Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckung einer Forderung, die zur Leistung Zug um Zug gegen Herausgabe von Inhabeschuldverschreibungen verpflichtet. Tenorierung. Annahmeverzug bei Angebot von Inhaberschuldverschreibungen. Hauptzahlstelle. Anforderungen an Pfändungs- und Überweisungsbeschluss
Leitsatz (amtlich)
1. a) Die Vollstreckung wegen einer Forderung, die den Schuldner nur gegen Aushändigung einer Inhaberschuldverschreibung zur Leistung verpflichtet, fällt grundsätzlich nicht unter §§ 756, 765 ZPO.
b) Deshalb ist zu tenorieren, dass der Schuldner gegen Aushändigung der Inhaberschuldverschreibung zur Leistung verpflichtet ist.
c) In diesem Fall müssen dem Vollstreckungsgericht vor Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auch die Inhaberschuldverschreibungen vorgelegt werden.
2. Ist irrtümlich der Schuldner zu einer Leistung Zug um Zug gegen Herausgabe von Inhaberschuldverschreibungen verurteilt worden, so erfolgt die Vollstreckung in Anwendung von §§ 756, 765 ZPO.
3. Ist eine Hauptzahlstelle des Schuldners bei Fälligkeit zur Entgegennahme der Inhaberschuldverschreibungen ermächtigt, so gilt dies grundsätzlich auch im Falle der Zwangsvollstreckung.
Normenkette
ZPO §§ 756, 765; BGB § 797
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Parteien werden - unter Zurückweisung im Übrigen - die Beschlüsse des 26. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 9.8.2007 (26 W 48/07) und des AG Frankfurt/M. vom 2.2.2007 abgeändert.
Unter Zurückweisung der weitergehenden Erinnerung der Schuldnerin wird der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG Frankfurt/M. vom 24.5.2005 insoweit aufgehoben, als die Pfändung von "Inhaberschuldverschreibungen, die ggf. zum Zwecke der anstehenden Umschuldung oder zum Zwecke einer anderen Verwertung entweder körperlich oder effektive Stücke oder 'elektronisch' in Form von Buchwertanteilen an Globalurkunden von anderen Gläubigern zum Umtausch für neue Anleihen bereitgehalten von C. B. AG für den Schuldner oder von ihm beauftragte Dritte bereitgehalten werden", angeordnet wurde. In diesem Umfang wird der Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückgewiesen.
Von den Kosten des Erinnerungsverfahrens und der Rechtsmittelverfahren trägt die Schuldnerin 9/10 und der Gläubiger 1/10.
Gründe
I.
[1] Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin, die Republik A., die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil des LG F., durch das die Schuldnerin zur Zahlung von 112.995,51 EUR, zur Zahlung von 10.481,48 EUR und zur Zahlung von 6.495,96 EUR (insgesamt 129.972,95 EUR) an den Gläubiger, der Staatsanleihen der Schuldnerin gezeichnet hat, jeweils nebst Zinsen und Zug um Zug gegen Aushändigung von Inhaberschuldverschreibungen bzw. Zinsscheinen, verurteilt wurde. Das LG berichtigte später den Tenor dieses Urteils hinsichtlich der Zahlung von 6.495,96 EUR dahingehend, dass statt der Zinsscheine Nr. 6 solche mit der Nr. 7 vom Gläubiger herauszugeben sind.
[2] Der Gläubiger bot durch einen Gerichtsvollzieher die im Urteil aufgeführten Inhaberschuldverschreibungen und Zinsscheine am 23.5.2005 dem Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin, am 29.6.2006 der in den Anleihebedingungen bezeichneten Hauptzahlstelle der Schuldnerin und am 10.3.2007 der Gesandten der Schuldnerin an. Alle Angebotsempfänger erklärten, dass die Forderung nicht bezahlt werden könne. Der Prozessbevollmächtigte der Schuldnerin wies zusätzlich darauf hin, dass für die Entgegennahme nicht die Rechtsanwälte, sondern die jeweiligen Zahlstellen zuständig seien. Der Gerichtsvollzieher stellte in allen drei Fällen den Annahmeverzug der Schuldnerin fest.
