Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinsame Versteigerung von Bruchteilen eines Gebäudeeigentums nach Gesamt-, Gruppen- und Einzelausgeboten. Einheitliche Verkündung des Endes der Versteigerung für alle Aufgebotsarten
Leitsatz (amtlich)
Versteigert der Rechtspfleger in demselben Verfahren mehrere Grundstücksbruchteile nach Gesamt-, Gruppen- und Einzelausgeboten, so verstößt er gegen § 73 Abs. 1 Satz 2 ZVG, wenn er das jeweils abgegebene höchste Gesamt- oder Gruppenausgebot durch dreimaligen Aufruf verkündet und nach Eintrag der genauen Uhrzeit im Protokoll insoweit die Versteigerung schließt. Wegen eines solchen Verfahrensfehlers ist der Zuschlag zu versagen.
Normenkette
ZVG §§ 18, 63, 73 Abs. 1 S. 2, § 83 Nr. 7
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 25.07.2002) |
AG Hamburg (Beschluss vom 06.06.2002) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2. werden die Beschlüsse der 28. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 25. Juli 2002 – soweit die Rechtsbeschwerde zugelassen wurde – und des Amtsgerichts Hamburg vom 6. Juni 2002 aufgehoben.
Der Zuschlag auf das Meistgebot des Beteiligten zu 3. im Zwangsversteigerungstermin vom 3. Juni 2002 wird unter Aufhebung des Bietverfahrens versagt.
Tatbestand
I.
Das Amtsgericht – Vollstreckungsgericht – versteigerte auf Antrag der Beteiligten zu 4., einer Sparkasse, am 3. Juni 2002 zwei dem Beteiligten zu 1. gehörenden Eigentumswohnungen, die im Grundbuch als selbständige Bruchteilseigentums- und Sonderrechte (Stellplätze) eingetragen sind. Gegen das vom Rechtspfleger beschlossene Verfahren für die Versteigerung sowohl nach Gesamt-, Gruppen- und Einzelausgeboten legte die Beteiligte zu 2. (Berechtigte eines in Abteilung II des Grundbuchs eingetragenen Wohnungsrechts nach § 1093 BGB und Mieterin beider Wohnungen, die durch bauliche Veränderungen zu einer Wohnung zusammengefaßt wurden) Erinnerung ein. Dieser half der Rechtpfleger nicht ab. Das Amtsgericht wies die Erinnerung mit Beschluß vom 5. Juni 2002 zurück. Der Rechtspfleger erteilte mit Beschluß vom 6. Juni 2002 dem Beteiligten zu 3. den Zuschlag auf das Meistgebot in den Einzelausgeboten. Die Beteiligte legte gegen den Zuschlagsbeschluß und den Beschluß des Amtsgerichts vom 5. Juni 2002 sofortige Beschwerde ein. Das Landgericht wies die sofortigen Beschwerden zurück. Gegen diesen Beschluß wendet sich die Beteiligte mit ihrer Rechtsbeschwerde. Das Landgericht hat die Rechtsbeschwerde nur zugelassen, soweit der Zuschlagsbeschluß angefochten worden ist.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, § 575 ZPO) und auch im übrigen zulässig (§§ 9, 95, 97, 100 ZVG). Das Rechtsmittel ist begründet.
1. Die Beschwerdeführerin rügt, der Rechtspfleger habe die Versteigerung nicht gleichzeitig nach Gesamt-, Gruppen- und Einzelausgeboten durchführen dürfen. Ihm sei bei der „Abschichtung” der Gebotsarten ein Verfahrensfehler unterlaufen. Er habe die Versteigerung entgegen § 73 Abs. 1 Satz 2 ZVG nicht einheitlich geschlossen, sondern für das Gesamtausgebot den vorzeitigen Schluß der Versteigerung verkündet. Deshalb sei ihr die Möglichkeit genommen worden, ihr Gesamtausgebot nach Abgabe der Einzelausgebote und Verkündung des Meistgebots zu erhöhen. Dieser Verfahrensfehler führe zur Unwirksamkeit des Zuschlagsbeschlusses (§ 83 Nr. 7 ZVG).
