Entscheidungsstichwort (Thema)
Werklohn. Mehrkosten für die Fertigstellung des Bauvorhabens. Kündigung, Wichtiger Grund. Zur Aufrechnung gestellte Forderungen. Versäumte Ausübung der Hinweispflicht des Gerichts. Richterliche Hinweispflicht
Leitsatz (redaktionell)
1. Sofern das Gericht Parteivortrag zu Unrecht nach § 528 Abs. 2 ZPO a F. ausschließt, liegt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor.
2. Sofern das Gericht seiner Hinweispflicht nach § 139 ZPO nicht nachkommt, liegt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor.
Normenkette
ZPO §§ 528, 544
Verfahrensgang
OLG Köln (Entscheidung vom 09.02.2005; Aktenzeichen 11 U 110/00) |
LG Bonn (Entscheidung vom 31.03.2000; Aktenzeichen 10 O 466/97) |
Gründe
I. Die Beklagten beauftragten die Klägerin mit dem Umbau und der Sanierung ihres Wohnhauses in B. zum Pauschalpreis von 445.000 DM; die VOB/B war vereinbart. Während der Ausführung der Arbeiten kündigten sie den Vertrag, wobei streitig war, ob ein wichtiger Grund zur Kündigung vorlag.
Die Klägerin hat für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen restlichen Werklohn gefordert. Die Beklagten haben demgegenüber mit behaupteten Mehrkosten für die Fertigstellung zuletzt in Höhe von 89.827,70 DM (= 45.928,17 EUR) aufgerechnet. Das Landgericht hat die Klage zunächst durch Versäumnisurteil abgewiesen. Auf den Einspruch der Klägerin hat es die Beklagten gemäß §§ 631, 649 BGB zur beantragten Zahlung verurteilt. Die Berufung der Beklagten hat zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht geführt. Dieses hat alsdann sein klageabweisendes Versäumnisurteil mangels prüffähiger Rechnung der Klägerin über die erbrachten Leistungen aufrechterhalten. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage in Höhe von 31.197,16 EUR und Zinsen stattgegeben; die Aufrechnung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Die Revision ist nicht zugelassen worden. Durch Ergänzungsurteil hat das Berufungsgericht auf Antrag der Beklagten die Vollstreckbarkeitsentscheidung des ersten Urteils durch eine Abwendungsbefugnis ergänzt und die im Wege der Urteilsberichtigung beantragte Korrektur seiner Zinsentscheidung zurückgewiesen. Gegen beide Urteile richten sich die Nichtzulassungsbeschwerden der Beklagten.
II. A. Die Verfahren VII ZR 67/05 und VII ZR 90/05 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden (§ 147 ZPO).
B. Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Ergänzungsurteil ist schon deshalb nicht zulässig, da der Wert der Beschwer der Beklagten, die ausschließlich in der Ablehnung der Korrektur der Zinsentscheidung liegt, 20.000 EUR nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO) und daher eine selbständige Anfechtung nicht statthaft ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2000 - VI ZR 2/00, BGHR ZPO § 321 Abs. 1). Hinsichtlich des Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit enthält das Ergänzungsurteil keine die Beklagten belastende Entscheidung. Insoweit wird es mit der Aufhebung des Berufungsurteils aus den nachfolgenden Gründen gegenstandslos.
C. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil vom 9. Februar 2005 hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zum Nachteil der Beklagten über die zur Aufrechnung gestellten Forderungen entschieden worden ist, und im Umfang der Aufhebung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht führt zur Aufrechnung der Beklagten aus, diese hätten die Mehrkosten für die Fertigstellung ihres Bauvorhabens in ihrer Klageerwiderung nicht schlüssig dargelegt. Die ergänzenden Ausführungen der Beklagten im Laufe des erneuten Berufungsverfahrens seien gemäß § 528 Abs. 2 ZPO a.F. nicht zu berücksichtigen. Die Zulassung des neuen Sachvortrages würde zu einer Verzögerung im Rahmen der bereits angeordneten und noch andauernden Begutachtung durch den Sachverständigen O. führen, da zu dem neuen Sachverhaltskomplex vorab jedenfalls die Vernehmung eines Zeugen veranlasst wäre. Die Beklagten hätten den hinreichend substantiierten Sachvortrag aus grober Nachlässigkeit unterlassen. Die Klägerin habe den erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten zur Aufrechnung alsbald als nicht schlüssig gerügt. Zusätzliche gerichtliche Hinweise seien nicht notwendig gewesen, da es für die anwaltlich vertretenen Beklagten offensichtlich gewesen sei, dass ihr erstinstanzlicher Sachvortrag durchgreifenden Schlüssigkeitsbedenken habe begegnen müssen.
2. Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Beklagten zu Unrecht nach § 528 Abs. 2 ZPO a.F. ausgeschlossen und damit ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so dass das angefochtene Urteil, soweit über die zur Aufrechnung gestellten Forderungen zu ihrem Nachteil entschieden worden ist, gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben ist.
a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts haben die Beklagten nicht grob nachlässig erst im zweiten Rechtszug hinreichend substantiiert zu den Mehrkosten für die Fertigstellung ihres Bauvorhabens vorgetragen. Grobe Nachlässigkeit scheidet aus, wenn die Verspätung durch eine versäumte Ausübung der Hinweispflicht des Gerichts mit verursacht worden ist (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 528 Rdn. 24 m.w.N.). Das ist hier der Fall.
aa) Das Vorbringen der Beklagten in ihrer Klageerwiderung war nicht hinreichend substantiiert. Die Beklagten haben ihren Vortrag zu den Mehrkosten zum Teil mit Rechnungen belegt, die einen Bezug zu den von der Klägerin zu erbringenden Leistungen nicht erkennen ließen. Das Landgericht hat sich in seinen Entscheidungen mit der Aufrechnung der Beklagten nicht befassen müssen, da diese Frage von seinem Standpunkt aus nicht entscheidungserheblich war.
bb) Zu Recht rügt die Beschwerde, das Berufungsgericht habe seiner richterlichen Hinweispflicht nicht genügt. Nach § 139 ZPO hat das Gericht darauf hinzuwirken, dass die Parteien sich über alle erheblichen Tatsachen vollständig erklären und sachdienliche Anträge stellen, insbesondere auch ungenügende Angaben der geltend gemachten Tatsachen ergänzen und Beweismittel bezeichnen. Es muss die Parteien auf den fehlenden Sachvortrag, den es als entscheidungserheblich ansieht, unmissverständlich hinweisen und ihnen die Möglichkeit eröffnen, ihren Vortrag sachdienlich zu ergänzen. Diese Hinweispflicht besteht grundsätzlich auch in Prozessen, in denen die Partei durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird, jedenfalls dann, wenn der Prozessbevollmächtigte die Rechtslage erkennbar falsch beurteilt (BGH, Urteile vom 25. Juni 2002 - X ZR 83/00, NJW 2002, 3317, 3320 und vom 11. Februar 1999 - VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365).
Dieser Hinweispflicht hat das Berufungsgericht nicht genügt. Vielmehr hat es bereits in seiner ersten Entscheidung, mit der es das klagezusprechende Urteil des Landgerichts aufgehoben hatte, für das weitere Verfahren darauf hingewiesen, dass der von den Beklagten zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzanspruch begründet sein könne. Nachdem das Landgericht die Klage mangels Prüfbarkeit der Rechnung erneut abgewiesen hatte, bestand aufgrund der zumindest missverständlichen Ausführung des Berufungsgerichts für das weitere Verfahren eine gesteigerte Verpflichtung, nunmehr selbst rechtzeitig auf die fehlende Schlüssigkeit des Vortrags der Beklagten zu den zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen hinzuweisen.
b) Die fehlerhafte Präklusionsentscheidung des Berufungsgerichts begründet einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör, Art. 103 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. April 1992 - I BvR 1097/91, NJW 1992, 2587), der eine Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 544 Abs. 7 ZPO rechtfertigt.
Fundstellen