Leitsatz (amtlich)
a) Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen die eine Unterbringung oder freiheitsentziehende Maßnahme ablehnende tatrichterliche Entscheidung ist nur statthaft, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat (Abgrenzung zum BGH v. 29.1.2014 - XII ZB 519/13, FamRZ 2014, 652).
b) Rechtsmittelverfahren in Unterbringungssachen sind auch unter Geltung des Gesetzes über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare vom 23.7.2013 (Gerichts- und Notarkostengesetz - GNotKG) gerichtsgebührenfrei. Diese Gebührenfreiheit gilt ebenfalls für unstatthafte Rechtsmittel.
Normenkette
FamFG § 70 Abs. 3 S. 2; GNotKG § 26 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 16.09.2013; Aktenzeichen 301 T 251/13) |
AG Hamburg-St. Georg (Entscheidung vom 05.06.2013; Aktenzeichen 993 XVII S 3387) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Hamburg vom 16.9.2013 wird verworfen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
Gründe
I.
Rz. 1
Das Verfahren hat die Genehmigung einer Unterbringung des Betroffenen zur Heilbehandlung und einer beabsichtigten Zwangsmedikation zum Gegenstand.
Rz. 2
Der Betroffene ist an einer schizoaffektiven Psychose erkrankt und steht seit Dezember 2010 unter Betreuung. Seit Mitte Februar 2013 ist er aufgrund eines strafrechtlichen Unterbringungsbefehls forensisch untergebracht.
Rz. 3
Im Mai 2013 beantragte der Beteiligte zu 2) als Betreuer, die Unterbringung des Betroffenen zu einer zwangsweisen Heilbehandlung nach § 1906 BGB zu genehmigen.
Rz. 4
Das AG hat diesen Antrag unter Hinweis auf die strafrechtliche Unterbringung zurückgewiesen. Die Beschwerde des Betreuers ist erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich die vom Betroffenen und vom Betreuer namens des Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 5
Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft.
Rz. 6
1. Das LG hat die Rechtsbeschwerde im angefochtenen Beschluss vom 16.9.2013 nicht zugelassen (§ 70 Abs. 1 FamFG). Die vom Beschwerdegericht erteilte - unzutreffende - Rechtsmittelbelehrung stellt keine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde dar (BGH v. 27.11.2013 - XII ZB 464/13 - juris Rz. 6; v. 20.7.2011 - XII ZB 445/10, FamRZ 2011, 1728 Rz. 16).
Rz. 7
2. Ein Fall der Statthaftigkeit ohne Zulassung gem. § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamFG liegt nicht vor, weil die beantragte Maßnahme vom Tatrichter nicht angeordnet, sondern abgelehnt worden ist.
Rz. 8
Durch § 70 Abs. 3 Satz 2 FamFG ist ausdrücklich geregelt, dass Rechtsbeschwerden in Unterbringungs- und Freiheitsentziehungssachen nur dann ohne Zulassung statthaft sind, wenn die Unterbringung oder freiheitsentziehende Maßnahme angeordnet wird (vgl. auch BGH v. 29.1.2014 - XII ZB 519/13, FamRZ 2014, 652 Rz. 8; Althammer in Johannsen/Henrich Familienrecht 5. Aufl., § 70 FamFG Rz. 11). Denn der Gesetzgeber wollte die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nur gegen Beschlüsse eröffnen, die unmittelbar freiheitsentziehende Wirkung haben (BT-Drucks. 16/12717, 60).
Rz. 9
Der Senat hat den Rechtsbeschwerdeführer hierauf hingewiesen. Soweit dieser einwendet, die Vorschrift des § 70 Abs. 3 Satz 2 FamFG müsse entsprechend zugunsten des Betroffenen gelten, wenn ausnahmsweise - wie das hier der Fall sei - die Ablehnung der Maßnahme für ihn von Nachteil sei, bleibt das ohne Erfolg. Es fehlt bereits an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Dass die Ablehnung einer Unterbringung oder freiheitsentziehenden Maßnahme aus objektiver Sicht, nämlich mit Blick auf die gesundheitlichen Interessen des Betroffenen, für diesen nachteilig sein kann, liegt auf der Hand. Gleichwohl hat der Gesetzgeber die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde insoweit wie dargestellt beschränkt.
Rz. 10
3. Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei.
Rz. 11
Der Gesetzgeber wollte mit Einführung des Gesetzes über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare vom 23.7.2013 (Gerichts- und Notarkostengesetz - GNotKG; BGBl. I, 2586) nichts an dem durch § 128b Satz 1 KostO ausdrücklich geregelten Zustand ändern, dass Unterbringungsverfahren gerichtsgebührenfrei sind (BT-Drucks. 17/11471, 160). Deshalb sieht das Gesetz bereits keinen Gebührentatbestand für Unterbringungsverfahren vor (vgl. BeckOK KostO/Wendtland [Stand: 15.2.2014] § 128b Rz. 11; Friedrich in Fackelmann/Heinemann GNotKG § 26 Rz. 1; Sommerfeldt in Bormann/Diehn/Sommerfeldt GNotKG § 26 Rz. 10). Für die gerichtlichen Auslagen wird durch § 26 Abs. 3 GNotKG - mit dem die Regelung des § 128b Satz 2 KostO übernommen werden sollte (BT-Drucks. 17/11471, 162) - bestimmt, dass dem Betroffenen nur die an den Verfahrenspfleger zu zahlenden Beträge auferlegt werden können und dies auch nur dann, wenn die Auslagen nicht als Gerichtskosten einem anderen auferlegt sind. Wie schon unter der Geltung der Kostenordnung (vgl. Lappe in Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann KostO § 128b Rz. 5; BeckOK KostO/Wendtland [Stand: 15.2.2014] § 128b Rz. 3) erstreckt sich die Gebührenfreiheit dabei auf die Rechtsmittelinstanzen. Dass der Gesetzgeber insoweit eine Änderung der Rechtslage vornehmen wollte, ist nicht ersichtlich.
Rz. 12
Die Gebührenfreiheit gilt auch für unstatthafte Rechtsmittel in Unterbringungsverfahren. Denn anders als im Anwendungsbereich der §§ 66 Abs. 8, 68 Abs. 3 GKG (vgl. dazu BGH Beschlüsse v. 3.3.2014 - IV ZB 4/14 - juris Rz. 2 ff.; v. 7.12.2010 - VIII ZB 77/10 - juris; v. 14.6.2007 - V ZB 42/07 - juris), bei denen es sich um spezielle Gebührenbefreiungstatbestände für kostenrechtliche Rechtsmittelverfahren handelt, lässt sich für Rechtsmittel in Unterbringungsverfahren weder aus der gesetzlichen Systematik noch aus dem Gesetzeszweck eine Beschränkung der Gebührenbefreiung lediglich auf statthafte Rechtsmittel entnehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 6930800 |
EBE/BGH 2014 |
FamRZ 2014, 1285 |
FamRZ 2014, 1621 |
FuR 2014, 535 |
NJW-RR 2014, 897 |
FGPrax 2014, 180 |
JurBüro 2014, 493 |
JurBüro 2015, 59 |
BtPrax 2014, 171 |
JZ 2014, 455 |
MDR 2014, 869 |
Rpfleger 2014, 561 |
AGS 2014, 407 |
FamRB 2014, 8 |
RVGreport 2014, 483 |