Leitsatz (amtlich)
Auch der Zustandsstörer kann zur Beseitigung einer Störung (und nicht bloß zur Duldung der Störungsbeseitigung) verpflichtet sein.
Normenkette
BGB § 1004 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 36. Zivilkammer des LG München I vom 23.12.2008 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde, an das LG zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde beträgt 10.000 EUR.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Antragsgegnerin ist Mitglied einer von dem Antragsteller verwalteten Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie ist seit dem 30.5.1996 Sondereigentümerin einer zu der Wohnungseigentumsanlage gehörenden Doppelhaushälfte, die schon vor dem Eigentumserwerb von der Familie S. bewohnt wurde; Mieter ist Herr S., der Geschäftsführer der Antragsgegnerin.
Rz. 2
Das Sondereigentum der Antragsgegnerin ist mit einem Sondernutzungsrecht an einer Gartenfläche verbunden. In der Teilungserklärung heißt es hierzu in § 2:
"Die Halbhäuser ... und die ihnen zugeordneten Sondernutzungsflächen werden im höchstmöglichen nach dem WEG überhaupt zulässigen Umfang wie selbständige Grundstücke behandelt ... Jedem Wohnungseigentümer ist nur ein solcher Gebrauch seines Sondereigentums und der seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden Teile des gemeinschaftlichen Eigentums untersagt, dem ein anderer Wohnungseigentümer als Nachbar widersprechen könnte, wäre das Grundstück real so geteilt, wie die Sondernutzungsrechte abgegrenzt sind."
Rz. 3
Die dem Sondernutzungsrecht unterliegende Gartenfläche wird seit 1987/88 auf einer Länge von etwa 15m von einer aus 19 Bäumen bestehenden Thujenhecke begrenzt. Die Bäume sind von der angrenzenden Sondernutzungsfläche weniger als 2m entfernt und haben eine Höhe von ca. 7,6m erreicht. Wegen der Hecke fand am 16.4.1996 eine Ortsbegehung statt. Das darüber aufgenommene Protokoll lautet auszugsweise:
"Die Thujenhecke ist mittlerweile 'in den Himmel gewachsen'. Sie muss in jedem Fall massiv zurück geschnitten werden. Dies stößt bei der Familie S. auf Ablehnung ... Herr S. sagt zu, dass die Thujenhecke auf keinen Fall höher werden würde (Stichtag: 16.4.1996)."
Rz. 4
Auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 12.5.1997 wurde folgender Beschluss gefasst:
"Zurückschneiden der Sträucher bzw. Bäume entlang des Hauses 21c. Die Eigentümergemeinschaft beschließt einstimmig, dass die Höhe der Sträucher bzw. Bäume auf dem Sondernutzungsrecht der Familie S. das Maß vom 16.4.1996 nicht überschreiten dürfe. Die Familie S. verpflichtet sich zu entsprechenden Rückschnitten wie im Protokoll vom 16.4.1996 festgehalten."
Rz. 5
Am 26.11.2003 beschlossen die Wohnungseigentümer auf einer weiteren Eigentümerversammlung:
"Da über die Zeit mit Herrn S. bis heute kein Kompromiss erreicht werden konnte, erhält die Hausverswaltung die Genehmigung zur Klageerhebung mit dem Ziel, einen Rückschnitt der Thujenhecke ... auf die niedrigst mögliche Höhe zu erreichen, wenn bis zum 15.1.2002 kein akzeptabler Kompromissvorschlag ... bei der Hausverwaltung eingereicht wird."
