Leitsatz (amtlich)
Gegen eine Entscheidung des Schiedsgerichts, durch die es seine Zuständigkeit verneint (Prozeßschiedsspruch), kann der Antrag auf gerichtliche Aufhebung nach § 1059 ZPO gestellt, aber nur auf die dort ausdrücklich genannten Aufhebungsgründe gestützt werden.
Normenkette
ZPO § 1059
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Beschluss vom 12.07.2001; Aktenzeichen 1 Sch 1/01) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Juli 2001 – 1 Sch 1/01 – wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 208.050 DM (= 106.374,28 EUR)
Tatbestand
I.
Mit der Schiedsklage machte die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Beratungshonorar in Höhe von 208.050 DM nebst Zinsen geltend. In dem in S. durchgeführten Schiedsverfahren erließ das Schiedsgericht am 15. November 2000 einen „Teil-Prozeß-Schiedsspruch Zwischenentscheid”. Darin erklärte sich das Schiedsgericht für unzuständig und erlegte der Antragstellerin die Kosten des Schiedsverfahrens auf; die Schiedsklage sei unzulässig, weil die Antragsgegnerin wirksam von der Schiedsvereinbarung zurückgetreten sei. Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin Antrag auf gerichtliche Aufhebung des Schiedsspruchs, hilfsweise auf Feststellung, daß das Schiedsgericht zuständig sei, gestellt. Das Oberlandesgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 1065 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO a.F., Art. 4 § 1 Abs. 3 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts [Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz – SchiedsVfG] vom 22. Dezember 1997 BGBl. I 3224, § 26 Nr. 10 EGZPO) und auch im übrigen zulässig. Der Senat nimmt die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache an (§ 1065 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 554 b ZPO a.F.).
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Der Antrag auf gerichtliche Aufhebung des Schiedsspruchs ist zulässig, aber nicht begründet.
a) Gemäß § 1059 Abs. 1 ZPO kann gegen einen Schiedsspruch nur der Antrag auf gerichtliche Aufhebung nach § 1059 Abs. 2 und 3 gestellt werden. Im Streitfall liegt ein Schiedsspruch im Sinne dieser Bestimmung vor.
Durch den angefochtenen „Teil-Prozeß-Schiedsspruch Zwischenentscheid” vom 15. November 2000 befand das Schiedsgericht – ungeachtet der auf eine Teil- oder Zwischenentscheidung hindeutenden Bezeichnung seiner Entscheidung – abschließend über die Schiedsklage der Antragstellerin. Das mit einem Vorsitzenden Richter am Landgericht als Obmann und zwei Rechtsanwälten als Beisitzer besetzte Schiedsgericht entschied – ersichtlich nach dem Vorbild des Prozeßurteils im Fall einer unzulässigen Klage vor dem staatlichen Gericht – durch Prozeßschiedsspruch. Indem es sich für unzuständig erklärte, wies es die Schiedsklage, wie in den „Entscheidungsgründe(n)” des Schiedsspruchs (S. 4 des Schiedsspruchs) ausgeführt, als „unzulässig” ab, weil die Antragsgegnerin wirksam von der Schiedsvereinbarung zurückgetreten sei.
Ein solcher Abschluß des Schiedsverfahrens durch förmlichen Schiedsspruch wird der Stellung des Schiedsgerichts nach dem Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz am ehesten gerecht. § 1040 Abs. 1 Satz 1 ZPO weist dem Schiedsgericht die (vorläufige) Kompetenz-Kompetenz zu (Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts BT-Drucks. 13/5274 S. 43; Münch in MünchKomm/ZPO 2. Aufl. 2001 § 1040 Rn. 1; Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens 3. Aufl. 1999 Rn. 561, 567 ff). Diese wird im Fall der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts besser durch den Erlaß eines (Prozeß-) Schiedsspruchs zum Ausdruck gebracht, als wenn das Schiedsgericht nach Ankündigung die weitere Betätigung bloß einstellt (Münch aaO Rn. 16).
