Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtliches Gehör. Angriffsmittel. Vertrag. Kündigung. Abrechnung. Gesamtabrechnung. Abschlagsrechnung. Überzahlung

 

Leitsatz (redaktionell)

Hat das Gericht den Vortrag des Klägers nicht zur Kenntnis genommen und berücksichtigt, wonach der Kläger eine Gesamtabrechnung der von dem Beklagten erbrachten Leistungen vorgenommen hat, so liegt hierin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

 

Normenkette

GG Art. 103; ZPO § 531 Abs. 2, § 544 Abs. 7

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 22.04.2004; Aktenzeichen 4 U 146/02)

 

Tenor

Der Beschwerde der Klägerin wird stattgegeben.

Das Urteil des 4. Zivilsenats des KG v. 22.4.2004 wird gem. § 544 Abs. 7 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage wegen des Anspruchs auf Zahlung von 81.775,62 EUR (159.939,21 DM) und Zinsen und auf Zahlung eines erststelligen Teilbetrags von 12.816,63 EUR (25.067,15 DM) und Zinsen abgewiesen ist.

Insoweit wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 94.592,25 EUR

 

Gründe

Das Urteil des Berufungsgerichts beruht auf einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 GG.

1. Zu Unrecht geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Klägerin ein neues Angriffsmittel geltend macht, indem sie eine Überzahlung von 159.939,21 DM behauptet. Bereits in erster Instanz ist die Klage auf eine entsprechende Überzahlung gestützt worden.

Zu Unrecht weist das Berufungsgericht die Klage ab, weil die Überzahlung als isolierte Rechnungsposition geltend gemacht werde. Richtig ist zwar, dass die Klägerin ihren Anspruch auf eine Gesamtabrechnung nach der erfolgten Kündigung stützen muss (BGH, Urt. v. 24.1.2002 - VII ZR 196/00, BGHReport 2002, 574 = MDR 2002, 812 = BauR 2002, 938 = ZfBR 2002, 473 = NZBau 2002, 329; Urt. v. 11.2.1999 - VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365 [374 f.] = MDR 1999, 671). Das Berufungsgericht hat jedoch den Vortrag der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen und berücksichtigt, wonach die Klägerin eine Gesamtabrechnung der von dem Beklagten erbrachten Leistungen vorgenommen hat.

Die Klägerin hat bereits in erster Instanz vorgetragen, sie habe zehn Abschlagsrechnungen des Beklagten erhalten. Die 10. Abschlagsrechnung gebe den Bearbeitungsstand zum Zeitpunkt der Kündigung wieder. Sie habe diese Rechnung gekürzt, so dass sich wegen dieser Kürzung eine Überzahlung von 4.144,11 DM ergebe. Außerdem ergebe sich eine Überzahlung aller Positionen, in denen eine Vergütung für die Anschaffung der Steine erfolgt sei. Sie habe auf diese Positionen 301.772,10 DM bezahlt. Im Wert von 159.939,21 DM habe der Beklagte Steine nach der Kündigung nicht an sie herausgegeben.

Damit hat die Klägerin nach der Kündigung eine selbständige Abrechnung auf der Grundlage des Vertrages vorgenommen. Sie hat als Leistungsstand denjenigen ermittelt, der in der 10. Abschlagsrechnung ausgewiesen war. Sie hat die Bewertung dieser Leistung positionsbezogen nach Maßgabe des Vertrages und auf der Grundlage der dort für die einzelnen Positionen ausgewiesenen Preise vorgenommen. Die von ihr beanspruchte Überzahlung ergibt sich daraus, dass sie für die Anschaffung der Steine bereits Zahlungen geleistet hat, ohne dass ihr diese Leistung in Form der bearbeiteten Steine zugeflossen ist.

2. Die Klägerin macht einen erststelligen Teilbetrag von 25.067,15 DM von behaupteten Mehrkosten der Fertigstellung i.H.v. insgesamt 619.994,03 DM nach Maßgabe ihrer bereits erstinstanzlich vorgelegten Aufstellung K 40 geltend. Dieser Antrag ist entgegen der Auffassung des Beklagten zulässig. Der Antrag ist dahin auszulegen, dass die Klägerin den Anspruch in der Reihenfolge der Aufstellung K 40 verfolgt.

Das Berufungsgericht stützt die Zurückweisung der Berufung darauf, dass eine Gesamtabrechnung nicht vorgenommen ist. Diese ist unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, Art. 103 GG, nicht zur Kenntnis genommen worden.

Soweit das Berufungsgericht Vortrag ohne Begründung nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückweist, ist das schon deshalb fehlerhaft, weil § 531 Abs. 2 ZPO Gründe für die Zulassung neuen Vorbringens benennt.

Soweit das Berufungsgericht erneut zu entscheiden hat, ob die Klägerin mit neuen Angriffsmitteln ausgeschlossen ist, wird es zu prüfen haben, ob der neue Vortrag, soweit er nicht ohnehin als zulässige Erläuterung und Ergänzung des erstinstanzlichen Vortrags zu verstehen ist, infolge unterlassener Hinweise in der ersten Instanz nach § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen ist. Das hat die Klägerin geltend gemacht. Es finden sich keine protokollierten Hinweise des LG darauf, dass die Aufstellung K 40 die Mehrkosten nicht ausreichend belege.

 

Fundstellen

IBR 2006, 12

BauRB 2005, 318

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