[3] Auf Antrag des Gläubigers hat das AG - Vollstreckungsgericht - am 24.5.2005 die Pfändung von angeblichen Forderungen der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin wegen eines Teilbetrages i.H.v. 123.476,99 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 29.439,57 EUR und Vollstreckungskosten angeordnet und die Ansprüche an den Gläubiger überwiesen. In der Anlage zum Beschluss heißt es u.a.:
"Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss umfasst sämtliche Ansprüche gleich welcher Art wie z.B. Guthabenspositionen, Forderungen, Verbindlichkeiten oder auch Inhaberschuldverschreibungen, die ggf. zum Zwecke der anstehenden Umschuldung oder zum Zwecke einer anderen Verwertung entweder körperlich oder effektive Stücke oder "elektronisch" in Form von Buchwertanteilen an Globalurkunden von anderen Gläubigern zum Umtausch für neue Anleihen bereitgehalten von C. B. AG für den Schuldner oder von ihm beauftragte Dritte bereitgehalten werden."
[4] Auf Erinnerung der Schuldnerin hat das AG diesen Beschluss aufgehoben, da sich die Schuldnerin nicht im Annahmeverzug befinde. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Gläubigers hat zur Aufhebung des Beschlusses des AG und zur Zurückweisung der Erinnerung der Schuldnerin geführt. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin die Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses weiter.
II.
[5] Das Beschwerdegericht führt aus, die Schuldnerin sei zwar nicht durch das Angebot der Inhaberschuldverschreibungen an ihren Prozessbevollmächtigten, jedoch durch das nach Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erfolgte Angebot an ihre Hauptzahlstelle und durch deren Zahlungsverweigerung in Annahmeverzug gekommen. Der zunächst vorhandene Mangel sei damit geheilt. Die vollstreckbare Forderung sei als Teilbetrag hinreichend bestimmt, eine ausreichende Forderungsaufstellung aufgeschlüsselt nach Hauptsache und Zinsen liege vor. Die Nichtaufnahme des Berichtigungsbeschlusses in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss sei unschädlich, da nur der hiervon nicht betroffene Teil der titulierten Forderung Gegenstand der Vollstreckung sei. Schließlich sei die Pfändung des Herausgabeanspruchs hinsichtlich der Schuldverschreibungen nicht rechtsmissbräuchlich und der Anspruch nicht unpfändbar.
III.
[6] Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat nur einen geringfügigen Erfolg.
[7] 1. Zwar hätte über die in zulässiger Weise gem. § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO beim AG - Vollstreckungsgericht - eingelegte sofortige Beschwerde nicht das OLG, sondern das LG zu entscheiden gehabt. § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG ist hier nicht anzuwenden (vgl. BGH, Beschl. v. 25.10.2006 - VII ZB 24/06, MDR 2007, 487). Dies unterliegt aber nicht der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht (BGH, Beschl. v. 4.7.2007 - VII ZB 6/05, NJW-RR 2007, 1498).
[8] 2. Die Forderung, wegen derer der Gläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt, ist hinreichend bestimmt.
[9] Die Forderung des Gläubigers muss nach Hauptsache, Zinsen, Prozess- und Vollstreckungskosten zumindest bestimmbar dargestellt sein (BGH, Beschl. v. 27.6.2003 - IXa ZB 119/03, NJW-RR 2003, 1437). Dem genügt der Gläubiger mit seiner dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beigefügten Forderungsaufstellung. Von der Hauptforderung macht er einen Teilbetrag i.H.v. 123.476,99 EUR zzgl. Verzugszinsen i.H.v. 29.439,57 EUR und der entstehenden Vollstreckungskosten geltend. Der Teilbetrag setzt sich aus den zwei Hauptforderungen von 112.995,51 EUR und 10.481,48 EUR des der Vollstreckung zugrunde liegenden Urteils zusammen. Eine darüber hinausgehende Aufschlüsselung ist nicht erforderlich. Eine Gesamtabrechnung ist entbehrlich, weil der Anspruch tituliert ist und deshalb im titelschaffenden Verfahren bereits überprüft wurde (OLG Köln MDR 1982, 943). Eine zu verrechnende Zahlung seitens der Schuldnerin ist bislang unstreitig nicht erfolgt.
[10] 3. Unschädlich ist, dass die Tenorberichtigung bei der Bezeichnung des Vollstreckungstitels nicht erwähnt ist. Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass ohne Weiteres erkennbar ist, aus welchem Titel vollstreckt wird, zumal sich die Vollstreckung auf den nicht berichtigten Teil beschränkt.
[11] 4. Die Voraussetzungen des § 765 ZPO, der aufgrund der ausdrücklichen Zug-um-Zug-Verurteilung in dem der Vollstreckung zugrunde liegenden Urteil anwendbar ist, sind erfüllt.
