bedeutet jedoch nicht, dass aus dem Recht der anwaltlichen Selbstvertretung zwingend ein entsprechender Kostenerstattungsanspruch folgt (vgl. auch MünchKomm/ZPO/Belz 2. Aufl., § 91 Rz. 64 zu Rechtsanwälten als GmbH-Geschäftsführern und Vereinsvorständen).
[11] Insbesondere ist § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO entgegen dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde nicht lex specialis zu § 91 Abs. 1 ZPO. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber eine Kostenerstattung von vornherein nur insoweit vorgesehen, als es sich um notwendige Kosten handelt. Anders ist auch die Regelung für prozessfremde Kosten nicht zu verstehen (dazu Zöller/Herget, a.a.O., § 91 Rz. 7). Für diese Kosten gilt in gleichem Maße, dass sie nicht zu erstatten sind, soweit ihre Verursachung nicht notwendig war.
[12] b) Jede Prozesspartei ist verpflichtet, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt (vgl. BGH, Beschl. v. 15.3.2007 - V ZB 77/06 - zur Veröffentlichung vorgesehen; Zöller/Herget, a.a.O., § 91 Rz. 12). Diese Verpflichtung folgt aus dem Prozessrechtsverhältnis (vgl. BGH, Beschl. v. 3.6.2003 - VIII ZB 19/03, BGHReport 2003, 1115 = MDR 2003, 1140 = FamRZ 2003, 1461; vgl. auch BVerfG v. 30.1.1990 - 2 BvR 1085/89, NJW 1990, 3072, 3073).
[13] Sie beherrscht als Ausfluss von Treu und Glauben das gesamte Kostenrecht. So wäre es etwa rechtsmissbräuchlich, eine Forderung ohne sachlichen Grund in mehrere Teilbeträge aufzuspalten und in gesonderten Prozessen geltend zu machen. Das muss auch (und erst recht) gelten, wenn ein Rechtsanwalt mit einer eigenen Forderung so verfährt und sich dabei jeweils selbst vertritt. Auch an diesem Beispiel wird deutlich, dass § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO keine Spezialvorschrift darstellt, mit der der Grundsatz des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zugunsten sich selbst vertretender Anwälte durchbrochen werden könnte.
[14] Dieses Beispiel zeigt zugleich, dass derartige Erwägungen - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - den Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens nicht sprengen. Denn wenn der Rechtspfleger die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung einer Forderung in mehreren Prozessen prüfen muss, ihm also abverlangt wird, bei der Kostenfestsetzung nicht nur die in dem ihm jeweils vorliegenden Verfahren entstandenen Kosten in den Blick zu nehmen, dann wird man ihm eine solche Prüfung erst recht zumuten können, wenn es - wie hier - um die Kosten eines einheitlichen Verfahrens geht.
[15] c) Die Argumentation der Rechtsbeschwerde, die Klägerin habe die Erstattungssituation selbst dadurch herbeigeführt, dass sie die Beklagten und nicht die Anwaltssozietät verklagt habe, überzeugt nicht.
[16] Auch seit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Rechts- und Parteifähigkeit zuerkannt wird (BGH v. 29.1.2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = MDR 2001, 459 = BGHReport 2001, 237 m. Anm. Sprau = AG 2001, 307), besteht keine Pflicht, diese und nicht die einzelnen Gesellschafter zu verklagen.
[17] Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde insoweit geltend, die Klägerin habe anstelle der Gesellschaft bürgerlichen Rechts deren Gesellschafter nur deshalb verklagt, um diese als sachkundige Zeugen auszuschalten, so dass es befremdlich sei, nunmehr wegen der sich daraus ergebenden Kostenfolge nicht der Klägerin, sondern den Beklagten Rechtsmissbrauch vorzuwerfen.
