Verfahrensgang
Tenor
Der Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben.
Der Beschluss des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 9. Februar 2022 wird gemäß § 544 Abs. 9 ZPO aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert: 21.421,59 €
Gründe
I.
Rz. 1
Die Klägerin macht eine Vergütung für angeblich erbrachte Gartenpflege- und Winterdienstleistungen in Bezug auf ein von den Bruchteilseigentümern einer Bruchteilsgemeinschaft in B. gemeinschaftlich genutztes Gartengrundstück geltend.
Rz. 2
Die Klägerin ist ein Unternehmen, das Hausbetreuungsleistungen erbringt. Die Klägerin schloss im Jahr 2016 einen als Dienstleistungsvertrag bezeichneten Vertrag mit der "BTG [Bruchteilsgemeinschaft] am Gartengrundstück der Gartenresidenz C. ( ) B. ", diese nach dem Vertragswortlaut vertreten durch die Streithelferin der Klägerin.
Rz. 3
Nach diesem Vertrag wurde die Klägerin als Auftragnehmerin mit der Unterhaltspflege in Grünanlagen und mit der Schnee- und Glatteisbeseitigung gemäß Straßenreinigungsgesetz beauftragt.
Rz. 4
Die von der Klägerin nach dem Vertrag zu erbringenden Leistungen beziehen sich auf ein Gartengrundstück, welches in Bruchteilsgemeinschaft von den Mitgliedern von vier Wohnungseigentümergemeinschaften gehalten wird.
Rz. 5
Die Klägerin richtete an die "BTG am Gartengrundstück d. Gartenresidenz C. ( )" verschiedene, aus den Jahren 2017 und 2018 datierende Rechnungen über insgesamt 21.421,59 EUR für angeblich erbrachte Leistungen und mahnte die Bezahlung dieser Rechnungen an, ohne dass ein Ausgleich erfolgte.
Rz. 6
Die Klägerin hat ihre Klage, mit der sie einen Anspruch auf Zahlung der genannten Vergütung nebst Zinsen sowie Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend macht, zunächst gegen "[d]ie Wohnungseigentümergemeinschaft Bruchteilsgemeinschaft am Gartengrundstück der Gartenresidenz C. " gerichtet. Nach einem gerichtlichen Hinweis, dass nicht eindeutig sei, gegen wen sich das Verfahren richte, ob gegen eine Wohnungseigentümergemeinschaft, gegen eine Bruchteilsgemeinschaft, gegen sämtliche Miteigentümer des Gartengrundstücks oder gegen eine Außen-GbR, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 17. September 2020 das Klagerubrum dahingehend modifiziert, dass die beklagte Partei nunmehr als "die Bruchteilsgemeinschaft am Gartengrundstück der Gartenresidenz C. " bezeichnet wird, wobei die Klägerin dieser Bezeichnung im Rubrum des genannten Schriftsatzes den Passus "Bruchteilseigentümer gemäß beigefügter Anlage der Bruchteilseigentümer" hinzugefügt hat.
Rz. 7
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen.
Rz. 8
Die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil hat das Berufungsgericht nach vorangegangenem Hinweisbeschluss durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
Rz. 9
Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die ihren Zahlungsanspruch weiterverfolgen möchte.
II.
Rz. 10
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Rz. 11
1. Das Berufungsgericht hat, soweit für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von Bedeutung, im Zurückweisungsbeschluss sowie im vorangegangenen Hinweisbeschluss, auf den das Berufungsgericht im Zurückweisungsbeschluss Bezug genommen hat, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Rz. 12
Zutreffend habe das Landgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Klägerin habe in Kenntnis des erstinstanzlichen Urteils und in Kenntnis der zutreffenden Ausführungen des Kammergerichts zur Rechtslage bei einer Bruchteilsgemeinschaft in seinem Urteil vom 10. März 2020 - 14 U 70/19 - im Rubrum der hiesigen Berufung bewusst für die Beklagtenseite "die Bruchteilsgemeinschaft am Gartengrundstück der Gartenresidenz C. vertreten durch die Hausverwaltung..." angegeben. In der Berufungsbegründung begehre die Klägerin eine Verurteilung der Beklagten und führe aus, dass sie aufgrund der notariellen Urkunde vom 9. Oktober 2013 davon ausgehe, dass sich die Gemeinschaft konstituiert habe. Ferner führe sie auf Seite 4 der Berufungsbegründung aus, dass das Kammergericht in dem genannten Urteil vom 10. März 2020 nach seiner Auffassung zwanglos unterstellt habe, dass aufgrund der vorgelegten Gründungsdokumente ein parteifähiger Zusammenschluss der Bruchteilseigentümer entstanden sei.
