Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
Verfahrensgang
AGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 22.09.2001) |
Tenor
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22. September 2001 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist seit 1989 als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht L. und dem Landgericht S., seit 1994 bei dem Oberlandesgericht S. zugelassen. Mit Verfügung vom 8. Juni 2001 hat die Antragsgegnerin die Zulassung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls widerrufen. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist beim Bundesgerichtshof anhängig. Durch Verfügung vom 15. November 2001 hat die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung ihrer Widerrufsverfügung angeordnet. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 29. November 2001 die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner sofortigen Beschwerde beantragt.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag ist gemäß § 16 Abs. 6 Satz 5 BRAO zulässig; er hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Die sofortige Vollziehung des Widerrufsbescheids darf – als Ausnahmefall – nur angeordnet werden, wenn sie im überwiegenden öffentlichen Interesse zu einer schon vor Bestandskraft der Widerrufsverfügung notwendigen Abwehr konkreter Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist. Erste Voraussetzung für eine solche Anordnung ist die hohe Wahrscheinlichkeit, daß die Widerrufsverfügung Bestandskraft erlangen wird. Wegen des mit der Anordnung verbundenen Eingriffs in die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) ist jedoch des weiteren erforderlich, daß die sofortige Vollziehung als Präventivmaßnahme im überwiegenden öffentlichen Interesse zur Abwehr konkreter Gefahren für die Rechtsuchenden oder die Rechtspflege erforderlich ist (vgl. BVerfGE 44, 105, 121; 48, 292, 296, 298; BGH, Beschluß v. 2. Juni 1993 – AnwZ (B) 27/93, BRAK-Mitt. 1993, 171, v. 14. März 1994 – AnwZ (B) 27/93, BRAK-Mitt. 1994, 176,177; v. 19. Juni 1998 – AnwZ (B) 3/98, BRAK-Mitt. 1998, 235, 236; v. 16. Juli 2001 – AnwZ (B) 61/00; v. 19. September 2001 – AnwZ (B) 41/01).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß die Widerrufsverfügung Bestandskraft erlangt. Bei Erlaß der Widerrufsverfügung war der Antragsteller unter anderem mit Beiträgen an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg in Höhe von über 30.000,– DM und mit Büromieten im Rückstand. In beiden Fällen wurde die Zwangsvollstreckung betrieben. In mehreren anderen Fällen hat der Rechtsanwalt gegen sich Versäumnisurteile ergehen lassen (G., K.). Eine von ihm schon 1998 anerkannte Forderung einer Rechtsschutzversicherung in Höhe von 3.362,99 DM hatte er nicht gezahlt, obwohl dieser Vorgang bereits – wegen verspäteter Abrechnung – zur Erteilung einer Rüge gegen ihn geführt hatte. Schließlich sind im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Widerrufsverfügung vier Haftbefehle zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung gegen ihn erlassen worden. Daß sich die finanziellen Verhältnisse des Antragstellers zwischenzeitlich gebessert haben, hat der Antragsteller nicht ausreichend dargetan.
Ist ein Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten, werden dadurch die Interessen der Rechtsuchenden regelmäßig gefährdet. Die zur Rechtfertigung des Sofortvollzugs über die abstrakte Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden hinausgehende erforderliche konkrete Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden, die beispielsweise dann besteht, wenn Fremdgelder nicht ordnungsgemäß abgewickelt werden oder der Rechtsanwalt kein Anderkonto unterhält (vgl. Beschl. v. 16. Juli 2001 – AnwZ (B) 61/00; v. 19. September 2001 – AnwZ (B) 41/01), ist im vorliegenden Fall gegeben. Der Antragsteller ist hier bereits einmal anwaltsgerichtlich verurteilt worden, weil er Unterhaltsbeträge nicht voll an den Berechtigten ausgezahlt, sondern zur Deckung seiner Gebühren zurückbehalten hatte. Einen Anspruch auf Rückzahlung für von der Rechtsschutzversicherung zu viel gezahlter Beträge hat er zwar anerkannt, aber über Jahre, soweit ersichtlich auch bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt, nicht erfüllt. Auch wenn der erste Vorfall schon vier Jahre zurückliegt, lassen beide Vorgänge den Schluß zu, daß der Antragsteller nicht immer seinen Pflichten nach § 43a Abs. 5 BRAO nachkommt. Hinzukommt, daß der Antragsteller auch seine Pflicht, die Sozialversicherungsabgaben für eine Auszubildende abzuführen, in gravierender Weise verletzt hat. Er hat, wie er selbst nicht in Abrede gestellt hat, für eine seiner Auszubildenden jedenfalls von März bis November 2001 keinerlei Sozialabgaben abgeführt. Unter diesen Umständen ist die Befürchtung gegeben, daß der Antragsteller gerade bei finanziellen Schwierigkeiten mit Fremdgeldern nicht in der gebotenen Weise umgeht und – da er sogar strafbewehrten Pflichten (§ 266 a Abs. 1 StGB) nicht nachgekommen ist –, sich seine finanzielle Lage derartig verschlechtert hat, daß sich die durch den Vermögensverfall begründete abstrakte Gefährdung zu einer konkreten Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verdichtet hat.
Unterschriften
Deppert, Fischer, Schlick, Otten, Salditt, Wosgien, Christian
Fundstellen
Haufe-Index 728781 |
NJOZ 2002, 1593 |