Leitsatz (amtlich)
a) Der Verkehr sieht in einer bestimmten Formgestaltung einer Ware nur dann einen Herkunftshinweis, wenn er die Form nicht einer konkreten Funktion der Ware oder ganz allgemein dem Bemühen zuschreibt, ein ästhetisch ansprechendes Produkt zu schaffen. Dies ist von Ware zu Ware unterschiedlich. Für einen Herkunftshinweis spricht dabei, dass es sich um eine willkürliche Formgebung handelt, die sich von anderen Gestaltungen durch wiederkehrende charakteristische Merkmale unterscheidet.
b) Im Rahmen des dem § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entsprechenden Eintragungshindernisses des Art. 6quinquies Abschn. B Satz 1 Nr. 2 PVÜ ist das Interesse der Allgemeinheit an einer Freihaltung der Formenvielfalt zu berücksichtigen. Liegt die beanspruchte Form im Rahmen einer auf diesem Warengebiet üblichen Formenvielfalt und sind die Möglichkeiten, die Produktgestaltung im Interesse einer Individualisierung zu variieren, beschränkt, kann dies dafür sprechen, dass die als Marke beanspruchte Form im Interesse der Allgemeinheit freizuhalten ist.
Normenkette
MarkenG § 8 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 107; PVÜ Art. 6 Abschn. B S. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
BPatG (Beschluss vom 19.07.2000) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss des 28. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des BPatG v. 19.7.2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das BPatG zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Markeninhaberin begehrt für ihre IR-Marke 670 278 Schutz in der Bundesrepublik Deutschland. Diese für die Waren "Fromage, produits laitiers" registrierte Marke, die nachstehend in schwarz-weiß wiedergegeben ist, besteht aus einer dreidimensionalen Form, die an eine Blüte mit sechs Blütenblättern erinnern soll und eine geriffelte Oberfläche mit weißen und orangefarbenen Streifen aufweist.
Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes hat der IR-Marke den Schutz für die Ware "Fromage" wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft verweigert. Die Beschwerde der Markeninhaberin hat das BPatG zurückgewiesen (BPatG v. 19.7.2000 - 28 W (pat) 95/99, GRUR 2001, 341 = BPatGE 43, 153).
Hiergegen richtet sich die (zugelassene) Rechtsbeschwerde, mit der die Markeninhaberin ihr Schutzerstreckungsbegehren weiterverfolgt.
II. Das BPatG hat angenommen, der Bewilligung des Schutzes der IR-Marke in Deutschland stehe das Schutzhindernis des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft nach §§ 107, 113 Abs. 1, § 37 Abs. 1 MarkenG i.V. mit Art. 5 Abs. 1 MMA und Art. 6quinquies Abschn. B Satz 1 Nr. 2 PVÜ entgegen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Trotz der Wechselwirkung von Formgebung und Herstellungsprozess bei Käse sei davon auszugehen, dass keiner der Gründe des § 3 Abs. 2 MarkenG vorliege, um die abstrakte Markenfähigkeit zu verneinen. Der beanspruchten dreidimensionalen Gestaltung fehle es jedoch an der konkreten Unterscheidungskraft.
Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft sei an sich von einem großzügigen Maßstab auszugehen. Solle sich eine Ware durch einen in ihrer Form liegenden Herkunftshinweis von Konkurrenzprodukten unterscheiden, setze der Markenschutz indessen voraus, dass sich der Verkehr auf dem beanspruchten Warengebiet bereits an die kennzeichnende Funktion der Warenform gewöhnt habe. Sei diese Frage zu bejahen, müsse festgestellt werden, ob der Formmarke wegen ihrer individuellen Gestaltungsmerkmale die Herkunftsfunktion nicht abgesprochen werden könne. Sofern auf dem betreffenden Warengebiet eine solche Gewöhnung des Verkehrs nicht festzustellen sei, könne bei einer deutlich aus dem Rahmen des Verkehrsüblichen fallenden Formgestaltung mit betrieblichem Hinweischarakter ausnahmsweise dennoch Unterscheidungskraft angenommen werden. Nach diesen Grundsätzen sei die Unterscheidungskraft zu verneinen.
