Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Aufsichtsbehörde die Genehmigung einer Verbindung mehrerer hauptberuflicher Notare zur gemeinsamen Berufsausübung (hier: Kooperation) versagen darf (im Anschluss an: BGH v. 18.7.1994 - NotZ 14/93, BGHZ 127, 83 = MDR 1995, 206).

 

Normenkette

GG Art. 12 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2; BNotO § 9 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Dresden (Beschluss vom 13.12.2004; Aktenzeichen DSNot 31/04)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen des OLG Dresden v. 13.12.2004 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die dem Antragsgegner im Beschwerderechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert in beiden Instanzen wird auf 25.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller sind zur hauptberuflichen Amtsausübung bestellte Notare mit Amtssitz in D. Dort sind insgesamt 20 Notare zugelassen, unter denen mehrere Zweiersozietäten bestehen. Auch die Antragsteller zu 1) (geboren 1954) und 2) (geboren 1944) sind mit Genehmigung des Antragsgegners seit dem Jahre 1991 zu einer Sozietät verbunden. Sie schlossen am 15.6.2004 mit dem Antragsteller zu 3) (geboren 1942) eine "Kooperationsvereinbarung", die eine gemeinsame Nutzung der Geschäftsräume der Sozietät unter anteiliger Beteiligung des Antragstellers zu 3) an den Kosten für Personal, Räumlichkeiten und sonstige Sachmittel bei im Übrigen wirtschaftlich getrennten Betriebseinnahmen vorsieht. Vor ihrer internen Verteilung sollen die von allen Notaren erwirtschafteten Einnahmen zunächst auf ein gemeinsames Treuhandkonto fließen und erst anschließend auf die jeweiligen Geschäftskonten umgebucht werden. Nach außen wollen die Antragsteller ihre Kooperation durch einen gemeinsamen Briefbogen (B. * H. * Dr. H.) unter einem gemeinsamen Logo und der Bezeichnung "Notariat K. -straße 17" verlautbaren. In den bisherigen Geschäftsräumen des Antragstellers zu 3) soll eine gemeinsame Gütestelle unterhalten werden. Gemäß § 8 der Kooperationsvereinbarung beabsichtigen die Antragsteller Verhandlungen mit dem Ziel, ihre Kooperation in eine Sozietät umzuwandeln.

Der Antragsgegner hat den Antragsteller zu 3), nachdem gegen diesen Ende 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, des Amtes enthoben. Der Senat hat unter Aufhebung des Beschlusses des OLG seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen diesen Bescheid zurückgewiesen (BGH, Beschl. v. 22.3.2004 - NotZ 23/03, BGHReport 2004, 923 = MDR 2004, 779 = DNotZ 2004, 886). Auf die Verfassungsbeschwerde des Antragstellers zu 3) hat das BVerfG die Vollziehung der Amtsenthebung vorläufig ausgesetzt; eine Entscheidung in der Hauptsache ist bislang nicht ergangen.

Mit Bescheid v. 19.8.2004 hat der Antragsgegner den Antrag auf Genehmigung der gemeinsamen Berufsausübung zurückgewiesen. Er hat zur Begründung ausgeführt, durch das gemeinsame Auftreten der Antragsteller im Rechtsverkehr entstehe eine "verfestigte" Kooperation, die einer Verbindung zur gemeinsamen Berufsausübung gleichzusetzen sei. Sie gefährde die Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege, weil sie die Personalhoheit der Landesjustizverwaltung beschränke. Es bestehe die Gefahr, dass bei Neubesetzung einer der drei Notarstellen eine "Nullstelle" geschaffen werde. Da der Antragsteller zu 3) bald das 62. Lebensjahr vollende und auch der Antragsteller zu 2) das 60. Lebensjahr überschritten habe, sei zudem von keinem auf Dauer angelegten Kooperationsverhältnis auszugehen, zumal der Verbleib des Antragstellers zu 3) im Amt ungewiss sei.

Nach Zurückweisung ihres Antrags auf gerichtliche Entscheidung durch das OLG verfolgen die Antragsteller ihr Begehren mit der sofortigen Beschwerde weiter.

II. Die gem. § 111 Abs. 4 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Antragsgegner hat zu Recht die Genehmigung der von den Antragstellern angestrebten Kooperation versagt.

1. Gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 BNotO dürfen sich zur hauptberuflichen Amtsausübung bestellte Notare (sog. Nur-Notare) mit am selben Amtssitz bestellten Notaren zur gemeinsamen Berufsausübung verbinden oder mit ihnen gemeinsame Geschäftsräume haben. Durch die ausdrückliche Verwendung der Mehrzahl hat der Gesetzgeber die unter der Geltung des § 9 Abs. 2 S. 1 BNotO a.F. geäußerten Bedenken, ob das Gesetz im Bereich des Nur-Notariats überhaupt eine Notarsozietät von mehr als zwei Mitgliedern zulasse (Michalski, ZIP 1996, 11 ff.), die der Senat schon nach alter Rechtslage nicht geteilt hat (BGH v. 18.7.1994 - NotZ 14/93, BGHZ 127, 83 [87 f.] = MDR 1995, 206), ausgeräumt.

