Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlöschen einer auflösend bedingten Dienstbarkeit trotz insolvenzrechtlicher Kündigungssperre. Zeitpunkt des Bedingungseintritts
Leitsatz (amtlich)
Die Kündigungssperre des § 112 InsO hindert nicht das Erlöschen einer Dienstbarkeit, welche das aus einem Mietvertrag folgende Nutzungsrecht an dem belasteten Grundstück sichert und unter der auflösenden Bedingung steht, dass über das Vermögen des Berechtigten ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, wenn diese Bedingung vor dem Sicherungsfall eintritt.
Normenkette
BGB § 1090; InsO § 112
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 14.12.2009; Aktenzeichen 20 W 315/09) |
AG Gießen (Entscheidung vom 08.10.2009; Aktenzeichen GI-24720-23) |
Tenor
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt die Schuldnerin. Hinsichtlich der übrigen Kosten bleibt es bei den Entscheidungen der Vorinstanzen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 20.000 EUR.
Gründe
I.
Rz. 1
Zugunsten der Schuldnerin waren im Grundbuch und im Erbbaugrundbuch von G. zwei beschränkte persönliche Dienstbarkeiten eingetragen, durch die jeweils die Befugnis zum Betrieb von Geschäften aller Art, insb. eines Waren- oder Parkhauses, eingeräumt wurde. Die Bewilligung erfolgte im Rahmen eines im Jahr 2006 von der Schuldnerin als Mieterin abgeschlossenen Gesamtmietvertrags über den Grundbesitz. Darin wurden hinsichtlich der Dienstbarkeiten u.a. folgende Bestimmungen getroffen:
"§ 16 Dienstbarkeiten (...) 16.3 Die Dienstbarkeiten erlöschen, wenn eine der folgenden auflösenden Bedingungen eingetreten ist: (...) c) über das Vermögen des Mieters ist von diesem selbst ein Insolvenzantrag gestellt worden oder ein solcher Antrag wurde von einem Dritten gestellt und das zuständige Gericht hat vorläufige Insolvenzsicherungsmaßnahmen beschlossen oder über das Vermögen des Mieters wurde das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt; (...) 16.4 Die Löschung der jeweiligen Dienstbarkeit kann nicht verlangt werden, wenn im Zusammenhang mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das betroffene Grundstück (§ 57a ZVG), mit einem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Vermieters (§ 111 InsO) oder mit Eintritt einer Nacherbfolge (§§ 2135, 1056 Abs. 2 BGB) das Mietverhältnis vorzeitig endet. (...) § 16.3 geht der Regelung dieses Absatzes vor. Sobald einer der vorstehend genannten Sicherungsfälle eintritt und solange er andauert, ist der Mieter berechtigt, die Dienstbarkeit auszuüben. Die gegenwärtigen Eigentümer und die Hauptvermieter sowie die Mieter sind verpflichtet, Art und Umfang der Ausübung an den einschlägigen Bestimmungen des Mietvertrags, die hier entsprechend anzuwenden sind, auszurichten, auch wenn die Dienstbarkeit einen weitergehenden dinglichen Inhalt hat. Der Mieter ist verpflichtet, für die Dauer der Ausübung der Dienstbarkeit anstelle der Miete eine Ausübungsvergütung an den jeweiligen (gegenwärtigen oder zukünftigen) Grundstückseigentümer zu zahlen, die der Höhe der Miete nebst Umsatzsteuer entspricht, die er ohne Beendigung oder Beeinträchtigung des Mietverhältnisses zu entrichten hätte. (...)"
Rz. 2
Nachdem im Juni 2009 gegen die Schuldnerin Sicherungsmaßnahmen i.S.v. § 21 Abs. 2 InsO angeordnet worden waren, wurden die Dienstbarkeiten - auf einen entsprechenden Antrag der Beteiligten zu 2), einer nachrangigen Grundpfandrechtsgläubigerin - am 16.9.2009 im Grundbuch gelöscht. Hiergegen erhob der frühere Beteiligte zu 1) als zwischenzeitlich bestellter Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin Widerspruch und beantragte zugleich die Eintragung eines Amtswiderspruchs.
