Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 11.12.2018; Aktenzeichen 29 S 190/18) |
AG Köln (Urteil vom 30.07.2018; Aktenzeichen 202 C 38/18) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 11. Dezember 2018 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 400 EUR.
Gründe
Rz. 1
I. Der stark sehbehinderte Kläger verlangt als Miteigentümer einer Wohnungseigentumseinheit von der beklagten Verwalterin die Einsicht in sämtliche Verwaltungsunterlagen ab Januar 2015. Nach seinem zuletzt gestellten Antrag soll er selbst oder eine von ihm zu benennende und auszuwählende Person Einsicht nehmen können. Das Amtsgericht hat der Klage insoweit stattgegeben, als der Kläger oder eine von ihm benannte Person, die der gesetzlichen Schweigepflicht unterliegt (Rechtsanwalt und/oder Steuerberater) Einsicht in dem beantragten Umfang nehmen darf. Den Streitwert hat das Amtsgericht mit 1.000 EUR bemessen und die Kosten gemäß § 92 Abs. 2 ZPO insgesamt der beklagten Verwalterin auferlegt.
Rz. 2
Die Berufung, mit der der Kläger erreichen will, dass er seine Hilfsperson frei auswählen darf, hat das Landgericht durch Beschluss als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Kläger die Durchführung der Berufung erreichen. Die Beklagten beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Rz. 3
II. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Beschwer von mehr als 600 EUR nicht erreicht. Das Amtsgericht habe den Streitwert nach den Angaben des Klägers mit 1.000 EUR bemessen. Dies erscheine angemessen. Die Beschwer könne zwar abweichend vom Streitwert, aber keinesfalls höher als dieser bewertet werden. Da der Kläger überwiegend obsiegt habe, könne der Einschränkung des Urteilstenors kein höherer Wert als 600 EUR beigemessen werden.
Rz. 4
III. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 ZPO nur dann zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Daran fehlt es. Insbesondere hat das Berufungsgericht den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung nicht unzumutbar erschwert. Eine solche Erschwerung kann zwar in einem Fehler bei der Bemessung der Beschwer liegen. Voraussetzung dafür ist aber, dass das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Senat, Beschluss vom 9. Juni 2016 V ZB 17/15, NZM 2016, 799 Rn. 8 mwN). Ein solcher, entscheidungserheblicher Fehler bei der Bemessung des Beschwerdewerts (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) ist nicht ersichtlich.
Rz. 5
1. Im Ausgangspunkt rügt die Rechtsbeschwerde allerdings zu Recht, dass der von dem Landgericht aufgestellte Obersatz, wonach die Beschwer keinesfalls höher als der Streitwert bewertet werden könne, in dieser Allgemeinheit nicht zutrifft. Streitwert und Beschwerdewert sind voneinander zu unterscheiden. Sie stimmen nicht notwendigerweise überein (Senat, Beschluss vom 9. Februar 2012 - V ZB 211/11, NZM 2012, 838 Rn. 4; Beschluss vom 17. November 2016 - V ZR 86/16, ZMR 2017, 256 Rn. 2 f.). Hier ist es aber deshalb anders und die Ansicht des Berufungsgerichts im Ergebnis zutreffend, weil der Kläger Berufungsführer ist und sein (mit der Beschwer identisches) Interesse gemäß § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG die Untergrenze für den Streitwert bildet. Den Streitwert der ursprünglichen Klage von 1.000 EUR hat das Berufungsgericht mit dem ursprünglichen Interesse des Klägers gleichgesetzt, als angemessen erachtet und deshalb als Ausgangspunkt genommen; dabei ist nicht ersichtlich, dass es sich wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - an die Festsetzung des Amtsgerichts gebunden gesehen hat. Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Wert auch angesichts der erstinstanzlichen, auf den Einsatz von Hilfspersonen bezogenen Klageerweiterung unverändert mit 1.000 EUR bemessen hat; denn das Kernanliegen des Klägers bestand - wie in der Erwiderung zutreffend hervorgehoben wird - durchgehend in der Einsichtnahme als solcher, und das Interesse daran hatte er auf diesen Betrag geschätzt.
Rz. 6
2. Bei der ausgehend von dem genannten Streitwert vorgenommenen Schätzung des Beschwerdewerts ist dem Berufungsgericht ein Ermessensfehler nicht unterlaufen.
Rz. 7
a) Für die Beschwer heranziehen ließe sich die finanzielle Belastung, die sich daraus ergibt, dass der Kläger als Hilfspersonen nur Personen, die der gesetzlichen Schweigepflicht unterliegen (Rechtsanwalt und/oder Steuerberater), einsetzen darf. Dass das Berufungsgericht diese Belastung bei der ihm obliegenden Schätzung der Beschwer (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 21. Juni 2018 V ZB 254/17, NJW-RR 2018, 1421 Rn. 6) - wenn auch ohne nähere Erörterung - mit nicht mehr als 600 EUR bemessen hat, ist nicht zu beanstanden. Denn auf in dem Berufungsverfahren gehaltenen Tatsachenvortrag, aus dem sich eine andere (und von dem Berufungsgericht nicht beachtete) Schätzungsgrundlage ergeben könnte, verweist die Rechtsbeschwerde nicht. Insbesondere der Schriftsatz vom 13. November 2018, mit dem der Kläger Stellung zu dem Hinweis des Berufungsgerichts auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels genommen hat, enthält keinerlei Angaben zu dem erforderlichen Umfang und den Kosten einer Beauftragung Dritter. Vortrag dazu ist erst in dritter Instanz gehalten worden. Danach wird der Beschwerdewert jedoch nicht erreicht. Die Kosten eines Rechtsanwalts sollen bei einem (hoch gegriffenen) Gegenstandswert von 4.000 EUR insgesamt 413,64 EUR und die eines Steuerberaters lediglich 257 EUR betragen.
Rz. 8
b) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde musste das Berufungsgericht keine zusätzliche ideelle Beschwer in Höhe von (weiteren) 500 EUR berücksichtigen. Der Kläger hat in seiner Stellungnahme vom 13. November 2018 eine über 600 EUR liegende Beschwer allein aus einer Benachteiligung und Verletzung seines Persönlichkeitsrechts abgeleitet. Er werde im Gegensatz zu anderen Eigentümern dazu gezwungen, jemanden kostenpflichtig mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen. Diese Angaben in dem Schriftsatz vom 13. November 2018 hat das Berufungsgericht ausdrücklich in seine Schätzung einbezogen und rechtsfehlerfrei nicht als durchgreifend erachtet. Eine Benachteiligung oder Diskriminierung ist schon deshalb nicht ersichtlich, weil das Amtsgericht die Einschränkung nicht mit der Person des Klägers, sondern mit datenschutzrechtlichen Interessen der anderen Wohnungseigentümer begründet hat.
Rz. 9
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Den Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Senat gemäß § 49a Abs. 1 Satz 1 und 2 GKG festgesetzt und das Interesse des Klägers anhand seiner Angaben auf 400 EUR geschätzt.
Fundstellen
WuM 2020, 453 |
ZWE 2020, 396 |
MietRB 2020, 205 |