§ 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BNotO ermächtigt die Landesregierungen oder von ihnen bestimmte Stellen, um den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege insb. im Hinblick auf die örtlichen Bedürfnisse und Gewohnheiten Rechnung zu tragen, eine Verbindung zur gemeinsamen Berufsausübung oder eine gemeinsame Nutzung der Geschäftsräume von der Genehmigung der Aufsichtsbehörde abhängig zu machen, die mit Auflagen verbunden oder befristet werden kann. Von dieser Ermächtigung hat das Sächsische Staatsministerium der Justiz in § 9 seiner Verordnung zur Ausführung der Bundesnotarordnung (BNotOVO) v. 16.12.1998 Gebrauch gemacht (SächsGVBl. S. 666).

2. Der Notar übt als Träger eines öffentlichen Amtes einen staatlich gebundenen Beruf aus, der auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege (§ 1 BNotO) der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben dient (BVerfG v. 18.6.1986 - 1 BvR 787/80, BVerfGE 73, 280 [292] = MDR 1987, 201; Beschl. v. 20.9.2002 - 1 BvR 819/01, 826/01, DNotZ 2002, 891 [892]). Wegen seiner Nähe zum öffentlichen Dienst ist es der Organisationsgewalt der Justizverwaltung vorbehalten, Zahl und Zuschnitt der Notariate zu bestimmen (BVerfG BVerfGE 17, 371 [379]; v. 18.6.1986 - 1 BvR 787/80, BVerfGE 73, 280 [292] = MDR 1987, 201; BGH BGHZ 37, 179 [183]; BGH v. 18.7.1994 - NotZ 14/93, BGHZ 127, 83 [90] = MDR 1995, 206). Ihr kommt ein - durch die örtlichen Befugnisse und Gewohnheiten und insb. die Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege begrenztes - (Organisations-)Ermessen zu, das sich auf alle Maßnahmen erstreckt, die die Errichtung, Ausgestaltung und Einziehung von Notarstellen betreffen. Dazu gehört die Verbindung mehrerer Nur-Notare zur gemeinsamen Berufsausübung, weil hierdurch vormals selbständige Notariate organisatorisch vereinigt werden (BGH v. 18.7.1994 - NotZ 14/93, BGHZ 127, 83 [90] = MDR 1995, 206; BGHZ 59, 274 [279]). § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BNotO i.V.m. § 9 BNotOVO läuft dabei nicht, wie die Antragsteller meinen, auf ein Totalverbot der beruflichen Zusammenarbeit zwischen Nur-Notaren hinaus, sondern beinhaltet ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, das mehrgliedrige Sozietäten zwischen Nur-Notaren nicht grundsätzlich verbietet, sondern sie einer vorherigen Kontrolle unterstellt, ohne dass insoweit von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Erteilung und Versagung der Genehmigung gesprochen werden könnte (BGH v. 18.7.1994 - NotZ 14/93, BGHZ 127, 83 [91 f.] = MDR 1995, 206; BGHZ 59, 274 [276]). Die Entscheidung über die Genehmigung, von der die gemeinsame Berufsausübung im Einzelfall abhängig ist, steht ebenfalls im Ermessen der Landesjustizverwaltung, das sich wiederum an den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege zu orientieren hat (BGH BGHZ 59, 274 [278]; v. 18.7.1994 - NotZ 14/93, BGHZ 127, 83 [89 ff.] = MDR 1995, 206).

3. Die von den Antragstellern dagegen aus Art. 20, 80 und 12 GG geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nicht durch. Die in § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BNotO enthaltene Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung ist verfassungsgemäß. Dafür sind die gleichen Gründen maßgeblich, die der Senat - mit Billigung des BVerfG (BVerfG, Beschl. v. 19.2.1973 - 1 BvR 593/72, DNotZ 1973, 493 f.; Beschl. v. 24.10.1994 - 1 BvR 1793/94, n.v.) - bereits zu § 9 Abs. 2 BNotO in seiner bis zum 7.9.1998 geltenden Fassung angeführt hat (BGH BGHZ 59, 274 [275 ff.]; v. 18.7.1994 - NotZ 14/93, BGHZ 127, 83 [93 ff.] = MDR 1995, 206).