Rz. 6
Mit Beschluss vom 9.1.2007 hat das AG der Antragsgegnerin aufgegeben, die Hecke auf eine Höhe von 4m zurückzuschneiden; den weitergehenden Antrag - Rückschnitt auf eine Höhe von 2m - hat es zurückgewiesen. Das LG hat den Antrag vollends zurückgewiesen. Mit der hiergegen gerichteten weiteren sofortigen Beschwerde möchte der Antragsteller in erster Linie die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erreichen; hilfsweise beantragt er, die Antragsgegnerin zu verpflichten, einen Rückschnitt bis auf eine Höhe von 4m zu dulden. Das OLG hält das Rechtsmittel für begründet, sieht sich aber durch die Entscheidung des KG in Berlin vom 19.3.2007 (NZM 2007, 845 f.) daran gehindert, den Beschluss des AG wiederherzustellen. Es hat die Sache deshalb dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Rz. 7
Die Vorlage ist gem. § 62 Abs. 1 WEG, § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG a.F., § 28 Abs. 2 FGG, Art. 111 Abs. 1 FGG-ReformG statthaft. Das vorlegende Gericht geht davon aus, dass die Entscheidung der Sache davon abhängt, ob ein Zustandsstörer zur Beseitigung der Störung verpflichtet ist. Im Gegensatz zur Auffassung des KG - danach soll allenfalls eine Duldungspflicht des Zustandsstörers bestehen - möchte es die Frage bejahen. Diese Divergenz, an deren Beurteilung als entscheidungserheblich der BGH bei der Prüfung der Statthaftigkeit gebunden ist (vgl. nur BGH BGHZ 116, 392, 394 m.w.N.), rechtfertigt die Vorlage.
III.
Rz. 8
Die nach §§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG a.F., §§ 27, 29, 22 Abs. 1 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
Rz. 9
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, dass die Antragsgegnerin als Zustandsstörerin nicht zu einem Rückschnitt verpflichtet ist. Davon abgesehen sei mit dem Beschluss vom 12.5.1997 eine dem Stichtag des 16.4.1996 entsprechende Heckenhöhe genehmigt worden. Schließlich sei der Anspruch jedenfalls verwirkt.
Rz. 10
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Rz. 11
a) Allerdings ist das Beschwerdegericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller befugt ist, die Ansprüche der Wohnungseigentümer (vgl. dazu BGH BGHZ 116, 392, 395) im eigenen Namen geltend zu machen. Die Voraussetzungen einer gewillkürten Verfahrensstandschaft sind gegeben. Insbesondere liegt die dafür erforderliche Ermächtigung der Rechtsinhaber vor. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Erteilung der notwendigen Ermächtigung in dem Beschluss vom 26.11.2003 gesehen. Dieser wurde zu einem Zeitpunkt gefasst, als die (Teil-)Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft noch nicht anerkannt war und demgemäß Ansprüche der Wohnungseigentümer nicht durch sog. Ansichziehen auf den Verband zur Ausübung übertragen und daher auch nicht von diesem prozessual durchgesetzt werden konnten. Vor diesem Hintergrund entsprach es gängiger und rechtlich unbedenklicher Rechtspraxis, Ansprüche der Wohnungseigentümer über das Rechtsinstitut der Verfahrensstandschaft zu bündeln (vgl. BGH BGHZ 73, 302, 306 f.). Dass der Beschluss, wäre er erst nach der im Jahr 2005 erfolgten Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (dazu grundlegend BGH BGHZ 163, 154, 158 ff.) gefasst worden, anders, nämlich dahin auszulegen wäre, die Ansprüche der Wohnungseigentümer sollten im Wege des sog. Ansichziehens auf die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Ausübung übertragen werden, führt nicht zu einem Wegfall der einmal gegebenen Verfahrensstandschaft.
Rz. 12
b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts kann jedoch nach dem derzeitigen Verfahrensstand ein Anspruch der einzelnen Wohnungseigentümer auf einen Rückschnitt der Hecke nicht verneint werden.
Rz. 13
aa) Mit der gegebenen Begründung kann die Beschwerdeentscheidung nicht aufrechterhalten werden.