Der Verkehr unterscheide Käse jeweils nach verschiedenen Sorten, im Wesentlichen nach Frisch-, Weich- oder Hartkäse, seiner Herkunft aus unterschiedlichen Ländern oder Provenienzen oder nach sonstigen Eigenschaften der Ware selbst, wie Rohstoffe, Zutaten und Herstellungsweise. Dabei ordne er zwar einen nach der Ware oder ihrer Verpackung entsprechend gekennzeichneten Käse ohne weiteres einer bestimmten betrieblichen Herkunft zu. Der bloßen Form werde bei der Gestaltungsvielfalt im Warenbereich Käse bislang aber keine besondere Bedeutung beigemessen. Eine Gewöhnung des Publikums an den Einsatz der Käseform als Hinweis auf die betriebliche Herkunft sei nicht festzustellen.
Die Blütenform sei nicht derart unüblich, dass der Verkehr ihr auch ohne vorangegangene Gewöhnung eine herkunftshinweisende Funktion zuweise. Sie weiche nicht so weit von den auf diesem Warengebiet üblichen Formen ab, dass sie allein deswegen als herkunftshinweisend angesehen werden könne. Beispiele ließen erkennen, dass sich Käse durch eine vielfältige Sortengestaltung auszeichne. Im Streitfall könne man in den Einkerbungen zwischen den sechs Rundungen auch eine "Portionierungshilfe" sehen. Die Gestaltung der Käserinde sei ebenfalls nicht ungewöhnlich; insbesondere könne die rötliche Färbung einen Hinweis auf den Reifegrad geben.
Die Gewährung des Schutzes für ein im Verkehr durchgesetztes Zeichen sei nicht beantragt; Anhaltspunkte für eine Verkehrsdurchsetzung seien auch nicht ersichtlich.
III. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Die Beurteilung des BPatG, die IR-Marke sei nicht unterscheidungskräftig, hält auf der Grundlage der bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Mit der wirksamen Inanspruchnahme des "telle-quelle"-Schutzes, von der auch das BPatG ausgegangen ist, ist die Schutzerstreckung gem. §§ 107, 113, 37 MarkenG nach Art. 5 Abs. 1 MMA i. V. m. Art. 6quinquies Abschn. B S. 1 Nr. 2 PVÜ zu prüfen. Dieser Prüfungsmaßstab stimmt mit dem der §§ 3, 8 Abs. 2 MarkenG überein. Durch diese Bestimmungen des Markengesetzes sind die Art. 2 und 3 der Markenrechtsrichtlinie umgesetzt worden; sie sind daher richtlinienkonform auszulegen. Andererseits ist es nach dem 12. Erwägungsgrund zur Markenrechtsrichtlinie erforderlich, dass sich deren Vorschriften in vollständiger Übereinstimmung mit der Pariser Verbandsübereinkunft befinden. Die Beurteilung nach den Vorschriften des Markengesetzes führt daher, wie das BPatG zu Recht angenommen hat, zu keinem anderen Ergebnis als die Prüfung nach Art. 6quinquies Abschn. B PVÜ (BGH, Beschl. v. 25.3.1999 - I ZB 22/96, MDR 1999, 1014 = GRUR 1999, 728 [729] = WRP 1999, 858 - Premiere II; Beschl. v. 14.12.2000 - I ZB 27/98, BGHReport 2001, 298 = GRUR 2001, 413 [414] = WRP 2001, 405 - SWATCH, m. w. N.).
2. Das BPatG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die angemeldete Marke die in Art. 6quinquies Abschn. B S. 1 Nr. 2 PVÜ nicht ausdrücklich genannten allgemeinen Anforderungen an die Markenfähigkeit erfüllt, dass also das Erfordernis der abstrakten Unterscheidungskraft vorliegt (vgl. Art. 2 MarkenRL, § 3 Abs. 1 MarkenG) und es sich nicht um eine von vornherein von der Eintragung ausgeschlossene Markenform handelt (Art. 3 Abs. 1 lit. e MarkenRL, § 3 Abs. 2 MarkenG).
