Leitsatz (amtlich)
Der BGH ist bei einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen dem Kartellsenat und einem Zivilsenat des OLG nicht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG München (Beschluss vom 16.12.2013; Aktenzeichen U 4898/12 Kart) |
LG München I (Urteil vom 15.10.2012; Aktenzeichen 14 HK O 9289/07) |
Tenor
Die Vorlage an den BGH ist unzulässig.
Gründe
Rz. 1
I. Die Parteien sind Gesellschafter einer GmbH & Co. KG und deren persönlich haftender Gesellschafterin und streiten um den Ausschluss der Beklagten aus diesen Gesellschaften. Durch Teilurteil vom 15.10.2012 hat das LG München I die Beklagte als Kommanditistin und unter bestimmten Maßgaben als Gesellschafterin der Komplementär-GmbH ausgeschlossen. Beide Parteien haben Berufung eingelegt. Der mit der Sache zunächst befasste Kartellsenat des OLG München hat die Parteien darauf hingewiesen, er beabsichtige, die Sache an den 7. Zivilsenat abzugeben, weil es sich nicht um eine Kartellstreitsache handele. Er hat die Akten sodann dem 7. Zivilsenat mit der Bitte um Übernahme zugeleitet. Der Vorsitzende des 7. Zivilsenats hat die Übernahme abgelehnt. Es werde zwar nicht in Abrede gestellt, dass der Rechtsstreit als Handelssache anzusehen sei, doch sei die Zuständigkeit des Kartellsenats durch die Zuständigkeit für ein vorangegangenes Berufungsverfahren über ein erstes Teilurteil begründet worden. Diese Zuständigkeit setze sich nach den Regelungen im Geschäftsverteilungsplan des OLG auch in dem Berufungsverfahren gegen das zweite Teilurteil fort. Der Kartellsenat hat daraufhin am 22.2.2013 einen Beschluss gefasst, wonach der 7. Zivilsenat für die Sache zuständig sei. Das sodann vom 7. Zivilsenat angerufene Präsidium des OLG München hat beschlossen, dass die Sache in die Zuständigkeit des Kartellsenats falle.
Rz. 2
Mit Beschluss vom 16.12.2013 hat der Kartellsenat die Sache dem BGH zur Bestimmung des zuständigen Senats vorgelegt.
Rz. 3
II. Die Vorlage ist unzulässig. Eine Zuständigkeit des BGH zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt ist nicht gegeben.
Rz. 4
1. Seit der Ergänzung von § 36 ZPO um die Abs. 2 und 3 durch das Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22.12.1997 (BGBl. I, 3224) ist der BGH nur noch sehr eingeschränkt für die Bestimmung des Gerichtsstands zuständig. Der BGH hat nach § 36 Abs. 3 ZPO auf Vorlage zu entscheiden, wenn das vorlegende OLG bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts von der Entscheidung eines anderen OLG oder des BGH abweichen will. Eine Zuständigkeit des BGH kommt nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ferner in Betracht, wenn das an sich zur Bestimmung zuständige Gericht verhindert ist. Schließlich ist der BGH in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für die Bestimmung des Gerichtsstands zuständig, wenn zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben und der BGH als erster der in Betracht kommenden obersten Gerichtshöfe des Bundes darum angegangen wird (BGH, Beschl. v. 14.5.2013 - X ARZ 167/13, MDR 2013, 1242 Rz. 4 m.w.N.). Keiner dieser Fälle liegt hier vor.
Rz. 5
2. Vor der erwähnten Gesetzesänderung hat sich der BGH in entsprechender Anwendung von § 36 Nr. 6 ZPO in der bis zum 31.3.1998 geltenden Fassung auch dann als zuständig angesehen, wenn ein negativer Kompetenzkonflikt zwischen zwei Senaten eines OLG bestand und dem Präsidium des betroffenen OLG eine Entscheidung verwehrt war. Dies wurde in den Fällen angenommen, in denen der negative Kompetenzkonflikt nur durch Auslegung einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung gelöst werden konnte. Zur Begründung hat der BGH darauf verwiesen, dass es in solchen Fällen dem Präsidium des Gerichts, das als richterliches Selbstverwaltungsorgan gem. § 21e GVG bei einer den Geschäftsverteilungsplan betreffenden Meinungsverschiedenheit mehrerer Spruchkörper grundsätzlich eingreifen kann, verwehrt ist, den Konflikt durch Anwendung einer gesetzlichen Zuständigkeitsnorm verbindlich zu entscheiden (BGH, Beschl. v. 3.5.1978 - IV ARZ 26/78, BGHZ 71, 264, 270; Beschl. v. 14.7.1993 - XII ARZ 16/93, NJW-RR 1993, 1282).
