Verfahrensgang
Tenor
Der Wert der anwaltlichen Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin im Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 200.000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
I. Die Antragstellerin verdächtigt die Antragsgegner einer Verletzung von Geschäftsgeheimnissen durch unbefugte Mitnahme und Verwertung von Konstruktionsunterlagen der Antragstellerin. Die Antragstellerin hat deswegen die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens nach dem sogenannten Düsseldorfer Verfahren beantragt. Mit Beschluss vom 29. Juli 2021 hat das Landgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet und zugleich als einstweilige Verfügung weitere Anordnungen erlassen. Es hat den Antragsgegnern aufgegeben, eine Begutachtung durch den Sachverständigen unter Zugriff auf bestimmte bei ihnen vorhandene Gegenstände und Daten zu dulden. Darüber hinaus hat es die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin verpflichtet, ihnen durch die Besichtigung und Begutachtung bekannt werdende, den Geschäftsbetrieb der Antragsgegner betreffende Tatsachen geheim zu halten, und zwar auch gegenüber der Antragstellerin und deren Mitarbeitern. Nach Vorlage des Gutachtens durch den Sachverständigen hat das Landgericht mit Beschluss vom 31. Mai 2022 die Verpflichtung zur Geheimhaltung auf das selbständige Beweisverfahren und das Gutachten erstreckt.
Rz. 2
Das Landgericht hat den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin mit Beschluss vom 30. September 2022 auf ihren Antrag gestattet, der Antragstellerin und ihren mit dem Verfahren befassten Mitarbeitern eine mit Schwärzungen versehene Fassung des Gutachtens ohne Anlagen auszuhändigen und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin darüber hinausgehend gestattet, das Gutachten samt Anlagen der Antragstellerin und ihren mit dem Verfahren befassten Mitarbeitern auszuhändigen. Der Senat hat die hiergegen - mit dem Ziel der Zurückweisung der sofortigen Beschwerde - eingelegte Rechtsbeschwerde der Antragsgegner durch Beschluss vom 9. November 2023 zurückgewiesen.
Rz. 3
Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2023 die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Rechtsbeschwerdeverfahren beantragt. Der Einzelrichter hat die Übertragung dieses Verfahrens auf den Senat in Aussicht gestellt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, der Antragsgegnerseite auch zur eigenen Antragstellung. Hierzu sind keine Stellungnahmen eingegangen und die Antragsgegnerseite hat keinen eigenen Antrag gestellt. Mit Beschluss vom 22. März 2024 hat der Einzelrichter das Verfahren dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen.
Rz. 4
II. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin im Rechtsbeschwerdeverfahren ist auf 200.000 € festzusetzen.
Rz. 5
1. Nach § 33 Abs. 1 RVG setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbständig fest, wenn sich - wie hier (vgl. Nr. 1826 VV RVG) - die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder es an einem solchen Wert fehlt. Über einen solchen Antrag hat auch beim Bundesgerichtshof nach § 1 Abs. 3, § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 1 RVG grundsätzlich der Einzelrichter zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 9. August 2021 - GSZ 1/20, NJW 2021, 3191 [juris Rn. 8]). Der Einzelrichter überträgt das Verfahren nach § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine solche Übertragung ist im Streitfall erfolgt.
Rz. 6
2. Nach § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG ist in Beschwerdeverfahren, in denen Gerichtsgebühren unabhängig vom Ausgang des Verfahrens nicht erhoben werden oder sich nicht nach dem Wert richten, der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu bestimmen. Nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ist der Gegenstandswert, soweit er nicht feststeht, nach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 5.000 €, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000 € anzunehmen. Diese Vorschriften sind entsprechend auf Rechtsbeschwerdeverfahren als besondere Beschwerdeverfahren anzuwenden, soweit dort Gerichtsgebühren nicht erhoben werden oder sich - wie im Streitfall - nicht nach dem Wert richten. Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit ist dann nicht nach den Vorschriften über Gerichtsgebühren - hier insbesondere § 51 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 bis 5 GKG - festzusetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2017 - I ZB 6/16, MarkenR 2018, 454 [juris Rn. 4 bis 7] mwN).
Rz. 7
3. Maßgeblich für die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen im Rechtsbeschwerdeverfahren über die Aufhebung von Geheimhaltungsanordnungen nach § 19 Abs. 1 GeschGehG ist das wirtschaftliche Interesse, das der Rechtsbeschwerdeführer als Antragsteller an der Aufhebung oder als Antragsgegner an der Aufrechterhaltung dieser Anordnungen hat.
Rz. 8
a) Die Antragstellerin hat einen Gegenstandswert von 1 Mio. € für das selbständige Beweisverfahren und von 200.000 € für das Verfahren der einstweiligen Verfügung angegeben. Dem sind die Antragsgegner nicht entgegengetreten. Für das selbständige Beweisverfahren, das die Nutzung von Geschäftsgeheimnissen der Antragstellerin durch die Antragsgegner betrifft, fehlt es bislang an einer Festsetzung des Gegenstandswerts. Für die einstweilige Verfügung, die den Zugriff auf bestimmte bei den Antragsgegnern vorhandene Gegenstände und Daten regelt, ist das Landgericht der Angabe der Antragstellerin gefolgt und hat den Gegenstandswert auf 200.000 € festgesetzt.
Rz. 9
b) Der Senat übt das ihm nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG eingeräumte billige Ermessen dahingehend aus, dass er den Wert des von den Antragsgegnern geführten Rechtsbeschwerdeverfahrens mit dem Ziel der Aufrechterhaltung von Geheimhaltungsanordnungen nach § 19 Abs. 1 GeschGehG auf 200.000 € festsetzt. Dies entspricht dem Gegenstandswert des Verfahrens der einstweiligen Verfügung. Das Rechtsbeschwerdeverfahren betrifft den ursprünglich durch die einstweilige Verfügung geregelten Zugang der Antragstellerin zu - möglicherweise geschützten - Gegenständen und Daten der Antragsgegner. Es betrifft hingegen nicht unmittelbar die etwaige Nutzung von Geschäftsgeheimnissen der Antragstellerin durch die Antragsgegner.
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Fundstellen
GRUR 2024, 959 |
WRP 2024, 817 |