3. Das BPatG hat die konkrete Unterscheidungskraft der IR-Marke verneint (Art. 6quinquies Abschn. B S. 1 Nr. 2 PVÜ, Art. 3 Abs. 1 lit. b MarkenRL, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Unterscheidungskraft i. S. d. genannten Bestimmungen ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber den Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Bei der entsprechenden Beurteilung ist - wie das BPatG nicht verkannt hat - grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Bei der Feststellung der Unterscheidungskraft von dreidimensionalen Marken, die die Form der Ware darstellen, ist grundsätzlich kein strengerer Maßstab als bei anderen Markenformen anzulegen (BGH, Beschl. v. 23.11.2000 - I ZB 15/98, BGHReport 2001, 251 = GRUR 2001, 334 [335 ff.] = WRP 2001, 261 - Gabelstapler I; EuGH, Urt. v. 8.4.2003 - Rs. C-53/01, C-54/01, C-55/01, GRUR 2003, 514 Tz. 46 = WRP 2003, 627 - Linde, Winward und Rado; ferner Urt. v. 18.6.2002 - Rs. C-299/99, Slg. 2002, I-5475 Tz. 48 = GRUR 2002, 804 = WRP 2002, 924 - Philips/Remington).
Bei zweidimensionalen Marken, die sich in der bloßen Abbildung der Ware erschöpfen, für die der Schutz in Anspruch genommen wird, geht der BGH auch bei Anlegung des beschriebenen großzügigen Prüfungsmaßstabs davon aus, dass ihnen im Allgemeinen die erforderliche (konkrete) Unterscheidungskraft fehlen wird. Denn die naturgetreue Wiedergabe des im Warenverzeichnis genannten Erzeugnisses ist häufig nicht geeignet, die Ware ihrer Herkunft nach zu individualisieren (vgl. BGH, Beschl. v. 10.4.1997 - I ZB 1/95, GRUR 1997, 527 [529] = WRP 1997, 755 - Autofelge; Beschl. v. 5.11.1998 - I ZB 12/96, GRUR , = WRP , - Etiketten). Soweit die zeichnerischen Elemente einer angemeldeten Marke lediglich die typischen Merkmale der in Rede stehenden Ware darstellen und keine über die technische Gestaltung der Ware hinausgehenden Elemente aufweisen, ist das Zeichen wegen der bloß beschreibenden Angabe nicht geeignet, die gekennzeichneten Waren von Waren anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. BGH, Beschl. v. 5.11.1998 - I ZB 12/96, GRUR , = WRP , - Etiketten). Anders liegt der Fall, wenn sich die Bildmarke nicht in der Darstellung von Merkmalen erschöpft, die für die Art der Ware typisch oder zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sind, sondern darüber hinausgehende charakteristische Elemente aufweist. In diesen Merkmalen wird der Verkehr häufig einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sehen (BGH, Beschl. v. 13.4.2000 - I ZB 6/98, MDR 2001, 285 = GRUR 2001, 56 [57] = WRP 2000, 1290 - Likörflasche, m. w. N.).
Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die die Form der Ware darstellen, ist der BGH ebenfalls von diesen Grundsätzen ausgegangen. Auch hier ist regelmäßig zu prüfen, ob die Form einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt verkörpert oder ob sie aus sonstigen Gründen nur als solche und nicht als Herkunftshinweis verstanden wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr in einer bestimmten Formgestaltung nur dann einen Herkunftshinweis sehen wird, wenn er diese Form nicht einer konkreten anderen Funktion der Ware oder ganz allgemein dem Bemühen zuschreibt, ein ästhetisch ansprechendes Produkt zu schaffen (BGH, Beschl. v. 14.12.2000 - I ZB 25/98, BGHReport 2001, 301 = GRUR 2001, 418 [419 f.] - Montre; Urt. v. 5.12.2002 - I ZR 91/00, MDR 2003, 705 = BGHReport 2003, 391 = GRUR 2003, 332 [334] = WRP 2003, 521 - Abschluss-Stück). Auch bei Verpackungen hat der Senat darauf abgestellt, ob sich die Formgestaltung in der Funktion erschöpft, als - möglicherweise ästhetisch ansprechendes - Behältnis für eine bestimmte Ware zu dienen, oder ob die Gestaltung vom Üblichen abweichende, herkunftshinweisende Merkmale aufweist (BGH v. 13.4.2000 - I ZB 6/98, MDR 2001, 285 = GRUR 2001, 56 [57] - Likörflasche, m. w. N.; Urt. v. 28.11.2002 - I ZR 204/00, BGHReport 2003, 966 = GRUR 2003, 712 [714] = WRP 2003, 889 - Goldbarren).
