Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwischenstreit. Nebenintervention. Zwischenurteil. Unanfechtbarkeit. Rechtsmittelgericht. Im ersten Rechtzug ergangene Enscheidungen der Amts- und Landgerichte
Leitsatz (amtlich)
Das im Zwischenstreit über die Nebenintervention (§ 71 ZPO) ergehende Zwischenurteil ist unanfechtbar, wenn es vom LG als Rechtsmittelgericht oder vom OLG erlassen wird. Dies gilt auch dann, wenn die Rechtsbeschwerde im Zwischenurteil zugelassen worden ist.
Normenkette
ZPO § 71 Abs. 2, § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 05.01.2012; Aktenzeichen 6 Sch 11/10 WG) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen das Zwischenurteil des 6. Zivilsenats des OLG München vom 5.1.2012 wird auf Kosten der Streithelferin zurückgewiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Gegenstandwert: 1.000.000 EUR.
Gründe
Rz. 1
I. Die Klägerin ist eine Vereinigung i.S.v. § 12 UrhWG, deren Mitglieder als Hersteller oder Importeure von Speichermedien nach § 54 Abs. 1 UrhG oder § 54b Abs. 1 Fall 1 UrhG vergütungspflichtig sind. Die Beklagte ist ein Zusammenschluss der gem. § 54h Abs. 1 UrhG nach § 54 Abs. 1 und § 54b Abs. 1 Fall 1 UrhG anspruchsberechtigten deutschen Verwertungsgesellschaften in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Mitgliedsgesellschaften haben ihr die ihnen wegen der privaten Vervielfältigung von Audiowerken und audiovisuellen Werken zustehenden Vergütungsansprüche übertragen.
Rz. 2
Die Klägerin hat - nach Durchführung des in §§ 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c, 16 Abs. 1 UrhWG vorgesehenen Verfahrens vor der Schiedsstelle - beantragt, zwischen ihr und der Beklagten den (näher bezeichneten) Inhalt eines Gesamtvertrags festzusetzen.
Rz. 3
Die Streithelferin hat erklärt, dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beizutreten.
Rz. 4
Die Klägerin und die Beklagte halten die Nebenintervention für unzulässig. Sie haben beantragt, die Nebenintervention zurückzuweisen.
Rz. 5
Die Streithelferin hat beantragt, den Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention zurückzuweisen.
Rz. 6
Das OLG hat die Nebenintervention durch Zwischenurteil zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Klägerin und die Beklagte beantragen, verfolgt die Streithelferin ihren Zurückweisungsantrag weiter.
Rz. 7
II. Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft und damit unzulässig. Das Zwischenurteil, das das OLG - oder das LG als Rechtsmittelgericht - im Zwischenstreit über die Nebenintervention erlässt, ist nicht anfechtbar.
Rz. 8
1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft.
Rz. 9
a) Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO gegen einen Beschluss statthaft, wenn das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das OLG im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Das OLG hat die Rechtsbeschwerde im ersten Rechtszug nicht in einem Beschluss, sondern in einem Urteil, nämlich in einem Zwischenurteil zugelassen.
Rz. 10
b) Der BGH ist auch nicht gem. § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO an die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das OLG gebunden. Die Bindungswirkung der Rechtsmittelzulassung umfasst bei der Rechtsbeschwerde ebenso wie bei der Revision nur die Bejahung der in den § 574 Abs. 3 Satz 1 und § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Zulassungsvoraussetzungen. Die Zulassung des Rechtsmittels kann dagegen nicht dazu führen, dass dadurch ein gesetzlich nicht vorgesehener Instanzenzug eröffnet wird (vgl. BGH, Beschl. v. 27.2.2003 - I ZB 22/02, BGHZ 154, 102; Beschl. v. 6.10.2009 - VI ZB 19/08, juris Rz. 4, jeweils m.w.N.).
Rz. 11
2. Die Rechtsbeschwerde gegen das Zwischenurteil kann auch nicht in ein statthaftes Rechtsmittel umgedeutet werden. Das Gesetz sieht gegen ein im ersten Rechtszug erlassenes Zwischenurteil eines OLG kein Rechtsmittel vor. Insbesondere ist dagegen weder die sofortige Beschwerde noch die Revision statthaft.
Rz. 12
a) Gegen das Zwischenurteil, mit dem über den Antrag auf Zurückweisung einer Nebenintervention entschieden wird, findet gem. § 71 Abs. 2 ZPO zwar die sofortige Beschwerde statt (vgl. auch §§ 135 Abs. 2 und 3, 142 Abs. 2, 144 Abs. 2, 372a, 387, 402 ZPO). Die sofortige Beschwerde ist aber nach § 567 Abs. 1 ZPO - unter näher bezeichneten Voraussetzungen - nur gegen im ersten Rechtszug ergangene Entscheidungen der AG und LG statthaft.