Rz. 14
(1) Anders als das Beschwerdegericht in Übereinstimmung mit dem KG (NZM 2007, 845 f. m.w.N.) meint, kann auch der Zustandsstörer zur Beseitigung einer ihm zurechenbaren Störung verpflichtet sein (vgl. BGH, Urt. v. 30.3.2007 - V ZR 179/06, NJW 2007, 2182; Urt. v. 29.2.2008 - V ZR 31/07, NJW-RR 2008, 827). Dies setzt allerdings voraus, dass er nicht nur tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, die Störung zu beseitigen, sondern zudem, dass die Störung bei der gebotenen wertenden Betrachtung durch seinen maßgebenden Willen zumindest aufrechterhalten wird (vgl. BGH, Urt. v. 1.12.2006 - V ZR 112/06, NJW 2007, 432 f.). Daran fehlt es etwa, wenn der Mieter einer Wohnung auf Beseitigung eines das Eigentum eines Dritten beeinträchtigenden Zustandes in Anspruch genommen wird, der auf das Handeln des Wohnungseigentümers zurückzuführen ist. Der Mieter ist in einem solchen Fall lediglich verpflichtet, die Beseitigung der Störung zu dulden (vgl. BGH, Urt. v. 1.12.2006 - V ZR 112/06, a.a.O.), nicht aber ist er gehalten, diese durch einen Eingriff in das Eigentum seines Vermieters zu beseitigen. Die Störung zu beseitigen, bleibt in solchen Fällen Sache des Eigentümers.
Rz. 15
Vorliegend befindet sich die Antragsgegnerin nicht in einer Situation, die der des Mieters im Beispielsfall vergleichbar wäre. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass die Aufrechterhaltung der von der Hecke ausgehenden Störung hier allein auf dem maßgebenden Willen der Antragsgegnerin beruht und diese nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich zur Beseitigung der Störung in der Lage ist. Zwar sind die Pflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks und damit Gemeinschaftseigentum geworden. Jedoch ergibt sich die Befugnis zur Kürzung schon aus der Regelung in der Teilungserklärung, wonach die Wohnungseigentümer möglichst so zu stellen sind, wie sie bei einer Realteilung stünden. Davon abgesehen folgt sie auch aus dem in dem Rückschnittverlangen liegenden Einverständnis der übrigen Wohnungseigentümer.
Rz. 16
(2) Offen bleiben kann, ob die Wohnungseigentümer der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 12.5.1997 eine Heckenhöhe gestattet haben, die dem Stand vom 16.4.1996 entspricht. Denn der später gefasste Beschluss vom 26.11.2003 ist aus unbefangener Sicht nächstliegend (zu diesen Kriterien BGH BGHZ 139, 288, 292; Urt. v. 5.2.2010 - V ZR 126/09, Umdr. S. 4 m.w.N., zur Veröffentlichung bestimmt) jedenfalls als Widerruf dieser Gestattung auszulegen.
Rz. 17
(3) Die Annahme einer Verwirkung nach § 242 BGB scheitert schon daran, dass es an dem dafür erforderlichen Umstandsmoment fehlt. Die Antragsgegnerin verweist auf kein Vorbringen, aus dem sich eine Vertrauensbetätigung ergibt, die die weitere Geltendmachung der Ansprüche als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheinen lässt (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2002 - V ZR 443/01, Umdr. S. 9; BGH, Urt. v. 12.3.2008 - XII ZR 147/05, NJW 2008, 2254, 2255; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 242 BGB Rz. 95 m.w.N.).
Rz. 18
(4) Soweit das Beschwerdegericht auf dem Standpunkt steht, die "Verurteilung" zu einem Rückschnitt auf eine Höhe von 7m oder 6,5m scheitere zudem daran, dass diese nicht mehr von dem auf einen Rückschnitt auf 2m gerichteten Antrag erfasst sei, ist auch dies rechtsfehlerhaft. Bei verständiger Würdigung des Antrages möchte der Antragsteller bis zu der angegebenen Höhe jede rechtlich durchsetzbare Kürzung erreichen. Dann aber ist auch eine Kürzung auf eine verbleibende Baumhöhe von 7m oder 6,5m in dem Antrag als Minus enthalten. Die Auffassung des Beschwerdegerichts läuft darauf hinaus, der Antragsteller wolle den jetzigen Zustand hinnehmen, sofern sein weitergehendes Ziel nicht erreichbar sei. Das ist abwegig.
Rz. 19
(5) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts steht der Verpflichtung zu einem eingeschränkten Rückschnitt schon deshalb nicht der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegen, weil die Wohnungseigentümer eine Gestattung jedenfalls widerrufen haben (oben (2)).