b) Demgegenüber hat das BPatG zunächst geprüft, ob auf dem beanspruchten Warengebiet bereits eine Gewöhnung des Verkehrs an eine Kennzeichnungsfunktion der Warenform als solcher stattgefunden hat. Diese Fragestellung ist nicht unberechtigt; denn die Gewohnheiten auf dem jeweiligen Markt können eine Rolle dafür spielen, ob der Verkehr in einer bestimmten Form der Ware bloß eine funktionelle oder ästhetische Gestaltung sieht oder ob er darin einen Herkunftshinweis erkennt (BGH v. 13.4.2000 - I ZB 6/98, MDR 2001, 285 = GRUR 2001, 56 [57] - Likörflasche; v. 5.12.2002 - I ZR 91/00, MDR 2003, 705 = BGHReport 2003, 391 = GRUR 2003, 332 [334] - Abschluss-Stück). Das BPatG hat eine Gewöhnung des Verkehrs für die in Rede stehenden Waren verneint. Ob die von der Rechtsbeschwerde gegen diese Feststellung erhobene Verfahrensrüge durchgreift, kann offen bleiben. Denn das BPatG hat in Ermangelung einer Gewöhnung eine deutlich aus dem Rahmen des Verkehrsüblichen fallende Formgestaltung verlangt. Es hat dabei nicht hinreichend beachtet, dass eine entsprechende Übung, an die sich die angesprochenen Verkehrskreise gewöhnt haben, nur eine unter mehreren Möglichkeiten ist, die herkunftshinweisende Funktion einer bestimmten Formgestaltung zu erkennen. Das BPatG hat damit insgesamt an die Unterscheidungskraft einer Formmarke zu hohe Anforderungen gestellt.
Voraussetzung für die Bejahung der Unterscheidungskraft ist bei Warenformmarken - wie dargestellt - allein die Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise, dass die konkrete Warenform - aus welchen Gründen auch immer - etwas über die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen aussagt. Zwar wird der Verkehr eine besondere Form häufig nicht mit einer solchen Vorstellung verbinden, sondern sie allein der funktionellen und ästhetischen Ausgestaltung der Ware selbst zuordnen (vgl. BGH v. 5.12.2002 - I ZR 91/00, MDR 2003, 705 = BGHReport 2003, 391 = GRUR 2003, 332 [334] - Abschluss-Stück). Derartige Unterschiede in der Vorstellung des Verkehrs hängen mit der Art der Ware zusammen, für die der Schutz beansprucht wird. Bei vielen Waren - etwa bei einem Kleidungsstück - hat der Verkehr häufig keine Veranlassung, in einer bestimmten Formgebung etwas Anderes als eine allein funktionell oder ästhetisch bedingte Gestaltung zu sehen. Bei technischen Geräten wird der Verkehr ein konkretes Gestaltungsmerkmal - selbst wenn es in Wirklichkeit nicht technisch bedingt ist - eher für funktionsbedingt halten und ihm keinen Herkunftshinweis entnehmen, weil er zunächst davon ausgeht, dass sich die Form bei solchen Waren in erster Linie an der technischen Funktion orientiert (BGH, Beschl. v. 20.11.2003 - I ZB 48/98, Umdr. S. 12 - Transformatorengehäuse; vgl. ferner v. 14.12.2000 - I ZB 27/98, BGHReport 2001, 298 = GRUR 2001, 413 [415] - SWATCH). Bei einer dritten Kategorie von Waren, zu denen etwa Lebensmittel zählen, liegt für den Verkehr, dem die Ware in einer bestimmten Form begegnet, ein Herkunftshinweis nach der Lebenserfahrung eher nahe, auch wenn eine entsprechende Gewöhnung nicht festgestellt werden kann. Wenn beispielsweise Käse stets in herkömmlichen Formen - etwa in der üblichen Torten-, Rollen- oder Radform - vertrieben würde, würde eine sich von der funktionsbezogenen Gestaltung lösende Form vom Verbraucher ohne weiteres einem bestimmten Hersteller zugeordnet, weil der Verkehr bei solchen Waren keine um ihrer selbst willen geschaffenen Fantasiegestaltungen erwartet (vgl. zu der entsprechenden Frage bei Verpackungen BGH v. 13.4.2000 - I ZB 6/98, MDR 2001, 285 = GRUR 2001, 56 [57] - Likörflasche). Aber auch wenn bereits eine Vielfalt an Gestaltungen üblich ist, wird der Verkehr bei solchen Waren häufig ebenfalls dazu neigen, die jeweilige Gestaltung mit einer bestimmten betrieblichen Herkunft zu verbinden, wenn es sich erkennbar um eine willkürliche Formgebung handelt, die sich von anderen Gestaltungen durch wiederkehrende charakteristische, also identitätsstiftende Merkmale unterscheidet (vgl. BGH v. 10.4.1997 - I ZB 1/95, GRUR 1997, 527 [529] - Autofelge, zu einem die Ware abbildenden zweidimensionalen Zeichen; v. 14.12.2000 - I ZB 25/98, GRUR 2001, 418 [419 f.] - Montre).
