Insolvenzverwalter dürften ein Eigentümerwohnungsrecht löschen
In einer Grundsatzentscheidung hat der BGH entschieden, dass das gesetzlich bestimmte Pfändungsverbot für Wohnungsrechte dann nicht gilt, wenn der Berechtigte des Wohnungsrechts und der Eigentümer des Wohngrundstücks die gleiche Person sind. Als Folge unterliege ein solches Eigentümerwohnungsrecht der Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters.
Wohnungsrechte fallen in der Regel nicht in die Insolvenzmasse
Der vom BGH entschiedene Fall ist nicht ohne praktische Relevanz. Rechtliche Grundlage der BGH-Entscheidung sind die gesetzlichen Regelungen zur Pfändbarkeit von Forderungen.
- Nach § 851 ZPO sind Forderungen der Pfändung nur insoweit unterworfen, als sie übertragbar sind.
- Gemäß § 1092 BGB ist eine persönliche Dienstbarkeit nicht übertragbar und unterliegt damit nicht der Zwangsvollstreckung.
- Da gemäß § 1093 BGB das Wohnungsrecht zu den persönlichen Dienstbarkeiten gehört, ist es weder übertragbar noch pfändbar.
- Damit gehört das Wohnungsrecht nicht zur Insolvenzmasse, denn gemäß § 36 InsO gehören Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse.
Teleologische Reduktion der gesetzlichen Regelung
Die Bedeutung der aktuellen BGH-Entscheidung liegt darin, dass der BGH eine teleologische Reduktion dieser gesetzlichen Regelungen für den Fall vorsieht, dass der Berechtigte aus der persönlichen Dienstbarkeit Wohnungsrecht mit dem Eigentümer des betroffenen Wohngebäudes identisch ist.
Eigentümerwohnungsrecht im Grundbuch eingetragen
Im konkreten Fall hatte der Eigentümer eines bebauten Grundstücks für sich selbst ein auf das Gebäude bezogenes Wohnungsrecht im Grundbuch eintragen lassen, mit der Maßgabe, dass die Ausübung des Wohnungsrechts dritten Personen nicht überlassen werden darf. Anschließend brachte er das Grundstück als Einlage in eine GbR ein. Die GbR wurde als Eigentümerin des Grundstücks eingetragen.
Insolvenzanfechtung führte zur Rückübertragung des Grundstücks
Über das Vermögen des ursprünglichen Eigentümers wurde einige Monate später ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter forderte im Wege der Insolvenzanfechtung die Rückübertragung des Grundstücks auf den ursprünglichen Eigentümer und setzte dies gerichtlich durch. Daraufhin wurde der ursprüngliche Eigentümer wieder als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, das Wohnungsrecht wurde auf Antrag des Insolvenzverwalters gelöscht.
Eigentümer forderte Eintragung eines Amtswiderspruchs
Gegen die Löschung des Wohnungsrechts legte der Eigentümer Beschwerde ein und beantragte die Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Löschung. Hiermit hatte er weder beim zuständigen Kammergericht noch anschließend mit seiner Rechtsbeschwerde beim BGH Erfolg.
Kein Anspruch auf Amtswiderspruch
Nach Auffassung des BGH war der Antrag auf Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Löschung des Wohnungsrechts unbegründet, weil mit der Löschung keine Rechte des Beschwerdeführers verletzt worden seien. Grundsätzlich gehöre die beschränkte persönliche Dienstbarkeit und damit das Wohnungsrecht nach den gesetzlichen Vorschriften zwar nicht zur Insolvenzmasse, dies gelte jedoch nicht in dem vorliegenden Sonderfall, in dem der Eigentümer des Wohngrundstücks gleichzeitig der Inhaber des Wohnungsrechts sei.
Abweichung der konkreten Fallgestaltung vom gesetzlichen Leitbild
Diese Schlussfolgerung stütze der BGH auf den mit den entsprechenden Vorschriften verfolgten Gesetzeszweck. Gemäß § 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB solle der Wohnungsberechtigte „unter Ausschluss des Eigentümers“ zu einer umfassenden Nutzung der ihm zugewiesenen Räume berechtigt sein. Nach dem gesetzlichen Leitbild seien also der Berechtigte aus dem Wohnungsrecht und der Grundstückseigentümer personenverschieden.
Gesetz unterscheidet zwischen Grundstückseigentümer und Wohnungsberechtigten
Die gesetzliche Regelung des § 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB solle den Wohnungsberechtigten vor einem unberechtigten Zugriff durch den Grundstückseigentümer bzw. durch Dritte schützen. Umgekehrt schließe § 1092 Abs. 1 BGB zum Schutz des Eigentümers die Übertragbarkeit der persönlichen Dienstbarkeit aus, wenn die Überlassung nicht ausdrücklich gestattet ist. Die Unübertragbarkeit schließlich führe gemäß § 851 ZPO zur Unpfändbarkeit.
Personenidentität zwischen Eigentümer und Wohnungsberechtigtem ist Sonderfall
Im konkreten Fall sei das Wohnungsrecht durch die Rückübertragung des Wohngrundstücks an den ursprünglichen Eigentümer zum Eigentümerwohnungsrecht geworden. Diese Konstellation falle nicht unter den von den gesetzlichen Vorschriften zur Unübertragbarkeit und Unpfändbarkeit verfolgten Zweck. Der Ausschluss der Pfändbarkeit setze ein Fremdrecht voraus.
Einschränkung der gesetzlichen Regelung durch teleologische Reduktion
Deshalb seien die gesetzlichen Bestimmungen zur persönlichen Dienstbarkeit für das Eigentümerwohnungsrecht im Wege teleologischer Reduktion einzuschränken. Der Berechtigte, der zugleich Eigentümer ist, müsse sich nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschriften so behandeln lassen, als sei ihm gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB gestattet, die Ausübung des Wohnungsrechts einem anderen zu überlassen.
Eigentümerwohnungsrechts fällt in die Insolvenzmasse
Daraus folgt laut BGH, dass das Eigentümerwohnungsrecht übertragbar und damit pfändbar ist. Damit gehöre es gemäß § 35 InsO zur Insolvenzmasse und unterliege der Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters. In der Folge sei der Insolvenzverwalter auch berechtigt, im Rahmen der Verwertung die Löschung des Wohnungsrechts zu bewilligen und das Grundstück gegebenenfalls lastenfrei zu veräußern. Damit sei die Löschung des Wohnungsrechts im konkreten Fall zu Recht erfolgt. Ein Anspruch auf Eintragung eines Amtswiderspruchs bestehe nicht.
(BGH, Beschluss v. 2.3.2023, V ZB 64/21)
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