Rz. 20
bb) Der angefochtene Beschluss ist auch nicht aus anderen Gründen richtig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Regelungsgehalt der §§ 14, 15 Abs. 3 WEG durch die Regelung in der Teilungserklärung modifiziert worden ist, wonach die Wohnungseigentümer möglichst so zu stellen sind, wie sie bei einer Realteilung stünden. Das hat zur Folge, dass sich die Wohnungseigentümer in Konstellationen der vorliegenden Art grundsätzlich nur auf diejenigen Anspruchsgrundlagen stützen können, die ihnen bei einer Realteilung des Grundstücks zustünden. Bei der Frage, ob solche Ansprüche verjährt sind, bedarf es einer differenzierenden Betrachtung.
Rz. 21
(1) Soweit es um die Verjährung des landesrechtlichen Anspruches aus Art. 47 BayAGBGB geht, den beide Vorinstanzen mit Blick auf die von den Wohnungseigentümern vereinbarte weitgehende Gleichstellung mit Realeigentümern zu Recht für entsprechend anwendbar gehalten haben, führt dies - entgegen der Auffassung des AG - auch zur analogen Anwendung der diese Anspruchsgrundlage ausdrücklich einbeziehenden Verjährungsregelung des Art. 52 Abs. 1 BayAGBGB. Wie das Beschwerdegericht der Sache nach zutreffend ausführt, ist kein vernünftiger Grund dafür ersichtlich, nur auf landesrechtliche Anspruchsgrundlagen zurückzugreifen, nicht aber auf in demselben Regelungszusammenhang normierte Einreden oder Einwendungen. Dem entspricht es, dass der Senat in einem vergleichbaren Fall dem Landesrecht nicht nur die Anspruchsgrundlage entnommen, sondern auch den dort geregelten Ausschlusstatbestand für entsprechend anwendbar gehalten hat (vgl. Urt. v. 28.9.2007 - V ZR 276/06, NJW 2007, 3636, 3637). Dass sich der bayerische Gesetzgeber nicht für eine Ausschluss-, sondern für eine Verjährungsregelung entschieden hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Rz. 22
Ob die gegen den Anspruch aus Art. 47 BayAGBGB erhobene Verjährungseinrede durchgreift, ist offen. Feststellungen dazu, ob die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Art. 52 Abs. 1 BayAGBGB vorliegen, hat das Beschwerdegericht - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig - bislang nicht getroffen. Das wird ebenso nachzuholen sein wie die sich hieran ggf. anschließende Prüfung, ob und inwieweit die Bemühungen, im Verhandlungswege zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelangen, dem Eintritt der Verjährung entgegen stehen. Soweit es um die Zeit vor dem 1.1.2002 geht, ist Prüfungsmaßstab § 242 BGB i.V.m. dem in §§ 639 Abs. 2, 852 Abs. 2 BGB a.F. enthaltenen Rechtsgedanken (vgl. auch Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 12. Aufl., § 203 BGB Rz. 1 m.w.N.), für die Zeit danach die den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nunmehr konkretisierende Regelung des § 203 BGB (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Dabei wird sich die Antragsgegnerin jedenfalls für die Zeit nach ihrem Eigentumserwerb auch das Verhalten ihres Geschäftsführers S. zurechnen lassen müssen. Die Annahme, dass dieser ausschließlich in seiner Eigenschaft als Mieter an Versammlungen der Wohnungseigentümergemeinschaft teilgenommen und Erklärungen abgegeben hat, liegt aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen Erklärungsadressaten - so Herr S. nicht ausdrücklich einen entsprechenden Vorbehalt geäußert haben sollte - fern.
