Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Nicht zu ersetzender Nachteil. Berufungsinstanz. Vollstreckungsschutzantrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil des Berufungsgerichts einstweilen einzustellen, setzt voraus, dass die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht.
2. Ein nicht zu ersetzender Nachteil setzt voraus, dass in der Berufungsinstanz ein Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO gestellt worden ist.
Normenkette
ZPO §§ 544, 719, 712
Verfahrensgang
Gründe
I. Der Beklagte ist vom Amtsgericht Essen zur Räumung und Herausgabe seiner Wohnung verurteilt worden. Seine dagegen gerichtete Berufung hat das Landgericht Essen durch Urteil vom 4. März 2004, dem Beklagten zustellt am 7. Mai 2004, zurückgewiesen, ihm eine Räumungsfrist bis zum 31. Mai 2004 bewilligt und die Revision nicht zugelassen. Gegen letzteres wendet sich der Beklagte, vertreten durch seinen Prozeßbevollmächtigten II. Instanz, mit einer am 26. Mai 2004 erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde. Gleichzeitig hat er beantragt, ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und die Vollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Essen bis zur Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde einstweilen einzustellen.
II. 1. Der Antrag des Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 544 Abs. 5 Satz 2, § 719 Abs. 2 ZPO ist unzulässig, weil der Beklagte entgegen § 78 Abs. 1 Satz 4 ZPO nicht von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten wird (BGH, Beschluß vom 6. Mai 2004, V ZA 4/04). § 719 Abs. 2 ZPO und § 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO setzen ein Revisions- bzw. Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren voraus, in dem sich die Parteien durch Rechtsanwälte vertreten lassen müssen, die beim Bundesgerichtshof zugelassen sind.
Ob das Begehren des Beklagten deshalb als Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe - auch - für die Stellung eines Antrags auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung auszulegen ist (vgl. Senatsbeschluß vom 14. Dezember 1994, VIII ZR 85/94 - juris) und ob die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung über den Wortlaut von § 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO und § 719 Abs. 2 ZPO hinaus zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes bereits während der Dauer des Verfahrens auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für eine von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde zulässig sein kann (ablehnend BGH, Beschluß vom 22. Februar 2001, I ZA 1/01 - juris, für den Prozeßkostenhilfeantrag vor Einlegung der Revision; offengelassen in BGH, Beschluß vom 6. Mai 2004, V ZA 4/04), bedarf keiner Entscheidung.
2. Denn der Antrag des Beklagten ist darüber hinaus in jedem Fall unbegründet. Die Anordnung des Revisionsgerichts, die Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil des Berufungsgerichts einstweilen einzustellen, setzt voraus, daß die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 519 Abs. 5 Satz 2, § 719 Abs. 2 ZPO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich der Schuldner allerdings nur dann darauf berufen, die Zwangsvollstreckung bringe ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil, wenn er in der Berufungsinstanz einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO gestellt hat. Hat der Schuldner dies versäumt, kommt eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nicht in Betracht. Eine Ausnahme gilt allenfalls dann, wenn es dem Schuldner im Berufungsverfahren aus besonderen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar war, einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO zu stellen (zuletzt Beschluß vom 6. Mai 2004, V ZA 4/04 unter II 2 b; Senatsbeschluß vom 14. Oktober 2003, VIII ZR 121/03, WuM 2003, 710, und vom 19. August 2003, VIII ZR 188/03, WuM 2003, 637).
Hier hat der Beklagte in der Berufungsinstanz keinen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO gestellt. Dafür, daß ihm dies nicht möglich oder zumutbar war, ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich. Einstellungsgründe, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch nicht vorlagen oder aus anderen Gründen nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht werden konnten, macht der Beklagte nicht geltend.
Fundstellen