Rz. 13
Damit stehe fest, dass hier die Berufung mit der Begründung betrieben werde, dass die Beklagte die Bruchteilsgemeinschaft "als parteifähiger Zusammenschluss" sei. Diese Auffassung widerspreche allerdings eindeutig der bestehenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, wonach eine Bruchteilsgemeinschaft nicht rechtsfähig und nicht parteifähig ist. Ausnahmen gebe es nur bei besonderes geregelten Arten der Bruchteilsgemeinschaft, insbesondere bei der Konstellation der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Rz. 14
Dadurch, dass die Klägerin in Kenntnis der eindeutigen Ausführungen des Kammergerichts in dem genannten Urteil vom 10. März 2020 und in Kenntnis der entsprechenden und eindeutigen Hinweise des Landgerichts darauf beharrt habe, dass die Beklagte die Bruchteilsgemeinschaft sei, sei es dem Landgericht, wie es zutreffend ausgeführt habe, verwehrt gewesen, weiterreichende Auslegungen vorzunehmen. Denn insofern sei eine andere Auslegung dahingehend, dass die einzelnen Bruchteilseigentümer Beklagte sein sollten, nicht mehr möglich.
Rz. 15
Auch die Ausführungen in der klägerischen Stellungnahme vom 26. Januar 2022 zum Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts gäben zu einer Änderung keinen Anlass. Soweit die Klägerin darauf abstelle, dass sie mit erstinstanzlichem Schriftsatz vom 17. September 2020 das Passivrubrum insoweit ergänzt habe, dass beklagt die "Bruchteilsgemeinschaft am Gartengrundstück der Gartenresidenz C.,..., … B., Bruchteilseigentümer gemäß beigefügter Anlage der Bruchteilseigentümer" sei, so möge diese Bezeichnung auslegungsfähig sein. Allerdings stehe das Rubrum nicht für sich allein, sondern sei in einen Zusammenhang mit den schriftsätzlichen Ausführungen im gleichen Schriftsatz sowie den Erklärungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2021 zu stellen. So habe die Klägerin im Schriftsatz vom 17. September 2020 auf Seite 2 zur Erläuterung des von ihr verwendeten Rubrums ausdrücklich angegeben, dass auf Seiten der Beklagten eine von der Hausverwaltung vertretene Bruchteilsgemeinschaft beteiligt sei. Dann folgten ausführliche Ausführungen zum Inhalt der Gemeinschaftsordnung und der Bestellung einer Verwalterin. Insofern lasse sich dem Schriftsatz gerade nicht der Wille entnehmen, alle Bruchteilseigentümer zu verklagen. Allenfalls ließe sich dem Schriftsatz entnehmen, dass, wie nunmehr auch hilfsweise ausdrücklich geltend gemacht, eine rechtsfähige Personengesellschaft mit den einzelnen Bruchteilseigentümern als Gesellschaftern beklagt sein solle.
Rz. 16
2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts beruht auf einer entscheidungserheblichen Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG.
Rz. 17
a) Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist danach unter anderem verpflichtet, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden. Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2021 - V ZR 19/20 Rn. 6, juris; Beschluss vom 21. April 2021 - VII ZR 39/20 Rn. 9, BauR 2021, 1340 = NZBau 2021, 451; Beschluss vom 21. April 2021 - VII ZR 261/19 Rn. 4, NZBau 2021, 518).
Rz. 18
b) Nach diesen Maßstäben ist der Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts, wie die Beschwerde mit Recht rügt, gehörswidrig ergangen.
