Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszugs. internationale Zuständigkeit. unzulässige Zuständigkeitsprüfung. Verweisungsantrag
Leitsatz (amtlich)
a) § 545 Abs. 2 ZPO schließt im Interesse der Prozessökonomie und -beschleunigung jede Prüfung der Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges - mit Ausnahme der internationalen Zuständigkeit - aus (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.2006 - VI ZR 42/05, BGHReport 2006, 930 = MDR 2006, 1126).
b) Eine gem. § 545 Abs. 2 ZPO unzulässige Zuständigkeitsprüfung kann auch nicht auf dem Wege eines erstmals im Revisionsverfahren hilfsweise gestellten Verweisungsantrags erreicht werden.
Normenkette
ZPO § 545 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die den Beklagten zu 2) betreffende Revision der Kläger gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 22.9.2005 durch Beschluss gem. § 552a ZPO zurückzuweisen.
Gründe
[1] Die Revision der Kläger, die sich nach Rücknahme des Rechtsmittels gegen die Beklagte zu 1) nur noch gegen den Beklagten zu 2) richtet, hat keine Aussicht auf Erfolg, und die Voraussetzungen für deren Zulassung liegen nicht vor (§ 552a ZPO).
[2] I. Die Revision der Kläger erweist sich als unbegründet, ohne dass in der Revisionsinstanz zu prüfen wäre, ob das Berufungsgericht zu Recht eine erstinstanzliche Zuständigkeit des LG Frankfurt/M. abgelehnt hat. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des BGH, dass § 545 Abs. 2 ZPO einer Überprüfung der erstinstanzlichen Zuständigkeit selbst dann entgegensteht, wenn das Berufungsgericht zur Klärung einer insoweit aufgetretenen Rechtsfrage die Revision zugelassen hat (BGH, Urt. v. 7.3.2006 - VI ZR 42/05, BGHReport 2006, 930 = MDR 2006, 1126; Beschl. v. 26.6.2003 - III ZR 91/03, BGHReport 2003, 1030 = WM 2003, 2251 f.). Eine entsprechende Regelung sah bereits § 549 Abs. 2 ZPO a.F. hinsichtlich der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit vor, wobei der Gesetzgeber durch die ZPO-Reform hinter diesen Rechtszustand nicht zurückgehen, sondern vielmehr die Prüfung von Zuständigkeitsfragen in noch umfassenderer Weise einer revisionsrechtlichen Überprüfung entziehen wollte (BGH, Beschl. v. 26.6.2003, a.a.O., S. 2252 m.w.N.). Die Revision der Kläger ist danach unbegründet.
[3] Dem stehen auch die zur internationalen Zuständigkeit ergangenen Urteile des BGH (BGH v. 28.11.2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82, 85 ff. = MDR 2003, 348 = BGHReport 2003, 248 m. Anm. Schneider; BGH, Urt. v. 27.5.2003 - IX ZR 203/02, BGHReport 2003, 1111 = MDR 2003, 1256 = WM 2003, 1542, 1543), auf die sich die Revision beruft, nicht entgegen. Die internationale Zuständigkeit hat nämlich ein ungleich größeres Gewicht als die Zuständigkeit innerstaatlicher Gerichte, da sie die Abgrenzung zu Souveränitätsrechten anderer Staaten betrifft (BGHZ, a.a.O., S. 86). Dieser internationalen Zuständigkeit können Regelungen, die - wie § 48 BörsG a.F. - eine ausschließliche Zuständigkeit begründen, nicht gleichgesetzt werden. Es verbleibt insoweit bei einer nur innerstaatliche Gerichte betreffenden Regelung. Diese Gerichte können aber als jeweils gleichwertig angesehen werden (BGHZ, a.a.O.).
[4] II. Zulassungsgründe i.S.d. § 543 Abs. 2 ZPO liegen - trotz der Zulassungsentscheidung des Berufungsgerichts - nicht vor, weil im Hinblick auf § 545 Abs. 2 ZPO das Revisionsverfahren hierfür keinen prozessual tauglichen Weg bietet. Da es demgemäß auch nicht um die Tragweite börsenrechtlicher Vorschriften geht, hat der Senat keinen Anlass, wegen etwaiger Schwerpunktzuständigkeit die Sache dem XI. Zivilsenat zur Übernahme anzubieten.
[5] III. Der erstmalig im Revisionsverfahren vorsorglich gestellte Verweisungsantrag ist zurückzuweisen. Der Gesetzgeber wollte durch die Regelung des § 545 Abs. 2 ZPO n.F. künftig Rechtsmittelstreitigkeiten, die allein auf die Frage der Zuständigkeit des Gerichts gestützt werden, zur Verfahrensbeschleunigung und Entlastung des Revisionsgerichts vermeiden (BT-Drucks. 14/4722, 106). Diese angestrebten Effekte gingen (weitgehend) verloren, wenn das Revisionsgericht über einen erstmalig gestellten Hilfsverweisungsantrag zu befinden hätte, da im Rahmen dessen - insb. wenn wie hier kein konkretes Gericht, an welches verwiesen werden soll, benannt wird, sondern die Auswahl des zuständigen erstinstanzlichen Gerichts dem Revisionsgericht überlassen werden soll - letztlich doch eine umfassende Zuständigkeitsprüfung in der Revisionsinstanz vorzunehmen wäre.
[6] Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich die Möglichkeit der erstmaligen Stellung eines Hilfsverweisungsantrages in der Revisionsinstanz auch nicht aus der älteren, noch zur früheren Rechtslage ergangenen Rechtsprechung des BGH herleiten. So hat sich BGHZ 10, 155, 163 nur mit einer ohne Antrag von Amts wegen zu prüfenden Abgabe an ein Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit befasst. BGHZ 16, 339, 345 betraf hingegen den im Zusammenhang mit der Schaffung der Arbeitsgerichtsbarkeit aufgetretenen Sonderfall, in dem während des laufenden Verfahrens ein Zuständigkeitswechsel eingetreten war. Bereits in dieser Entscheidung war aber der deutliche Hinweis enthalten, dass eine Verweisung im Rechtsmittelverfahren nur noch zulässig sei, wenn die Unzuständigkeit des angegangenen Gerichts überhaupt noch geltend gemacht werden könne. Daran mangelt es hier. Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
Fundstellen
Haufe-Index 1777609 |
BGHR 2007, 991 |
EBE/BGH 2007 |
FamRZ 2007, 1646 |
NJW-RR 2007, 1509 |
WM 2007, 1678 |
MDR 2007, 1094 |
RIW 2008, 160 |
Mitt. 2007, 434 |