Rz. 23
(2) Auf eventuelle Ansprüche der Wohnungseigentümer aus § 1004 Abs. 1 BGB erstreckt sich die Verjährungsbestimmung des Art. 52 Abs. 1 BayAGBGB dagegen nicht. Diese unterlagen zunächst der dreißigjährigen Regelverjährung nach § 195 BGB a.F. und ab dem 1.1.2002 mit neuem Fristlauf den Vorschriften des nunmehr geltenden Verjährungsrechts (Art. 229 § 6 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 EGBGB). Einschlägig ist die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB n.F. (vgl. Palandt/Bassenge, a.a.O., § 1004 Rz. 45; vgl. auch BGH, Urt. v. 16.3.2007 - V ZR 190/06, NJW 2007, 2183, 2184), die bei Zustellung des Antrags im März 2004 noch lief.
Rz. 24
Wie Art. 124 EGBGB belegt, kann eine landesgesetzliche Regelung das Grundstückseigentum zugunsten des Nachbarn weitergehenden Beschränkungen unterwerfen, nicht aber umgekehrt dem Nachbarn Rechte nehmen, die sich aus bundesrechtlichen Vorschriften - etwa aus § 1004 Abs. 1 BGB oder § 15 Abs. 3 WEG - ergeben (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.2003 - V ZR 98/03, NJW 2004, 1035, 1037 m.w.N.). Das gilt vorliegend umso mehr, als das Landesrecht mit Art. 47 BayAGBGB einen Anspruch schon dann gewährt, wenn bei Pflanzen mit einer bestimmten Höhe der Grenzabstand nicht eingehalten ist. Dass die Missachtung dieser Vorgaben zu einer Eigentumsbeeinträchtigung des Nachbargrundstückes führt, ist nicht Anspruchsvoraussetzung. Dagegen kommen Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB nur dann in Betracht, wenn eine solche Beeinträchtigung vorliegt oder zumindest ernsthaft zu besorgen ist (zu Letzterem vgl. nur Palandt/Bassenge, BGB, 69. Aufl., § 1004 Rz. 32 m.w.N.). Die Verjährung des für den Nachbarn vorteilhafteren landesrechtlichen Anspruchs bleibt damit auf ihren Anwendungsfall beschränkt und lässt konkurrierende Ansprüche nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch unberührt (BGH, Urt. v. 12.12.2003 - V ZR 98/03, NJW 2004, 1035, 1037 m.w.N.). Insbesondere führt die erfolgreiche Erhebung der auf eine landesrechtliche Bestimmung gestützten Verjährungseinrede nicht dazu, dass deshalb eine von der bundesrechtlichen Vorschrift des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB erfasste Eigentumsbeeinträchtigung hingenommen werden müsste. Das hat der Senat bereits für den insoweit vergleichbaren Fall des Durchgreifens eines - ebenfalls an den Ablauf einer Frist geknüpften - landesrechtlichen Ausschlusstatbestandes entschieden (Urt. v. 12.12.2003 - V ZR 98/03, a.a.O.). Für das Eingreifen der Verjährungseinrede nach Art. 52 Abs. 1 BayAGBGB gilt nichts anderes. Ob auf der Grundlage des tatsächlichen Vorbringens des Antragstellers eine unter § 1004 Abs. 1 BGB fallende Eigentumsbeeinträchtigung (dazu etwa BGH BGHZ 113, 384, 387 f.; Palandt/Bassenge, BGB, 69. Aufl., § 903 Rz. 9 f.; jeweils m.w.N.; vgl. aber PWW/Lemke, 4. Aufl., BGB, § 903 BGB Rz. 5; Stresemann, FS Wenzel, 425, 431 ff.) vorliegt, hat das Beschwerdegericht - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung wiederum konsequent - nicht geprüft. Das wird ggf. nachzuholen sein.
Rz. 25
3. Nach allem ist die Beschwerdeentscheidung aufzuheben. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 2323526 |
NJW 2010, 2656 |
NJW 2010, 6 |
EBE/BGH 2010, 130 |
NJW-RR 2010, 807 |
NZM 2010, 365 |
ZMR 2010, 622 |
ZfIR 2010, 334 |
JZ 2010, 343 |
MDR 2010, 688 |
NJ 2011, 26 |
WuM 2010, 254 |
Info M 2010, 443 |
MietRB 2010, 171 |
NJW-Spezial 2010, 385 |
I&F 2010, 711 |
IWR 2010, 65 |