Rz. 13
b) Die Revision findet gem. § 542 Abs. 1 ZPO gegen die in der Berufungsinstanz erlassenen Endurteile statt. Gegen das im ersten Rechtszug erlassene Zwischenurteil ist die Revision daher nicht statthaft.
Rz. 14
3. Die Bestimmung des § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO kann auch nicht dahin berichtigend ausgelegt werden, dass die Rechtsbeschwerde gegen ein Zwischenurteil statthaft ist, wenn das Berufungsgericht oder das OLG im ersten Rechtszug sie in dem Zwischenurteil zugelassen hat.
Rz. 15
Allerdings wird die Ansicht vertreten, der Zweck des ZPO-Reformgesetzes vom 27.7.2001 (BGBl. I, 1887), den Beschwerderechtszug an den Hauptsacherechtszug anzugleichen und mit der Rechtsbeschwerde auch bei Nebenentscheidungen die höchstrichterliche Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen zu ermöglichen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum ZPO-Reformgesetz, BT-Drucks. 14/4722, 68 und 116), spreche dafür, § 574 ZPO berichtigend dahin auszulegen, dass die Rechtsbeschwerde auch gegen Nebenentscheidungen in Form eines Zwischenurteils statthaft ist (R. Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 71 Rz. 8; vgl. auch Schnauder, JuS 2002, 162, 168, der ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers vermutet; vgl. weiter Lipp in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 574 Rz. 16).
Rz. 16
Dieser Ansicht kann jedoch nicht zugestimmt werden. Im Blick auf den klaren Wortlaut des Gesetzes, der die Rechtsbeschwerde ausdrücklich nur gegen Beschlüsse eröffnet, ist für eine berichtigende Auslegung kein Raum (im Ergebnis ebenso Musielak/Ball, ZPO, 9. Aufl., § 567 Rz. 10 und § 574 Rz. 2a; zur berichtigenden Auslegung vgl. etwa BGH, Urt. v. 11.12.1961 - AnwSt (B) 6/61, BGHSt 17, 21 [25 f.]; Urt. v. 13.4.1988 - IVb ZR 34/87, BGHZ 104, 158 [164]). Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers.
Rz. 17
Durch die Angleichung des Beschwerderechtszugs an den Hauptsacherechtszug sollen die Beschwerden gegen erstinstanzliche Entscheidungen bei den zuständigen Beschwerdegerichten und die - neu eingeführten - Rechtsbeschwerden gegen Entscheidungen im zweiten Rechtszug beim BGH konzentriert werden (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum ZPO-Reformgesetz, BT-Drucks. 14/4722, 68). Ziel des Gesetzes ist also in erster Linie die Konzentration der Entscheidungszuständigkeit und nicht die Eröffnung des Instanzenzuges hinsichtlich sämtlicher erst- und zweitinstanzlicher Entscheidungen. Eine solche ist auch nicht zwingend geboten. Auch nach dem bis zur Neuregelung durch das ZPO-Reformgesetz geltenden Recht war das im Zwischenstreit über die Nebenintervention ergehende Zwischenurteil des OLG unanfechtbar (§ 567 Abs. 4 ZPO a.F.; vgl. zur Vorgängerregelung § 567 Abs. 3 ZPO a.F. BGH, Urt. v. 27.2.1980 - IV ZR 167/78, BGHZ 76, 299 [301]; Urt. v. 11.2.1982 - III ZR 184/80, NJW 1982, 2070).
Rz. 18
Eine höchstrichterliche Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen im Wege der Rechtsbeschwerde ist auch bei Nebenentscheidungen in Form von Zwischenurteilen gewährleistet. Entscheidet das LG oder das OLG in zweiter Instanz als Beschwerdegericht durch Beschluss über die sofortige Beschwerde gegen ein Zwischenurteil, hat es die Rechtsbeschwerde zum BGH (§ 133 GVG) nach § 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 2 ZPO - mit bindender Wirkung (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO) - zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Rz. 19
III. Danach ist die Rechtsbeschwerde auf Kosten der Streithelferin zurückzuweisen. Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht erhoben (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.1979 - I ZR 6/79, MDR 1980, 203 [204 m.w.N.]).
Fundstellen
Haufe-Index 3657337 |
NJW 2013, 8 |
EBE/BGH 2013 |
NJW-RR 2013, 490 |
GRUR 2013, 535 |
GRUR 2013, 9 |
JZ 2013, 230 |
MDR 2013, 485 |
Mitt. 2013, 375 |