[12] a) Die Vollstreckung wegen einer Forderung, die den Schuldner nur gegen Aushändigung einer Inhaberschuldverschreibung zur Leistung verpflichtet (§ 797 BGB), fällt grundsätzlich nicht unter §§ 756, 765 ZPO, da die Herausgabe des Papiers kein selbständiger Gegenanspruch, sondern eine besondere Ausgestaltung des Rechts auf Quittung ist (Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rz. 470a; MünchKomm/ZPO/Heßler, 3. Aufl., § 756 Rz. 9). Das Papier selbst hat keinen eigenen Vermögenswert, sondern ist ein Präsentations- und Einlösepapier (Soergel/Welter, BGB, 12. Aufl., § 797 Rz. 1). Deshalb ist nach § 797 BGB grundsätzlich zu tenorieren, dass der Schuldner gegen Aushändigung der Inhaberschuldverschreibung zur Leistung verpflichtet ist, womit für alle Beteiligten erkennbar ist, dass es sich nicht um eine Zug-um-Zug-Verurteilung im vollstreckungsrechtlichen Sinne handelt und § 765 ZPO damit keine Anwendung findet. Da der Schuldner nur gegen Aushändigung der Inhaberschuldverschreibungen zu leisten hat, müssen in diesem Fall dem Vollstreckungsgericht für den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses neben dem Vollstreckungstitel auch die Schuldverschreibungen vorgelegt werden (Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rz. 470a m.w.N.).
[13] Anders verhält es sich, wenn - wie hier - ausdrücklich zu einer Leistung Zug um Zug gegen Herausgabe von Inhaberschuldverschreibungen verurteilt wurde. Soweit vertreten wird, dass auch in diesem Fall eine Vollstreckung nicht von den Voraussetzungen der §§ 756, 765 ZPO abhängig sei, da allein die Tatsache entscheidend sei, dass sich der Anspruch bereits ohne besonderen Ausspruch direkt aus dem Gesetz ergebe (so OLG Frankfurt OLGZ 1981, 261, 263 f.; OLG Hamm, DGVZ 1979, 122, 123; Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rz. 470a; Musielak/Lackmann, ZPO, 5. Aufl., § 756 Rz. 2; Walker in: Schuschke/Walker, ZPO, 3. Aufl., § 756 Rz. 2), ist dem nicht zu folgen (wie hier Wolfsteiner in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 726 Rz. 21; Wieczorek/Schütze/Salzmann, ZPO, 3. Aufl., § 756 Rz. 3; ähnlich Treysse, DGVZ 1983, 36 f.). Die Zug-um-Zug-Leistung i.S.d. § 765 ZPO ist rein vollstreckungsrechtlich zu verstehen, unabhängig davon, ob materiell-rechtlich ein synallagmatisches Verhältnis besteht oder nicht. Im formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren ist grundsätzlich allein der Inhalt des Vollstreckungstitels maßgebend. Das Vollstreckungsorgan ist nicht befugt, in eigenmächtiger Abweichung vom Titel die Vollstreckung von der Vorlage von Urkunden abhängig zu machen. Die Frage, ob etwas Zug um Zug zu leisten ist, ist eine materiell-rechtliche Frage, die vom Prozessgericht und nicht vom Vollstreckungsorgan zu entscheiden ist. Es ist nicht Aufgabe des Vollstreckungsorgans, dies im Detail zu prüfen und die eigene Entscheidung über diejenige des Prozessgerichts zu stellen. Sollte - wie hier - im Tenor irrtümlicherweise eine Zug-um-Zug-Verurteilung ausgesprochen sein, obwohl sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, dass das Gericht die Aushändigungspflicht nach § 797 BGB meinte, käme möglicherweise eine Berichtigung des Urteils nach § 319 ZPO in Betracht. Solange diese nicht erfolgt ist, ist vollstreckungsrechtlich § 765 ZPO anzuwenden.
[14] b) Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass sich die Schuldnerin im Annahmeverzug befindet.
[15] aa) Die jeweilige Feststellung des Gerichtsvollziehers in den Protokollen, dass die Schuldnerin sich im Annahmeverzug befinde, ist für das Vollstreckungsgericht nicht bindend. Die Feststellung des Annahmeverzugs ist eine rechtliche Frage, die durch das Vollstreckungsgericht zu prüfen ist (Musielak/Lackmann, ZPO, 5. Aufl., § 765 Rz. 2; MünchKomm/ZPO/Heßler, 3. Aufl., § 765 Rz. 10 m.w.N.).