Ist der die Zuständigkeit des Schiedsgerichts verneinende Prozeßschiedsspruch aber als regulärer verfahrensbeendender Schiedsspruch aufzufassen, ist gegen ihn ebenso wie gegen in der Sache entscheidende Schiedssprüche der Aufhebungsantrag nach § 1059 ZPO zulässig (vgl. Münch aaO Rn. 1, 16; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 60. Aufl. 2002 § 1040 Rn. 4; Zöller/Geimer, ZPO 23. Aufl. 2002 § 1040 Rn. 10; Gottwald/Adolphsen DStR 1998, 1017, 1021; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit 6. Aufl. 2000 Kap. 16 Rn. 12; Raeschke-Kessler/Berger aaO Rn. 563, 567; vgl. ferner Stein/Jonas/Schlosser, ZPO 21. Aufl. 1994 § 1033 Rn. 3; abweichend: Schwab/Walter aaO Kap. 7 Rn. 11; Thomas in Thomas/Putzo, ZPO 24. Aufl. 2002 § 1040 Rn. 9 und § 1057 Rn. 9; Musielak/Voit, ZPO 3. Aufl. 2002 § 1040 Rn. 8, § 1059 Rn. 20; s. auch OLG Hamburg NJW-RR 2000, 806 und – zum alten Recht – BGH, Urteil vom 23. November 1972 – VII ZR 178/71 – NJW 1973, 191). Der Gesetzgeber des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes ging ausdrücklich davon aus, daß ein zuständigkeitsverneinender Prozeßschiedsspruch „in der Regel lediglich im Aufhebungsverfahren anfechtbar” sei (BT-Drucks. aaO S. 44).
b) Der somit zulässige Aufhebungsantrag ist unbegründet.
aa) Ein von Amts wegen zu berücksichtigender Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO liegt nicht vor. Das Schiedsgericht mag – wofür das Oberlandesgericht hält – die Voraussetzungen für einen Rücktritt von der Schiedsvereinbarung verkannt und sich deshalb zu Unrecht für unzuständig erklärt haben. Ein solcher Rechtsfehler begründete jedoch noch keinen Verstoß gegen den ordre public interne. Die Rechtsbeschwerde macht insoweit auch nichts geltend.
bb) Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die die Antragstellerin begründet geltend zu machen hatte (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO, Senatsbeschluß BGHZ 142, 204, 206 f), sind ebenfalls nicht gegeben.
Die Antragstellerin hat sich weder darauf berufen, die Parteien seien zum Abschluß der Schiedsvereinbarung nicht fähig gewesen, noch daß die Schiedsvereinbarung ungültig sei (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO). Sie greift die Unzuständigerklärung vielmehr an, weil sie die Schiedsvereinbarung für wirksam hält. Darin liegt – schon dem Wortlaut nach – kein Aufhebungsgrund im Sinne der vorzitierten Bestimmung (vgl. dagegen Gottwald/Adolphsen aaO; Thomas aaO § 1040 Rn. 9 a.E.; Raeschke-Kessler aaO Rn. 563).
Behinderung in den Angriffs- oder Verteidigungsmitteln (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. b ZPO) hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht.
§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. c ZPO normiert einen Aufhebungsgrund für den Fall, daß die „im Schiedsspruch geregelte Streitigkeit” ganz oder teilweise nicht von der Schiedsvereinbarung umfaßt wird (BT-Drucks. aaO S. 59). Er greift hier nicht Platz, weil die Antragstellerin im Gegenteil davon ausgeht, die zwischen der Antragsgegnerin und ihr bestehende Streitigkeit über restliches Beraterhonorar unterliege der Schiedsvereinbarung und sei daher durch Schiedsspruch zu entscheiden.
Ebensowenig ist der Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO einschlägig. Die Antragstellerin hat nicht geltend gemacht, der Schiedsspruch beruhe auf einem unzulässigen Verfahren. Soweit sie vorgetragen hat, das Schiedsgericht habe sich zu Unrecht für unzuständig erklärt, hat sie einen Fehler in der Entscheidung gerügt; ein solcher vermag die Aufhebung des Schiedsspruchs nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO gemäß dem Verbot der révision au fond (Musielak/Voit aaO § 1059 Rn. 18; Zöller/Geimer aaO § 1059 Rn. 38, 74) nicht zu rechtfertigen.
cc) Für den Fall der unberechtigten Unzuständigerklärung des Schiedsgerichts wird im Schrifttum allerdings erwogen, dem Schiedskläger den Aufhebungsantrag entsprechend § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. c ZPO zuzubilligen (Münch aaO Rn. 16; Raeschke-Kessler aaO; Thomas aaO). Dem ist jedoch nicht zu folgen.