Rz. 3
Das Grundbuchamt hat den Widerspruch zurückgewiesen und die Eintragung eines Amtswiderspruchs abgelehnt. Gegen die Zurückweisung seiner Beschwerde durch das OLG hat sich der Insolvenzverwalter mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde gewandt. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens haben die Verfahrensbevollmächtigten des Insolvenzverwalters erklärt, das Rechtsbeschwerdeverfahren für die Schuldnerin fortführen bzw. aufnehmen zu wollen. Anschließend hat die Schuldnerin der Beteiligten zu 2) Löschungsbewilligungen für die Dienstbarkeiten erteilt und das Verfahren für erledigt erklärt. Die Beteiligte zu 2) beantragt, die Kosten des Verfahrens der Schuldnerin aufzuerlegen.
II.
Rz. 4
1. a) Das Verfahren hat sich erledigt. Die in Grundbuchsachen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachtende Erledigung der Hauptsache tritt ein, wenn der Verfahrensgegenstand durch eine Änderung in der Sach- und Rechtslage fortgefallen und die Fortsetzung des Verfahrens dadurch sinnlos geworden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 10.2.1983 - V ZB 18/82, BGHZ 86, 393, 395; BayObLG NJW-RR 1997, 1445). So liegt es hier. Der dem Verfahren zugrunde liegende Antrag auf Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Löschung der Dienstbarkeiten (§ 71 Abs. 2 Satz 2 GBO) ist hinfällig geworden, nachdem die Schuldnerin im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens Löschungsbewilligungen für diese Dienstbarkeiten erteilt hat.
Rz. 5
b) Durch die Erledigungserklärung der Schuldnerin ist die Rechtsbeschwerde auf die Frage der Kostentragung beschränkt worden (vgl. BGH, Beschl. v. 10.2.1983 - V ZB 18/82, a.a.O.). Die Erklärung ist wirksam, da die Schuldnerin infolge der Aufhebung des Insolvenzverfahrens als Rechtsbeschwerdeführerin an die Stelle des Insolvenzverwalters getreten ist.
Rz. 6
Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens geht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über die Insolvenzmasse auf den Schuldner über (§ 259 Abs. 1 Satz 2 InsO). Der Schuldner wird, von dem hier nicht einschlägigen Ausnahmefall des § 259 Abs. 3 InsO abgesehen, wieder selbst prozessführungsbefugt. Dies hat - da der Insolvenzverwalter einen anhängigen Prozess nicht nach § 265 Abs. 2 ZPO weiterführen kann (vgl. BGH, Urt. v. 7.7.2008 - II ZR 26/07, WM 2008, 1615 Rz. 9 m.w.N.) - nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur einen Parteiwechsel kraft Gesetzes zur Folge (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1966 - VIII ZR 110/64, BGHZ 46, 249, 250; Grunsky, EWiR 1987, 829). Ein solcher ist im Gegensatz zu einem gewillkürten Parteiwechsel auch noch in der Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdeinstanz zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 7.7.2008 - II ZR 26/07, WM 2008, 1615 Rz. 7).
Rz. 7
Ob sich der gesetzliche Parteiwechsel von dem Insolvenzverwalter auf den Schuldner ohne Weiteres (so z.B. OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 1997, 43; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 240 Rz. 15; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 240 Rz. 23; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., § 240 Rz. 12) oder entsprechend den Vorschriften der §§ 239 ff. ZPO vollzieht (so z.B. OLG Köln ZIP 1987, 1004; LAG Hamm KTS 1997, 318, 321; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 240 Rz. 34; Windel in Jaeger, InsO, § 80 Rz. 206; MünchKomm/InsO/Hintzen, 2. Aufl., § 200 Rz. 37; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. § 200 Rz. 17; Kübler/Prütting/Holzer, InsO, Stand November 2010, § 200 Rz. 8; BK-InsO-Breutigam, Stand Juni 2010, § 200 Rz. 17; offen gelassen in BGH, Urt. v. 10.2.1982 - VIII ZR 158/80, BGHZ 83, 102, 104 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 25.9.1964 - V ZR 202/61, NJW 1964, 2301 für den Testamentsvollstrecker), kann hier dahinstehen, da der Verfahrensbevollmächtigte des Insolvenzverwalters ausdrücklich erklärt hat, das Verfahren für die Schuldnerin fortzuführen.