[16] bb) Nicht ausreichend war das Angebot der Inhaberschuldverschreibungen an den von der Schuldnerin im Erkenntnisverfahren bevollmächtigten Rechtsanwalt, da dieser zur Entgegennahme der Papiere nicht ermächtigt war. Insbesondere ergibt sich eine derartige Bevollmächtigung nicht aus der Prozessvollmacht des Rechtsanwalts (§ 81 ZPO). Der Prozessbevollmächtigte hat keine Befugnis, für seine Partei die streitgegenständliche Leistung oder andere Leistungen - auch nicht im Zwangsvollstreckungsverfahren - anzunehmen (Musielak/Weth, ZPO, 5. Aufl., § 81 Rz. 10; MünchKomm/ZPO/v. Mettenheim, 3. Aufl., § 81 Rz. 12, 16; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 81 Rz. 22). Vielmehr bedarf es dazu einer besonderen Ermächtigung durch die Partei. Nichts anderes gilt für die Annahme der im Rahmen einer Zug-um-Zug-Vollstreckung angebotenen Leistung durch den Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin. Eine solche besondere Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten ist nicht dargetan.
[17] cc) Auch das Angebot der Inhaberschuldverschreibungen an die Gesandte war zur Begründung des Annahmeverzugs nicht geeignet. Eine Ermächtigung der Gesandten zur Entgegennahme der Papiere ist nicht ersichtlich. Als diplomatische Vertreterin der Schuldnerin ist die Gesandte dafür zuständig, den politischen Verkehr zwischen den Regierungen des eigenen und des fremden Staates zu vermitteln.
[18] dd) Die Schuldnerin ist jedoch durch das Angebot der Inhaberschuldverschreibungen an die Hauptzahlstelle in Annahmeverzug gekommen. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Hauptzahlstelle sei zur Entgegennahme der Inhaberschuldverschreibungen nicht ermächtigt gewesen.
[19] (1) Ein Annahmeverzug der Schuldnerin setzt nach §§ 293 ff. BGB voraus, dass die Zug um Zug herauszugebenden Inhaberschuldverschreibungen ihr oder einem empfangsberechtigten Vertreter (Ernst in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 293 Rz. 14) angeboten worden sind. Weigert sich der Vertreter, die Leistung entgegenzunehmen, so ist das Angebot der Schuldnerin jedenfalls dann in einer den Annahmeverzug begründenden Weise zugegangen, wenn diese den Vertreter durch Erklärung ggü. dem Gläubiger zur Empfangnahme ermächtigt hat (Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl., § 293 Rz. 7).
[20] (2) Das Beschwerdegericht hat § 4 der den Inhaberschuldverschreibungen unstreitig zugrunde liegenden Anleihebedingungen zu Recht die Empfangsberechtigung der Hauptzahlstelle entnommen.
[21] Der Umfang einer Vollmacht richtet sich nach dem geäußerten Willen des Vertretenen. Bei Zweifeln ist der Umfang durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln (BGH, Urt. v. 9.7.1991 - XI ZR 218/90, NJW 1991, 3141). Maßgebend ist, wie der Gläubiger das Verhalten der Schuldnerin als Vollmachtgeberin verstehen durfte. Bei einer nach außen kundgegebenen oder einer in einer Urkunde verlautbarten Vollmacht kommt es auf die Verständnismöglichkeit des Erklärungsempfängers, bei einer Vielzahl von Personen auf die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Beteiligten an (Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 167 Rz. 5).
[22] Nach § 4 Abs. 1 und 3 der Anleihebedingungen sind Zahlungen auf die Schuldverschreibungen und Zinsscheine u.a. bei der Hauptzahlstelle zu leisten und dieser die fälligen Schuldverschreibungen zusammen mit allen Zinsscheinen auszuhändigen. Dies durfte der Gläubiger so verstehen, dass die Hauptzahlstelle diejenige ist, die für die Inhaberschuldverschreibungen und die damit verbundenen Maßnahmen zuständig und insoweit von der Schuldnerin bevollmächtigt ist. So hat beispielsweise auch die Kündigung ggü. der Hauptzahlstelle als Vertreterin der Schuldnerin zu erfolgen (§ 8 Abs. 1 und 2 der Anleihebedingungen). Die Schuldverschreibungen und Zinsscheine sowie die Rechte und Pflichten der Inhaber von Schuldverschreibungen und Zinsscheinen, der Schuldnerin und der Hauptzahlstelle aus diesen Papieren sollen sich "in jeder Hinsicht" nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland bestimmen (§ 11 Abs. 1); Erfüllungsort soll F. sein (§ 11 Abs. 3), die Schuldnerin hat sich der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen und auf den Einwand der örtlichen Unzuständigkeit verzichtet (§ 11 Abs. 4) und schließlich sollen deutsche Gerichte für die Kraftloserklärung abhandengekommener oder vernichteter Schuldverschreibungen zuständig sein (§ 11 Abs. 6 der Anleihebedingungen). Hieraus folgt, dass die Abwicklung des gesamten Anleihegeschäfts in Deutschland erfolgen sollte und zwar auch im Falle der gerichtlichen Durchsetzung von berechtigten Ansprüchen der Inhaber der Schuldverschreibungen, weshalb nach dem Verständnis eines durchschnittlichen beteiligten Gläubigers davon ausgegangen werden muss, dass die Hauptzahlstelle umfassend empfangsberechtigt war.