§ 1059 Abs. 2 ZPO gibt seinem Wortlaut nach keinen (eigenständigen) Aufhebungsgrund für den Fall, daß sich das Schiedsgericht zu Unrecht für unzuständig erklärt; geregelt ist nur die positive Zuständigkeitsentscheidung (§§ 1040 Abs. 3; 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a und c ZPO). Darin liegt kein Redaktionsversehen. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit eines Aufhebungsverfahrens gegen einen die Zuständigkeit des Schiedsgerichts verneinenden Prozeßschiedsspruch in Betracht gezogen (BT-Drucks. aaO S. 44), hierfür aber den Katalog der Aufhebungsgründe (vgl. BT-Drucks. aaO S. 58; Senatsbeschluß aaO S. 206; Münch aaO § 1059 Rn. 3; Zöller/Geimer aaO Rn. 30; Thomas aaO § 1059 Rn. 6; Raeschke-Kessler aaO Rn. 932) nicht erweitert. Dazu bestand keine sachliche Notwendigkeit. Der auf Unzuständigkeit des Schiedsgerichts erkennende Schiedsspruch unterliegt wie jeder andere (inländische) Schiedsspruch der Aufhebung in den – hier jedoch nicht gegebenen – Fällen des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. b und d, Nr. 2 ZPO. Der Schiedskläger kann die gerichtliche Aufhebung des Prozeßschiedsspruchs unter anderem betreiben, wenn das Schiedsgericht nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen ist, das rechtliche Gehör nicht gewahrt oder sonst gegen den ordre public verstoßen hat. Entschied das Schiedsgericht entgegen einer gültigen und die Streitigkeit umfassenden Schiedsvereinbarung, nicht zuständig zu sein, ist der Schiedskläger auch dann nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn keiner der Aufhebungsgründe des § 1059 Abs. 2 ZPO greift. Ihm steht für sein Klagebegehren der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten offen. Das Oberlandesgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der umgekehrte Fall, in dem sich ein Schiedsgericht zu Unrecht für zuständig erklärt oder seine Zuständigkeit überschritten hat (§§ 1040 Abs. 3; 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a und c ZPO), mit dem vorliegenden nicht vergleichbar ist; bei fehlerhafter Annahme der Zuständigkeit wird den Parteien der gesetzliche Richter entzogen, während hier der Rechtsstreit vor den zuständigen staatlichen und damit den gesetzlichen Richter gebracht werden kann. Daß hierdurch in Einzelfällen die Rechtsverfolgung erschwert werden kann, führt nicht zu einer anderen Beurteilung.
2. Der Hilfsantrag festzustellen, daß das Schiedsgericht zuständig sei, ist nicht zulässig. Denn die Voraussetzungen, unter denen ein solcher Antrag zulässig sein kann (vgl. § 1032 Abs. 2 ZPO), liegen nicht vor.
3. Zu Unrecht beanstandet die Rechtsbeschwerde schließlich, daß der Schiedsspruch eine Kostenentscheidung enthält; das Schiedsgericht sei dazu in der Schiedsvereinbarung nicht ermächtigt worden. Dem ist entgegenzuhalten, daß dem Schiedsgericht nach § 1040 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kompetenz-Kompetenz – vorbehaltlich der Überprüfung im Aufhebungsverfahren oder im Verfahren nach § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO – zustand. Kraft dieser Befugnis hatte es im verfahrensabschließenden Prozeßschiedsspruch auch darüber zu entscheiden, zu welchem Anteil die Parteien die Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens zu tragen hatten (§ 1057 Abs. 1 ZPO; vgl. Münch aaO § 1040 Rn. 16; Zöller/Geimer aaO § 1057 Rn. 2; abweichend Thomas aaO § 1040 Rn. 9 a.E.); denn die Parteien haben unstreitig eine anderweitige Vereinbarung nicht getroffen.
Unterschriften
Rinne, Streck, Schlick, Kapsa, Galke
Fundstellen
Haufe-Index 776384 |
BGHZ |
BGHZ, 79 |
NJW 2002, 3031 |
BGHR 2002, 900 |
BGHR |
EWiR 2003, 295 |
IBR 2002, 583 |
JR 2003, 243 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2003, 99 |
MDR 2002, 1265 |
IDR 2002, 40 |
KammerForum 2002, 389 |