Rz. 8
Ob auch bei einem Zwangsverwalter der Wegfall der Prozessführungsbefugnis einen Parteiwechsel kraft Gesetzes zur Folge hat oder ob in diesem Fall die besseren Gründe für einen - in der Revisionsinstanz allerdings nicht möglichen - gewillkürten Parteiwechsel sprechen (vgl. BGH, Urt. v. 7.4.1978 - V ZR 154/75, BGHZ 71, 216, 219 f.; BGH, Urt. v. 7.2.1990 - VIII ZR 98/89, NJW-RR 1990, 1213; Urt. v. 8.5.2003 - IX ZR 385/00, BGHZ 155, 38, 45), bedarf hier keiner Entscheidung.
Rz. 9
c) Die Kostenentscheidung ist gem. § 83 Abs. 2 i.V.m. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG nach billigem Ermessen zu treffen. Dabei kommt als besonderer Billigkeitsgrund für die Auferlegung von Kosten aus Rechtsmittelverfahren der Umstand in Betracht, ob das Rechtsmittel erfolglos geblieben wäre (vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG, 16. Aufl., § 84 Rz. 28). Dagegen ist der Umstand, dass sich die Schuldnerin durch Abgabe der Löschungsbewilligungen freiwillig in die Rolle der Unterlegenen begeben hat, hier nicht maßgeblich. Es ist nicht erkennbar, dass der Entschluss der Schuldnerin, die Auseinandersetzung um die Dienstbarkeiten zu beenden, Ausdruck einer von ihr anerkannten Rechtspflicht zu deren Löschung ist; vielmehr dürfte er auf wirtschaftlichen Erwägungen beruhen. Eine solche Verfahrensbeendigung muss möglich sein, ohne dass sie zwingend zu der Verpflichtung führt, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Dass es hier dennoch der Billigkeit entspricht, der Schuldnerin die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen, folgt daraus, dass die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg und es damit bei der Zurückweisung ihrer sofortigen Beschwerde durch das Beschwerdegericht geblieben wäre.
Rz. 10
2. Die Rechtsbeschwerde war unbegründet, weil die Voraussetzungen für einen Amtswiderspruch, der sich auch gegen die Löschung einer Grundbucheintragung richten kann (BayObLG Rpfleger 1987, 101; KEHE/Eickmann, GBO, 6. Aufl., § 53 Rz. 2; Meikel/Streck, GBO, 10. Aufl., § 53 Rz. 7), nicht vorlagen. Das Grundbuch - für das Erbbaugrundbuch gilt insoweit nichts anderes (vgl. § 14 Abs. 3 Satz 1 ErbbauRG) - ist aufgrund der Löschung der beiden beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten (§ 1090 BGB) nicht unrichtig geworden. Diese sind durch den Eintritt der in § 16.3 c) des Gesamtmietvertrags geregelten auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) auch materiell-rechtlich erloschen.
Rz. 11
a) Die Dienstbarkeiten sind jeweils wirksam unter eine auflösende Bedingung gestellt worden, obwohl diese nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht in den Eintragungsvermerk aufgenommen worden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob - was der Senat bislang offen gelassen hat (Urt. v. 29.9.2006 - V ZR 25/06, WM 2006, 2226, 2228 m.w.N.) - eine auflösende Bedingung zum wesentlichen Rechtsinhalt der Dienstbarkeit zählt und daher nach § 873 Abs. 1 BGB der Eintragungspflicht unterliegt oder ob es sich hierbei lediglich um eine den näheren Inhalt des dinglichen Rechts in zeitlicher Hinsicht konkretisierende Bestimmung handelt mit der Folge, dass insoweit nach § 874 BGB auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden kann. Folgt man der zuerst genannten Ansicht, wäre das Recht zwar unbedingt eingetragen. Die Dienstbarkeit wäre dennoch lediglich bedingt entstanden, da sich Einigung und Eintragung nur insoweit decken (BGH, Urt. v. 12.7.1989 - IVb ZR 79/88, NJW 1990, 112, 114; BayObLG NJW-RR 1998, 1025, 1026 - jew. m.w.N.).