2. Nach dem Versteigerungsprotokoll beantragte die Beteiligte zu 4. im Termin vor der Aufforderung zur Abgabe der Gebote ein Gesamtausgebot unter Verzicht auf Einzelausgebote. Dem widersprach die Beschwerdeführerin, die allein die Versteigerung nach Einzelausgeboten für angezeigt hielt. Die Beteiligte zu 4. beantragte danach auch die Zulassung eines Gruppenausgebots. Der Rechtspfleger legte deshalb in den Versteigerungsbedingungen fest, daß die Objekte gleichzeitig nach allen Ausgebotsarten auszubieten seien. Um 10.12 Uhr forderte er zunächst zur Abgabe von Gesamtausgeboten auf. Nachdem der Rechtspfleger das höchste Gesamtausgebot festgestellt hatte, verkündete er das Meistgebot durch dreimaligen Aufruf; ein weiteres Gebot auf dieses Gesamtgebot wurde nicht mehr angegeben. Um 12.25 Uhr wurde dann für das Gesamtausgebot die Versteigerung geschlossen. Er gab die geleisteten Sicherheiten zurück. Auch für die zwei Gruppenausgebote, die jeweils aus einem Wohnungs- und einem dazugehörigen Teileigentumsrecht bestanden, stellte der Rechtspfleger jeweils die höchsten Gebote fest; insoweit schloß er die Versteigerung um 12.55 Uhr. Im Anschluß daran ließ der Rechtspfleger für jedes der Wohnungs- und Teileigentumsrechte Einzelausgebote abgeben. Auch insoweit verkündete er jeweils durch dreimaligen Aufruf das höchste Gebot und hielt im Protokoll für jedes Einzelgebot die genaue Uhrzeit fest, zu der „die Versteigerung geschlossen” wurde. Auch die Beschwerdeführerin erhielt ihre Sicherheiten zurück. Der Ersteher beantragte die sofortige Zuschlagserteilung, da die Summe der Einzelausgebote höher lag, als das Gesamtausgebot und die Gruppenausgebote. Dem widersprach die Beschwerdeführerin mit der Begründung, das Zwangsversteigerungsverfahren sei in der durchgeführten Form rechtswidrig.
Der Rechtspfleger gab zum Zuschlagsbeschluß vom 6. Juni 2002 zusätzliche Erläuterungen dahin ab, er habe Gebotsarten einzeln nacheinander aufgerufen und habe die Bieter innerhalb der verschiedenen Gebotsarten bei Abgabe eines jeden Gebots über die Höhe des jeweiligen Meistgebots unterrichtet. Nach Beendigung der Gesamt- und der Gruppenausgebote habe gegenüber den Bietern noch keine Aussage über das endgültige Meistgebot gemacht werden können, da einzeln noch nicht ausgeboten gewesen sei, was zu einem höheren Meistgebot hätte führen können.
3. Das vom Rechtspfleger gewählte Verfahren hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil er die Versteigerung nicht einheitlich geschlossen hat (§ 73 Abs. 1 Satz 2 ZVG).
a) Das Zwangsversteigerungsgesetz schreibt nicht vor, in welcher Reihenfolge die Gebote abzugeben sind, wenn in der Zwangsversteigerung nach § 18 ZVG verbundene Grundstücke oder Bruchteile eines Gebäudeeigentums gemeinsam versteigert werden. Die verschiedenen Ausgebotsmöglichkeiten haben den Zweck, ein möglichst hohes Meistgebot zu erreichen. Das Zwangsversteigerungsgesetz räumt der Einzelausbietung insoweit einen Vorrang ein, als es davon ausgeht, hier werde in der Regel das höchste Gebot erzielt (Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth, ZVG 12. Aufl. § 63 Rn. 1). Dem Gesamt- und dem Gruppenausgebot liegt der Gedanke zugrunde, das Bietinteresse werde zunehmen, wenn wirtschaftlich zusammengehörende Einheiten insgesamt ausgeboten werden. Nach § 63 Abs. 3 Satz 2 ZVG soll wegen des Vorrangs der Einzelausgebote der Zuschlag auf das Gesamtausgebot nur erteilt werden, wenn das dort erzielte Meistgebot höher ist als das Gesamtergebnis der Einzelausgebote. Das kann aber nur bedeuten, daß bei gleichzeitiger Versteigerung das Vollstreckungsgericht jedem Bieter alle Ausgebotsarten bis zum Schluß der Versteigerung offen halten muß. Dies schließt den vorzeitigen Schluß einer der Gebotsarten vor Ende der Versteigerung aus (Stöber, ZVG, 17. Aufl. § 73 Rn. 2, 2.7.). Nur wenn der Schluß der Versteigerung einheitlich verkündet wird, ist sichergestellt, daß den Bietinteressenten bis zum Schluß der Versteigerung die Möglichkeit bleibt, durch Abgabe von höheren Geboten in allen Gebotsarten das Versteigerungsergebnis entsprechend ihrer Interessenlage zu beeinflussen.