c) Die Anwendung der beschriebenen Grundsätze führt dazu, dass der in Rede stehenden dreidimensionalen IR-Marke für die Ware "Käse" nicht jede Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann. Es handelt sich bei der äußeren Form um eine willkürliche charakteristische Gestaltung, die der Verkehr - nach der Lebenserfahrung zu urteilen - einem bestimmten Hersteller zuordnen wird. Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Einkerbungen gäben dem Käse nicht eine Blütenform, sondern wirkten wie "Portionierungshilfen". Selbst wenn dies so wäre, handelte es sich dabei nicht um eine funktionsbedingte Gestaltung, da bei einem Käse - anders als bei einer Torte - eine vorbestimmte Einteilung in - hier sechs - gleichgroße Portionen nicht funktionsbedingt ist. Auf die herkunftshinweisende Bedeutung der Gestaltung weist im Übrigen auch die von der Markeninhaberin vorgelegte Verkehrsbefragung hin. Diese betrifft zwar, wie das BPatG zutreffend ausgeführt hat, eine andere als die im Streitfall angemeldete Form, nämlich das Produkt "St. Albray" der Markeninhaberin, das acht Einkerbungen und in der Mitte ein Loch aufweist. Immerhin kann dieser Erhebung auf Grund der nicht zu beanstandenden Fragen entnommen werden, dass für 42,7 % der befragten Käsekäufer die bloße Form eines Käses einen hohen Wiedererkennungswert hat (Frage 1) und dass 61,7 % der Befragten in der dort in Rede stehenden Blütenform einen Herkunftshinweis gesehen hat (Frage 4).
IV. Danach ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das BPatG zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 MarkenG). Das BPatG wird nunmehr noch die dem § 8 Abs. 2 Nr. 2 und 3 MarkenG entsprechenden Eintragungshindernisse des Art. 6quinquies Abschn. B Satz 1 Nr. 2 PVÜ zu prüfen haben. Dabei wird das BPatG insbesondere das Interesse der Allgemeinheit an einer Freihaltung der Formenvielfalt zu berücksichtigen haben (vgl. EuGH v. 4.3.2003 - Rs. C-53/01, GRUR 2003, 514 [518], Tz. 73 ff. 75, 77 - Linde, Winward und Rado; ferner Ullmann in 100 Jahre Markenverband - Marken im Wettbewerb, NJW-Sonderheft 2003, 83 [85]). Liegt die beanspruchte Form im Rahmen einer auf diesem Warengebiet üblichen Formenvielfalt und sind die Möglichkeiten, die Produktgestaltung im Interesse einer Individualisierung zu variieren, beschränkt, kann dies dafür sprechen, dass die als Marke beanspruchte Form im Interesse der Allgemeinheit freizuhalten ist. Bei einer solchen Konstellation kann das dem § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entsprechende Eintragungshindernis des Art. 6quinquies Abschn. B S. 1 Nr. 2 PVÜ begründet sein (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 20.11.2003 - I ZB 15/98, Umdr. S. 13 = BGHReport 2001, 251 - Gabelstapler II; Beschl. v. 20.11.2003 - I ZB 18/98, Umdr. S. 13 - Stabtaschenlampen II).
Fundstellen
BGHR 2004, 608 |
EBE/BGH 2004, 4 |
NJW-RR 2004, 617 |
GRUR 2004, 329 |
MDR 2004, 765 |
WRP 2004, 492 |
BPatGE 2005, 293 |
MarkenR 2004, 140 |
Mitt. 2004, 227 |