Rz. 12
Die auflösende Bedingung gem. § 16.3 c) des Gesamtmietvertrags war eingetreten, da das Insolvenzgericht aufgrund eines das Vermögen der Schuldnerin betreffenden Insolvenzantrags Sicherungsmaßnahmen gem. § 21 Abs. 2 InsO angeordnet hatte.
Rz. 13
b) Die Regelungen der §§ 112, 119 InsO stehen dem Erlöschen der Dienstbarkeiten in der hier gegebenen Konstellation nicht entgegen.
Rz. 14
aa) Durch § 112 InsO wird zugunsten des Insolvenzschuldners für ein von diesem als Mieter (oder Pächter) eingegangenes Vertragsverhältnis insoweit ein Kündigungsschutz begründet, als der Vermieter daran gehindert ist, nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Vertrag aus den näher bezeichneten Gründen (Zahlungsverzug aus der Zeit vor dem Eröffnungsantrag; Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners) zu kündigen.
Rz. 15
Die Regelung, die nach der herrschenden Meinung - zumindest in Verbindung mit dem in § 119 InsO enthaltenen Verbot abweichender Vereinbarungen - auch eine Vertragsbeendigung durch Eintritt einer auflösenden Bedingung erfasst (vgl. Eckert in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 112 Rz. 16; K/P/B/Tintelnot, InsO, Stand November 2010, § 112 Rz. 13; Uhlenbruck/Wegener, InsO, 13. Aufl., § 112 Rz. 13; Braun, InsO, 4. Aufl., § 112 Rz. 2 - jew. m.w.N.; a.A. Hess/Pape, InsO und EGInsO, Rz. 340), bezieht sich nach ihrem Wortlaut ausschließlich auf (schuldrechtliche) Miet- und Pachtverträge. Eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit als ein dingliches Nutzungsrecht fällt somit grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich der Norm (vgl. BGH, Urt. v. 20.10.2005 - IX ZR 145/04, ZIP 2005, 2267, 2268 [für einen Erbbaurechtsvertrag]; Eckert in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 108 Rz. 41; K/P/B/Tintelnot, a.a.O., § 108 Rz. 15; HK-InsO/Ahrendt, InsO, 3. Aufl., § 108 Rz. 3).
Rz. 16
Das gilt auch dann, wenn die zur Begründung der Dienstbarkeit erforderliche dingliche Einigung (§ 873 Abs. 1 BGB) - wie hier - in einem gleichzeitig abgeschlossenen Mietvertrag über das Grundstück enthalten ist und das dingliche Recht der Sicherung des schuldrechtlichen Gebrauchsrechts (§ 535 Abs. 1 Satz 1 BGB) dient. Soweit die Rechtsbeschwerde demgegenüber von einem typengemischten Vertrag ausgeht, der wegen des bloßen Sicherungscharakters der Dienstbarkeit einheitlich nach Mietrecht zu beurteilen sei, verkennt sie, dass die Dienstbarkeit von den ihr zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vereinbarungen (Sicherungsabrede, Mietvertrag) abstrakt ist (BGH, Urt. v. 29.1.1988 - V ZR 310/86, NJW 1988, 2364; Urt. v. 20.1.1989 - V ZR 181/87, NJW-RR 1989, 519; BGH, Urt. v. 15.4.1998 - VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2286, 2287). Das schließt es aus, das dingliche Nutzungsverhältnis einem schuldrechtlichen Vertragstyp zuzuordnen. Darauf, ob sich die für die Zeit nach dem Eintritt des Sicherungsfalls getroffenen Bestimmungen ihrerseits an dem Inhalt des Mietvertrags ausrichten (vgl. § 16.4 des Gesamtmietvertrags), kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Rz. 17
bb) Auch eine teleologische, an Sinn und Zweck der Norm ausgerichtete Auslegung des § 112 InsO steht der Annahme eines wirksamen Bedingungseintritts nicht entgegen.