Rz. 19
aa) Wer Partei eines Zivilrechtsstreits ist, ergibt sich aus der in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung, die als Teil einer Prozesshandlung grundsätzlich der Auslegung zugänglich ist. Maßgebend ist, welcher Sinn dieser prozessualen Erklärung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Prozessgegner) beizulegen ist. Deshalb ist bei objektiv unrichtiger oder mehrdeutiger Bezeichnung grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die fehlerhafte Parteibezeichnung betroffen werden soll. Für die Ermittlung der Parteien durch Auslegung ihrer Bezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2021 - VI ZR 188/17 Rn. 11 m.w.N., NJW 2021, 1818; Urteil vom 24. Januar 2013 - VII ZR 128/12 Rn. 13 f., BauR 2013, 634 = NZBau 2013, 221; Urteil vom 10. März 2011 - VII ZR 54/10 Rn. 11, BauR 2011, 1041 = NZBau 2011, 416). Als Auslegungsmittel können auch spätere Prozessvorgänge herangezogen werden (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2021 - VI ZR 188/17 Rn. 11, NJW 2021, 1818; Beschluss vom 5. Februar 2009 - IX ZB 136/06 Rn. 9, NJW-RR 2009, 854).
Rz. 20
Bei der Auslegung der von der Klagepartei gewählten Parteibezeichnung gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung gegen die in Wahrheit gemeinte Partei nicht an deren fehlerhafter Bezeichnung scheitern darf, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2021 - VI ZR 188/17 Rn. 11, NJW 2021, 1818; Urteil vom 24. Januar 2013 - VII ZR 128/12 Rn. 13, BauR 2013, 634 = NZBau 2013, 221). Bei der Auslegung von Prozesserklärungen ist ferner der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 6. Juni 2019 - III ZR 83/18 Rn. 8 m.w.N., juris; Urteil vom 1. August 2013 - VII ZR 268/11 Rn. 30, NJW 2014, 155). Die von einer Klagepartei gewählte Beklagtenbezeichnung "Bruchteilsgemeinschaft" ist angesichts der fehlenden Rechtsfähigkeit und der fehlenden Parteifähigkeit von Bruchteilsgemeinschaften unter Berücksichtigung der vorstehend genannten Auslegungsgrundsätze regelmäßig dahin auszulegen, dass die einzelnen Bruchteilseigentümer verklagt werden sollen (vgl. Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., § 50 Rn. 25).
Rz. 21
bb) Das Berufungsgericht hat den Kern des Vorbringens der Klägerin mit seiner Annahme verkannt, die weiteren Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 26. Januar 2022 änderten nichts an dem sich aus den vorangegangenen Ausführungen ergebenden Willen der Klägerin, eine als solche nicht parteifähige Bruchteilsgemeinschaft als Beklagte in Anspruch nehmen zu wollen. Die Klägerin hat in diesem Schriftsatz insbesondere unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Schriftsatz vom 17. September 2020 vielmehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Klage sich in erster Linie gegen die einzelnen Bruchteilseigentümer entsprechend der in erster Instanz vorgelegten Liste richten soll. Indem das Berufungsgericht diesem erkennbar zentralen Vorbringen der Klägerin einen im Hinblick auf weitere teils lediglich hilfsweise gemachte Ausführungen der Klägerin eine nur untergeordnete Bedeutung beimisst, verletzt es die Klägerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
Rz. 22
cc) Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht auch auf der Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des genannten wesentlichen Kerns des klägerischen Vorbringens zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gelangt wäre.
III.
Rz. 23
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die von der Klägerin gewählte Beklagtenbezeichnung unter Berücksichtigung der Klarstellung im klägerischen Schriftsatz vom 26. Januar 2022 und unter Berücksichtigung der vorstehend unter II. 2. b) aa) genannten Grundsätze dahingehend auszulegen ist, dass Beklagte die Bruchteilseigentümer der Bruchteilsgemeinschaft am Gartengrundstück der Gartenresidenz C. gemäß der Liste der Bruchteilseigentümer, vorgelegt als Anlage zum klägerischen Schriftsatz vom 17. September 2020, sind.
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