Entscheidungsstichwort (Thema)
Erledigung der Hauptsache. Verfahrenskosten. Betriebskostenvorauszahlung. Erhöhung des pfandfreien Betrags. Regelsatz
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach Erledigung der Hauptsache ist über die Kosten des Verfahrens gem. § 91a ZPO zu entscheiden. Dabei ist zu berücksichtigen, welchen Ausgang die Verfahren genommen hätten, wenn sie nicht für erledigt erklärt worden wären.
2. Auch wenn Forderungen aus einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bereits beglichen worden sind, ist zu berücksichtigen, dass eine Betriebskostenvorauszahlung eine Erhöhung eines pfandfreien Betrags rechtfertigen kann.
Normenkette
ZPO § 91a; SGB XII § 28
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Entscheidung vom 15.01.2009; Aktenzeichen 19 T 169/08) |
AG Böblingen (Entscheidung vom 17.01.2008; Aktenzeichen 2 M 7367/07) |
Tenor
Die Verfahren VII ZB 17/09 und VII ZB 18/09 werden miteinander verbunden. Das Verfahren VII ZB 17/09 führt.
Die Kosten der Rechtsbeschwerdeverfahren werden gegeneinander aufgehoben.
Die Kosten der sofortigen Beschwerden fallen zu 2/3 der Gläubigerin und zu 1/3 dem Schuldner zur Last.
Gründe
I.
Der Schuldner hat die Rechtsbeschwerden für erledigt erklärt, nachdem die Gläubigerin erklärt hat, dass die Forderungen aus den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen zwischenzeitlich beglichen worden seien. Der Senat legt diese Erklärung dahin aus, dass der Schuldner die Hauptsache für erledigt erklärt hat, denn allein das ist in seinem Interesse. Die Gläubigerin hat der Erledigungserklärung nicht widersprochen, so dass über die Kosten der Verfahren gemäß § 91a ZPO zu entscheiden ist.
Es bleibt offen, welchen Ausgang die Verfahren genommen hätten, wenn sie nicht für erledigt erklärt worden wären. Ohne die Erledigung der Verfahren hätten die Beschlüsse des Beschwerdegerichts aufgehoben und die Verfahren zu weiteren Feststellungen an das Beschwerdegericht zurückverwiesen werden müssen. Deshalb sind die Kosten der Rechtsbeschwerdeverfahren gegeneinander aufzuheben und die Kosten der Beschwerdeverfahren unter Berücksichtigung der Entscheidung des Beschwerdegerichts zu einem Drittel dem Schuldner und zu zwei Dritteln der Gläubigerin aufzuerlegen.
1.
Der unpfändbare notwendige Unterhalt des Schuldners im Sinne des § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO entspricht nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich dem notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des 3. und 11. Kapitels des SGB XII (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - VII ZB 38/07, NJW-RR 2008, 733, 734; Urteil vom 23. Februar 2005 - XII ZR 114/03, BGHZ 162, 234, 245).
2.
Das Beschwerdegericht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, die Betriebskostenvorauszahlung könne eine Erhöhung des pfandfreien Betrags nicht rechtfertigen, weil sie im Regelsatz enthalten sei.
a)
§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII legt fest, dass der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts außerhalb von Einrichtungen mit Ausnahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Sonderbedarfe nach den §§ 30 bis 34 SGB XII nach Regelsätzen erbracht wird. § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bestimmt, dass Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden. Dazu gehören solche Nebenkosten, die für die bedarfsgerechte Nutzung der Wohnung notwendig sind (vgl. Berlit in: LPK-SGB XII, § 29 Rn. 17; Dauber in: Mergler/Zink, SGB XII, 5. Lfg., Stand Januar 2006, § 29 Rn. 14; W. Schellhorn in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl., § 29 Rn. 13; Gebhardt in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck'scher Online-Kommentar, § 29 SGB XII Rn. 2). Diese sind nicht im Regelsatz enthalten.
b)
Etwas anderes würde nur gelten, wenn der Träger der Sozialhilfe im Rahmen seiner Ermächtigung nach § 29 Abs. 2 SGB XII für seinen Bereich die Leistungen für die Unterkunft durch eine monatliche Pauschale abgilt.
c)
Das Beschwerdegericht hat Feststellungen dazu, auf welche konkreten Kosten die geltend gemachten Betriebskostenvorauszahlungen erfolgen und ob eine Pauschalierung nach § 29 Abs. 2 SGB XII erfolgt ist, nicht getroffen. Es kann daher nicht festgestellt werden, ob die für Nebenkosten geltend gemachte weitere Erhöhung des pfandfreien Betrags über die anerkannte Kaltmiete und die Heizungskosten hinaus in Betracht kommt.
2.
Das Beschwerdegericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die bei Ausübung des Umgangsrechts mit den Kindern anfallenden Kosten bei der Bemessung des notwendigen Unterhalts des Schuldners nicht berücksichtigt werden könnten.
a)
Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII kann der Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts abweichend von den Regelsätzen festgelegt werden, wenn er im Einzelfall seiner Höhe nach unabweisbar von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Das kann der Fall sein, wenn Kosten eines Umgangsrechts entstehen (Dauber in: Mergler/Zink, SGB XII, 4. Lfg., Stand Juli 2005, § 28 Rn. 15; W. Schellhorn in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl., § 28 Rn. 11; Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl., § 28 Rn. 13; Münder, NZS 2008, 617, 620). Das Umgangsrecht des nichtsorgeberechtigten Elternteils steht unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Rechtsposition erwächst aus dem natürlichen Elternrecht und der damit verbundenen Elternverantwortung (BVerfG, NJW 1995, 1342) und ist dementsprechend im Rahmen der Zwangsvollstreckung in angemessener Weise zu berücksichtigen.
b)
Nachdem das Beschwerdegericht von seinem Standpunkt aus folgerichtig keine Feststellungen zur Ausübung des Umgangsrechts getroffen hat und diese nach der übereinstimmenden Erledigung nicht mehr zu treffen sind, bleibt auch insoweit aus tatsächlichen Gründen offen, welche der beiden Parteien obsiegt hätte.
3.
Der Senat sieht von einer Begründung ab, soweit es darum geht, inwieweit die tatsächlichen Fahrtkosten zum Arbeitsplatz ausreichend berücksichtigt worden sind. Der Schuldner macht mit den Rechtsbeschwerden insoweit lediglich geltend, zu seinen Ungunsten seien Beträge zwischen und nicht berücksichtigt worden. Diese Beträge sind so geringfügig, dass der Ausgang des Verfahrens zu diesem Punkt keinen Einfluss auf die Kostenentscheidung nimmt. Die Kosten wären in den Rechtsbeschwerdeverfahren auch dann gegeneinander aufzuheben, wenn eine Partei insoweit vollständig obsiegt hätte, § 92 ZPO. Entsprechendes gilt für die Quotenbildung bei der Kostenentscheidung für die Beschwerdeverfahren.
Fundstellen
VuR 2010, 437 |
WuM 2011, 238 |