Rz. 18
Der Vorschrift liegt die Erwägung zugrunde, dass die wirtschaftliche Einheit im Besitz des Schuldners nicht zur Unzeit auseinander gerissen werden darf (RegE, BT-Drucks. 12/2443, 148). Mit dem Erlöschen einer Sicherungsdienstbarkeit durch den Eintritt einer auflösenden Bedingung ist indes nicht zwingend ein Verlust der Berechtigung des Schuldners verbunden, das ihm an dem Grundstück eingeräumte Recht auszuüben. Denn die Sicherungsdienstbarkeit bildet nicht bereits von dem Zeitpunkt ihrer Bestellung an die rechtliche Grundlage für die Nutzung des Grundbesitzes. Ihre Bestellung erfolgt vielmehr zusätzlich zu dem Abschluss eines Mietvertrags, um das daraus resultierende Gebrauchsrecht entsprechend dem Inhalt der Sicherungsabrede - mit dinglicher Wirkung - auf die Zeit nach der Vertragsbeendigung zu erstrecken.
Rz. 19
Auf diese Weise soll den rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteilen begegnet werden, die dem (insb. gewerblichen) Mieter für den Fall drohen, dass das Vertragsverhältnis auf der Vermieterseite auf einen Dritten übergeht und dieser sodann von einem aus Anlass des Vertragsübergangs bestehenden Sonderkündigungsrecht (z.B. nach § 57a ZVG, § 111 InsO, § 2135 i.V.m. § 1056 Abs. 2 BGB; vgl. § 16.4 des Gesamtmietvertrags) Gebrauch macht (dazu etwa Staudinger/Mayer, BGB [2009], § 1093 Rz. 12; Stapenhorst/Voß, NZM 2003, 873 f.; Stiegele, Die Mietsicherungsdienstbarkeit, S. 26 ff.; Wiemann, GS Gruson, S. 441 ff.). Der Rechtsinhaber ist daher aufgrund der Sicherungsabrede erst nach dem Eintritt des Sicherungsfalls zur Ausübung der Dienstbarkeit berechtigt, während sich zuvor die Nutzung des Grundstücks ausschließlich nach Maßgabe des Mietvertrags richtet.
Rz. 20
Daraus folgt, dass das Recht zur Nutzung der Mietsache durch das Erlöschen der Dienstbarkeit nicht nachteilig betroffen wird, wenn die auflösende Bedingung - wie hier - vor dem Sicherungsfall eintritt. Das Gebrauchsrecht besteht dann auf der Grundlage des Mietvertrags fort, der seinerseits der Kündigungssperre nach § 112 InsO unterliegt. Ein Bedürfnis für die Anwendung dieser Vorschrift auf die Dienstbarkeit besteht insoweit nicht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick darauf, dass die Dienstbarkeit jedenfalls bei einem späteren Eintritt des Sicherungsfalls, etwa wegen einer Kündigung des Mietvertrags als Folge einer Insolvenz des Vermieters (vgl. § 111 InsO), die weitere Nutzung des Grundstücks durch den Mieter sichern könnte. Denn § 112 InsO schützt nicht jeglichen Fortbestand des Nutzungsverhältnisses. Der Mieter wird (in bestimmten Fällen) lediglich vor einem Verlust seines Gebrauchsrechts im Zusammenhang mit einem sein eigenes Vermögen betreffenden Insolvenzantrag bewahrt.
Fundstellen
Haufe-Index 2679546 |
DB 2011, 8 |
EBE/BGH 2011 |
NJW-RR 2011, 882 |
EWiR 2011, 473 |
FGPrax 2011, 163 |
MittBayNot 2012, 63 |
NZG 2011, 1034 |
NZM 2012, 392 |
WM 2011, 989 |
ZAP 2011, 613 |
ZIP 2011, 1063 |
ZfIR 2011, 537 |
JuS 2011, 935 |
MDR 2011, 781 |
NZI 2011, 443 |
NZI 2011, 5 |
Rpfleger 2011, 488 |
ZInsO 2011, 918 |
GuT 2011, 159 |
Info M 2011, 429 |
KSI 2011, 186 |
NJW-Spezial 2011, 534 |
NotBZ 2011, 255 |
ZNotP 2011, 222 |
MK 2011, 187 |