[18] Erstens ist es der Klägerin nämlich nicht zu verwehren, die drei Beklagten persönlich (allein oder neben der GbR) in Anspruch zu nehmen, denn aus einem allein gegen die GbR erstrittenen Titel hätte sie nicht in das Privatvermögen der Gesellschafter vollstrecken können (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 736 Rz. 4m.N.). Zweitens kann ihr nicht vorgehalten werden, auf diese Weise eine sonst mögliche Vernehmung der Gesellschafter als Zeugen vereitelt zu haben, denn auch bei einer allein gegen die GbR gerichteten Klage hätten deren Gesellschafter (als Gesamtvertreter, § 714 BGB) nicht als Zeugen, sondern allenfalls als Partei vernommen werden können (vgl. Wertenbruch NJW 2002, 324, 326; Stein/Jonas/Berger, a.a.O., vor § 373 Rz. 5; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 65. Aufl. Übersicht § 373 Rz. 15).
[19] d) Auch der Hinweis der Rechtsbeschwerde, der einheitliche Sachverhalt sei zum Zeitpunkt der Klageerwiderung nicht erkennbar gewesen, vermag nicht zu überzeugen. Soweit sie sich insoweit auf mögliche Ausgleichsansprüche der Gesellschafter untereinander gem. § 426 BGB beruft, sind diese nicht Gegenstand des zu führenden Rechtsstreits, sondern allenfalls dessen Folge.
[20] Sonstige Umstände, die es vorliegend rechtfertigen könnten, einen Interessengegensatz anzunehmen (vgl. dazu OLG Naumburg, Beschl. v. 27.1.2005 - 12 W 120/04, OLGReport Naumburg 2005, 650 = Rpfleger 2005, 482 f.; OLG München, Beschl. v. 5.8.1980 - 11 W 1650/80 - JurBüro 1981, 138 f. und OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.6.1997 - 10 W 78/97, OLGReport Düsseldorf 1997, 294 = MDR 1997, 981) sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Im Gegenteil belegen die wortgleiche Rechtsverteidigung aller drei Beklagten in den Vorinstanzen sowie der Umstand, dass sie sich vor dem BGH - wenn auch in drei gesonderten Rechtsbeschwerdeverfahren - von einem gemeinsamen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen, dass Interessenkonflikte nicht vorliegen.
[21] e) Schließlich bleibt auch der Einwand der Rechtsbeschwerde ohne Erfolg, die Pflicht zur Bestellung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten hätte für alle drei Beklagten die Frage aufgeworfen, wer von ihnen sich dann selbst vertreten dürfe und welche beiden anderen ihn kostenpflichtig zu mandatieren gezwungen wären. Hier hätte sich vielmehr angeboten, wie üblich die Sozietät zu mandatieren und nicht eines ihrer Mitglieder. Dann wäre keiner der drei Beklagten bevorteilt oder benachteiligt gewesen, weil sich die Frage, wer jeweils die Schriftsätze fertigt oder vor Gericht auftritt, ebenso wie die Gebührenrechnung nach den auch sonst in dieser Sozietät geltenden Gepflogenheiten gerichtet hätte.
[22] 3. Das Beschwerdegericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass es nicht selbst in der Sache entscheiden konnte und somit eine Zurückverweisung erfolgen musste. Neben dem Mehrvertretungszuschlag gem. § 6 Abs. 1 BRAGO (vgl. OLG Hamburgv. 21.10.1998 - 8 W 251/98, MDR 1999, 256, OLG Schleswigv. 7.4.2003 - 9 W 37/03, OLGReport Schleswig 2003, 326 = MDR 2003, 1202 und OLG Düsseldorfv. 6.4.2000 - 10 W 30/00, OLGReport Düsseldorf 2000, 333 = MDR 2000, 851 f.) sind nämlich auch noch die von den Beklagten nachträglich geltend gemachten Kostenpositionen in die vom Rechtspfleger des LG nachzuholende Prüfung einzubeziehen.
III.
[23] Der Senat konnte vorliegend seinerseits abschließend über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens gem. § 97 Abs. 1 ZPO entscheiden. Zwar ist der endgültige Ausgang des Kostenfestsetzungsverfahrens wegen der Zurückverweisung an das LG noch offen. Das Rechtsbeschwerdeverfahren selbst ist jedoch abgeschlossen und daher kostenrechtlich erledigt.
Fundstellen