[23] Soweit die Rechtsbeschwerde sich darauf beruft, dass die Anleihebedingungen nur die ursprüngliche Zahlungsabwicklung im Rahmen der regulären Anleihen abdecken und sich nicht auf die Entgegennahme der Papiere im Rahmen der Zwangsvollstreckung erstrecken, ist eine derartige Einschränkung den Anleihebedingungen nicht zu entnehmen. Ist die Hauptzahlstelle bei Fälligkeit zur Entgegennahme der Schuldverschreibungen ermächtigt, muss sie dies erst recht im Falle der Zwangsvollstreckung sein, der - über die Fälligkeit hinaus - ein vollstreckbarer Titel über die Zahlungspflicht der Schuldnerin zugrunde liegt.
[24] (3) Unschädlich ist, dass die Schuldnerin durch das Angebot der Inhaberschuldverschreibungen an die Hauptzahlstelle erst nach Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in Annahmeverzug gekommen ist. Ein Verstoß gegen § 765 ZPO führt nicht zur Nichtigkeit der Vollstreckungsmaßnahme, sondern lediglich zu deren Anfechtbarkeit. Dieser Mangel kann durch Nachholung - auch noch im Erinnerungs- bzw. Beschwerdeverfahren - geheilt werden (MünchKomm/ZPO/Heßler, 3. Aufl., § 765 Rz. 12 f.; Walker in: Schuschke/Walker, ZPO, 3. Aufl., § 766 Rz. 27 m.w.N.).
[25] 5. Im Ergebnis zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde die Pfändung von Herausgabeansprüchen bezüglich Inhaberschuldverschreibungen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Pfändung sittenwidrig oder rechtsmissbräuchlich ist. Sie ist zumindest mangels Bestimmtheit der gepfändeten Ansprüche unwirksam.
[26] Der Pfändungsbeschluss muss die Anordnung und den Umfang der Pfändung klar und bestimmt darstellen (Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 829 Rz. 8). Er muss insb. die zu pfändende Forderung bzw. den zu pfändenden Anspruch des Schuldners gegen den Drittschuldner so bestimmt bezeichnen, dass feststeht, welcher Anspruch Gegenstand der Zwangsvollstreckung ist (BGH, Urt. v. 29.11.1984 - X ZR 39/83, BGHZ 93, 82). Daran fehlt es vorliegend. Soweit es im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss heißt, dass er "sämtliche Ansprüche gleich welcher Art wie z.B. Guthabenspositionen, Forderungen, Verbindlichkeiten oder auch Inhaberschuldverschreibungen, die ggf. zum Zwecke der anstehenden Umschuldung oder zum Zwecke einer anderen Verwertung entweder körperlich oder effektive Stücke oder 'elektronisch' in Form von Buchwertanteilen an Globalurkunden von anderen Gläubigern zum Umtausch für neue Anleihen bereitgehalten von C. B. AG für den Schuldner oder von ihm beauftragte Dritte bereitgehalten werden", umfasst, bleibt unklar, welche Art von Ansprüchen im Hinblick auf Inhaberschuldverschreibungen gepfändet wird. Es könnten sowohl Inhaberschuldverschreibungen selbst als auch diesbezügliche Herausgabeansprüche gemeint sein. Darüber hinaus bleibt im Hinblick auf die Formulierung unklar, welche Inhaberschuldverschreibungen gemeint sein sollen. Soweit diese Unbestimmtheit reicht, ist der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss unwirksam (Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 829 Rz. 41).
[27] Die Rechtsbeschwerde ist dementsprechend hinsichtlich der Pfändung von "Ansprüchen wie Inhaberschuldverschreibungen" begründet; der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist insoweit aufzuheben. Der hierauf gerichtete Antrag ist zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 2027972 |
BGHZ 2009, 178 |
NJW 2008, 3144 |
BGHR 2008, 1196 |
EBE/BGH 2008 |
JurBüro 2008, 608 |
WM 2008, 1656 |
ZIP 2008, 2382 |
AnwBl 2008, 242 |
MDR 2008, 1182 |
Rpfleger 2008, 648 |
VE 2009, 5 |
VE 2009, 7 |