b) Diesem Erfordernis ist das Amtsgericht bei dem von ihm gewählten Verfahren nicht vollständig gerecht geworden. Versteigert der Rechtspfleger – wie hier – in demselben Verfahren mehrere Grundstücksbruchteile auf Antrag eines Beteiligten gleichzeitig nach Gesamt-, Gruppen- und Einzelausgeboten (§§ 18, 63 Abs. 1 Satz 2 ZVG), liegt ein Verfahrensfehler nach § 83 Nr. 7 ZVG vor, wenn er das jeweils abgegebene höchste Gesamt- oder Gruppenausgebot durch dreimaligen Aufruf verkündet und nach Eintrag der genauen Uhrzeit ins Protokoll insoweit die Versteigerung schließt. Er verstößt damit gegen § 73 Abs. 1 Satz 2 ZVG, wonach der Schluß für alle Ausgebotsarten einheitlich erfolgen muß. Die vom Rechtspfleger für die Gesamt- und Gruppenausgebote im Versteigerungsprotokoll dreimal aufgerufenen höchsten Gebote und die genau niedergelegten Zeiten für den Schluß dieser Gebotsarten sind nur dahin zu verstehen, daß er insoweit jeweils den vorzeitigen und damit endgültigen Schluß der Versteigerung formell beschlossen hat. Dem Versuch des Landgerichts, mit Hilfe der Erläuterungen zum Zuschlagsbeschluß das Versteigerungsprotokoll dahin auszulegen, der Rechtspfleger habe sich trotz des formellen Abschlusses der Gesamt- und Gruppenausgebote nicht an der Entgegennahme weiterer Angebote gehindert gesehen, widerspricht nicht nur der klare Wortlaut des Protokolls. Darüber hinaus hatte der Rechtspfleger den unterlegenen Bietern jeweils auch ihre Sicherheiten zurückgegeben. Schließlich fehlt im Versteigerungsprotokoll der Vermerk nach § 73 Abs. 1 Satz 2 ZVG, der Rechtspfleger habe nach Abgabe der Einzelausgebote und der Ermittlung des Meistgebots die Bieter abschließend aufgefordert, weitere Gebote abzugeben.
4. Nach allem kann die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde keinen Bestand haben. Erachtet das Rechtsbeschwerdegericht – als Beschwerdegericht im Sinne von § 101 Abs. 1 ZVG (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 128 zu Artikel 9 Vorspann) – aufgrund eines Verfahrensfehlers nach § 83 Nr. 7 ZVG die Zuschlagsbeschwerde für begründet, so hat es nach § 577 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 ZPO unter Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse in der Sache selbst zu entscheiden und den Zuschlag zu versagen.
Unterschriften
Kreft, Raebel, Athing, Boetticher, Kessal-Wulf
Fundstellen
Haufe-Index 939568 |
NJW 2003, 2753 |
BGHR 2003, 909 |
EBE/BGH 2003, 187 |
NJW-RR 2003, 1077 |
KTS 2003, 701 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2003, 1181 |
ZAP 2003, 946 |
ZfIR 2003, 743 |
InVo 2003, 451 |
MDR 2003, 1074 |
Rpfleger 2003, 452 |
BKR 2003, 539 |
RENOpraxis 2004, 40 |
ZBB 2003, 301 |