Leitsatz (amtlich)
Zur Beschwer durch eine Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung.
Normenkette
FamFG § 59
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 28.03.2012; Aktenzeichen II-5 UF 207/11) |
AG Langenfeld (Entscheidung vom 22.07.2011; Aktenzeichen 27 F 10/11) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 5. Senats für Familiensachen des OLG Düsseldorf vom 28.3.2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das OLG zurückverwiesen.
Wert: 10.000 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute. Der Antragsgegner verpflichtete sich in einem notariellen Vertrag vom 6.8.2003 u.a., der Antragstellerin seinen hälftigen Miteigentumsanteil an einem Grundstück in Belgien zu übertragen und alle zur Übertragung erforderlichen und zweckmäßigen Erklärungen abzugeben.
Rz. 2
Die Antragstellerin hat im vorliegenden Verfahren geltend gemacht, der Antragsgegner wirke an der Eigentumsübertragung nicht mit, weshalb diese bislang gescheitert sei. Sie hat in der Hauptsache beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, der Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils und der Eintragung der Eigentumsübertragung zuzustimmen. Der Antragsgegner hat sich u.a. darauf berufen, er habe seine Verpflichtung bereits mit seinen im notariellen Vertrag abgegebenen Erklärungen erfüllt.
Rz. 3
Das AG hat den Anträgen stattgegeben. Mit der dagegen eingelegten Beschwerde hat der Antragsgegner weiterhin die Zurückweisung der Anträge begehrt. Das OLG hat die Beschwerde mangels Beschwer des Antragsgegners als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
Rz. 5
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Annahme des OLG, die Beschwerde sei mangels Beschwer unzulässig, verletzt den Antragsgegner in seinem aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes. Dieses Verfahrensgrundrecht verbietet es den Gerichten, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGH v. 26.10.2011 - XII ZB 465/11, FamRZ 2012, 24 Rz. 7 m.w.N.).
Rz. 6
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
Rz. 7
a) Nach Auffassung des OLG fehlt es dem Antragsgegner an der notwendigen Beschwer. Es komme hierfür entsprechend der überwiegenden Auffassung nicht auf die sog. formelle, sondern auf die materielle Beschwer an. Darunter sei jeder nachteilige rechtskraftfähige Inhalt der angefochtenen Entscheidung ohne Rücksicht auf die Vollstreckungsfähigkeit und die in der unteren Instanz gestellten Anträge zu verstehen. Danach sei der Antragsgegner durch die angegriffene Entscheidung nicht in seinen Rechten verletzt. Der Antragsgegner berufe sich im Ergebnis auf ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin bzw. eine Erfüllung der Forderung. Er sei damit selbst der Auffassung, dass er zur Übertragung seines Miteigentumsanteils verpflichtet sei. Diese Verpflichtung greife er auch nicht an. Unter diesen Umständen sei nicht ersichtlich, dass er durch die angegriffene Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt werde. Anders als bei der Titulierung einer bereits erfüllten Geldforderung habe er auch durch die Vollstreckung (nach § 894 ZPO) keine Nachteile zu befürchten, vielmehr gehe der Beschluss des AG nach seiner eigenen Auffassung ins Leere.
Rz. 8
b) Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 9
Entgegen der Auffassung des OLG ist der Antragsgegner durch den angefochtenen Beschluss nach § 59 Abs. 1 FamFG in seinen Rechten beeinträchtigt und damit beschwert (vgl. Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl., § 59 Rz. 1). Auf die Unterscheidung von materieller und formeller Beschwer kommt es im vorliegenden Fall nicht an. Denn der Antragsgegner ist auch in materieller Hinsicht beschwert. Die materielle Beschwer ergibt sich daraus, dass er durch den angefochtenen Beschluss zur Abgabe von Willenserklärungen verpflichtet worden ist.
Rz. 10
Der vom Antragsgegner erhobene Einwand der Erfüllung betrifft die Begründetheit der Anträge und schließt seine Beschwer nicht aus. Denn er muss in der Lage sein, den Einwand der Erfüllung auch mit einem Rechtsmittel geltend zu machen. Auch wenn er bei der Abgabe von Willenserklärungen im Gegensatz zur Titulierung einer Geldforderung nicht Gefahr laufen sollte, durch die Vollstreckung einen Vermögensschaden zu erleiden, begründet dies keine Ausnahme. Schon weil die Vollstreckungsfähigkeit des Titels nicht Voraussetzung der Beschwer ist, kommt es auf einen dem Antragsgegner drohenden Schaden nicht an.
Rz. 11
Weil auf die materielle Beschwer abzustellen ist, ist sogar gegen eine Anerkenntnisentscheidung ein Rechtsmittel zulässig (vgl. BGH vom 15.1.1992 - XII ZB 135/91, NJW 1992, 1513, 1514). Die vom OLG angeführte Regelung in § 99 Abs. 2 ZPO stellt eine Sonderregelung für die isolierte Anfechtung einer Kostenentscheidung dar. Dass ein Rechtsmittel des Beklagten gegen das Anerkenntnisurteil sogar allein mit Rücksicht auf das Kosteninteresse statthaft ist, ergibt sich daraus, dass die Sonderregelung in § 99 Abs. 1 ZPO ein Rechtsmittel nur ausschließt, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel eingelegt wird. Selbst wenn es dem Rechtsmittelführer wirtschaftlich betrachtet allein um die Abänderung der Kostenentscheidung geht, führt dies nicht ohne Weiteres zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels (Hk-ZPO/Gierl 5. Aufl., § 99 Rz. 10; vgl. BGH v. 15.1.1992 - XII ZB 135/91, NJW 1992, 1513, 1514). Ein Umgehungstatbestand (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.1975 - VI ZR 202/74, NJW 1976, 1267 m.w.N.) liegt hier nicht vor. Denn der Antragsgegner verfolgt mit der Anfechtung das legitime Ziel, vor dem Rechtsmittelgericht geltend zu machen, er habe die ihm auferlegte Verpflichtung bereits erfüllt. Demnach ist eine Beschwer gegeben.
Rz. 12
c) Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung in der Sache verwehrt, weil das OLG sich noch nicht mit den Einwendungen des Antragsgegners befasst hat. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache an das OLG zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 4711815 |
NJW 2013, 2437 |
EBE/BGH 2013 |
FamRZ 2013, 1218 |
FuR 2013, 522 |
JZ 2013, 511 |
MDR 2013, 865 |
AGS 2014, 28 |
FF 2013, 333 |
FamFR 2013, 326 |
FamRB 2014, 12 |