Rz. 6
Diese Zuständigkeit besteht jedoch seit der Einführung von § 36 Abs. 2 ZPO nicht mehr. Zwar handelt es sich, worauf der vorlegende Kartellsenat zutreffend hinweist, bei § 91 GWB um eine gesetzliche Zuständigkeitsregelung. Deshalb ist ein Kompetenzkonflikt zwischen einem Zivilsenat und einem an demselben Gericht bestehenden Kartellsenat nicht vom Präsidium zu entscheiden, soweit es um die Reichweite von § 91 GWB geht (KG WuW/E DE-R 2817 - Entgelt für Nutzung von Bahnhöfen; Voß in KK-KartR, § 91 GWB Rz. 19; Dicks in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl., § 91 GWB Rz. 19; Bornkamm in Langen/Bunte, Kartellrecht, 11. Aufl., § 91 GWB Rz. 8). Eine Zuständigkeit des BGH ist jedoch durch § 36 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen (zutreffend Voß, a.a.O.). In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts wird darauf verwiesen, die Einführung von § 36 Abs. 2 ZPO diene der Entlastung der obersten Bundesgerichte von Routineaufgaben bei der Bestimmung des Gerichtsstands. Der BGH solle zwar in den Fällen eines negativen Kompetenzkonflikts zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige zuständig bleiben, hingegen von der Entscheidung im Falle eines Zuständigkeitskonflikts zwischen einem Zivil- und einem Familiensenat eines OLG entlastet werden (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 13/9124, 45 f.). An der fehlenden Zuständigkeit des BGH hat es nichts geändert, dass die genannten Fälle nunmehr nach § 17a Abs. 6 GVG nach den Bestimmungen des § 17a Abs. 1 bis 5 GVG zu entscheiden sind; vielmehr befindet der BGH nunmehr unter den Voraussetzungen des § 17a Abs. 4 GVG (nur) über eine vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde.
Rz. 7
3. Der BGH ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt zur (deklaratorischen) Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen, dass das gesetzliche Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts, insb. ein Verfahren nach § 17a GVG, abgeschlossen ist, gleichwohl das danach zuständige Gericht nicht bereit ist, die Sache zu entscheiden.
Rz. 8
a) Der vorlegende Kartellsenat und der 7. Zivilsenat des OLG München gehen noch übereinstimmend davon aus, dass keine gesetzlich nach § 91 Satz 2 i.V.m. § 87 GWB dem Kartellsenat zugewiesene Berufung vorliegt. Soweit die Senate hingegen darüber streiten, ob - wie vom Kartellsenat des OLG angenommen - den §§ 87 ff. GWB ein gesetzlicher Ausschluss seiner Zuständigkeit für das vorliegende Berufungsverfahren zu entnehmen ist, hat der Kartellsenat des OLG zu Unrecht seine Zuständigkeit für eine (vorbehaltlich einer Divergenz i.S.d. § 36 Abs. 3 ZPO, vgl. BGH, Beschl. v. 12.6.2012 - X ARZ 195/12, juris Rz. 5) vom OLG München zu treffende Zuständigkeitsbestimmung angenommen. Eine Zuständigkeit der Kartellgerichte für eine solche Zuständigkeitsbestimmung kann nicht aus den Regelungen der §§ 87, 91 GWB hergeleitet werden und folgt auch nicht aus der weder unmittelbar noch entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 17a Abs. 6 GVG. Sie dürfte sich auch nicht aus dem Geschäftsverteilungsplan des OLG München ableiten lassen, dessen Regelung zu V. 2. nicht den Fall betrifft, dass zwischen dem Kartellsenat und einem anderen Senat des OLG Meinungsverschiedenheiten über die Zuständigkeit bestehen; jedenfalls ist hiervon ersichtlich das zur Auslegung des Geschäftsverteilungsplans berufene Präsidium des OLG ausgegangen.
Rz. 9
b) Eine über den gesetzlichen Umfang hinausgehende Zuweisung von Rechtssachen an den Kartellsenat durch Geschäftsverteilungsplan ist zumindest insoweit nicht ausgeschlossen, als sie in engem Zusammenhang mit dessen gesetzlicher Zuständigkeit steht und ihr ein sachlich gerechtfertigtes Bedürfnis zugrunde liegt. Danach ist insb. eine an Vorbefassung mit dem Rechtsstreit anknüpfende Zuweisung zum Kartellsenat nicht ausgeschlossen. Ob die Bestimmung zu II. B. 3. des Geschäftsverteilungsplans des OLG eine solche Regelung gerade auch für den Kartellsenat treffen will, ist durch Auslegung zu ermitteln und im Streitfall vom Präsidium des OLG zu klären (vgl. Voß in KK-KartR, § 91 GWB Rz. 19). Da der Beschluss des Präsidiums des OLG vom 18.7.2013 keine Begründung enthält, wird der Kartellsenat ggf. das Präsidium erneut mit der Sache zu befassen haben.
Fundstellen
BB 2014, 769 |
EBE/BGH 2014 |
WM 2014, 673 |
ZAP 2014, 553 |
ZIP 2014, 1196 |
JZ 2014, 374 |
MDR 2014, 489 |
GRUR-Prax 2014, 192 |