a) Das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) schützt auch die Freiheit des Notars, seinen Beruf gemeinsam mit anderen auszuüben (BVerfG v. 1.7.1980 - 1 BvR 247/75, BVerfGE 54, 237 [245 f.] = MDR 1980, 823; v. 4.7.1989 - 1 BvR 1460/85, 1 BvR 1239/87, BVerfGE 80, 269 [278]; BGH v. 18.7.1994 - NotZ 14/93, BGHZ 127, 83 [91] = MDR 1995, 206). Der Genehmigungsvorbehalt, zu dem § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BNotO ermächtigt, greift in dieses Grundrecht ein. Er betrifft aber nicht den Bereich der Berufswahl, sondern lediglich den der Berufsausübung. Die Freiheit der Berufsausübung kann gem. Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden, soweit sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls dies zweckmäßig erscheinen lassen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (BGH BGHZ 59, 274 [278]; v. 18.7.1994 - NotZ 14/93, BGHZ 127, 83 [94] = MDR 1995, 206; BVerfGE 7, 377 [405], und ständig). Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG erlaubt damit eine Beschränkung der Berufsfreiheit auch durch untergesetzliche Normen wie die in Rede stehende Rechtsverordnung.

(1) Allerdings verlangt der Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 2 GG), dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen, und darf sie nicht anderen Normgebern überlassen. Wann es danach einer Regelung durch den Gesetzgeber bedarf, lässt sich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen (BVerfG v. 14.7.1998 - 1 BvR 1640/97, BVerfGE 98, 218 [251]; BVerfGE 40, 237 [248 ff.]; BVerfGE 49, 89 [127]; v. 8.4.1997 - 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267 [307 f.] = MDR 1997, 556); entscheidend ist vor allem die Intensität, mit der die Grundrechte des Regelungsadressaten durch die jeweilige Maßnahme betroffen sind (BVerfG v. 20.10.1981 - 1 BvR 640/80, BVerfGE 58, 257 [274]).

(2) Hier durfte sich der Gesetzgeber darauf beschränken, den Landesregierungen die Möglichkeit zu eröffnen, einen Genehmigungsvorbehalt einzuführen, ohne selbst im Einzelnen zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Genehmigung zu erteilen ist. Mit der Vorschrift des § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BNotO wollte er den länderspezifischen Besonderheiten ("örtliche Bedürfnisse und Gewohnheiten") in bezug auf die Ausgestaltung des Notariats Rechnung tragen. Die in Art. 20 Abs. 2 GG als Grundsatz normierte organisatorische Trennung der Gewalten zielt auch darauf, dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, d.h. von den Organen - vorliegend den Landesjustizverwaltungen - getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen (BVerfG v. 14.7.1998 - 1 BvR 1640/97, BVerfGE 98, 218 [252]). Zudem ist es wegen der erwähnten ausgeprägten Nähe des Notars zum öffentlichen Dienst und der von ihm zu erfüllenden originären Staatsaufgaben (Art. 33 GG) gerechtfertigt, ihn der Organisationsgewalt des Staates bei der Organisation öffentlicher Ämter zu unterwerfen und der Justizverwaltung mit Blick darauf einen entsprechenden Ermessensspielraum einzuräumen, der sowohl bei der Einführung eines abstrakten Genehmigungsvorbehalts als auch bei der Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung im Einzelfall durch die Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege begrenzt ist (BGH BGHZ 46, 29 [35]; v. 18.7.1994 - NotZ 14/93, BGHZ 127, 83 [91 f.]).

b) Die Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BNotO genügt den Anforderungen des Art. 80 GG. Es ist ausreichend, wenn sich Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung durch Auslegung und Sinnzusammenhang der Norm und Gesetzeszweck erfassen lassen (BGH BGHZ 59, 274 [275]; BVerfGE 19, 354 [362]; v. 20.10.1981 - 1 BvR 640/80, BVerfGE 58, 257 [277]). Das ist für eine Ermächtigung der Fall, die zur organisatorischen Gestaltung des Nur-Notariats die Einführung eines Genehmigungserfordernisses für die Bildung von Sozietäten im Verordnungswege zum Gegenstand hat, die nach der BNotO selbst einer Zustimmung der Aufsichtsbehörde nicht bedürfen. Die Ermächtigung ist in ihrem Ausmaß deutlich dahin umrissen, dass der Zusammenschluss von Nur-Notaren zu Sozietäten oder die Schaffung gemeinsamer Geschäftsräume von einer vorherigen Genehmigung abhängig gemacht werden kann, um dadurch den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege insb. im Hinblick auf die örtlichen Bedürfnisse und Gewohnheiten Rechnung zu tragen (BGHZ 59, 274 [275 f.]; BGHZ 46, 29 [31 f.], bestätigt durch: BVerfG DNotZ 1973, 493 f.). Dem steht nicht entgegen, dass die Landesregierungen gem. § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BNotO zusätzlich die Möglichkeit haben, die Voraussetzungen der gemeinsamen Berufsausübung oder der gemeinsamen Nutzung der Geschäftsräume zu regeln, insb. auch die Höchstzahl der beteiligten Berufsangehörigen, von der der Antragsgegner keinen Gebrauch gemacht hat. Denn hierdurch wollte der Gesetzgeber den Landesregierungen lediglich einen weiteren Spielraum eröffnen, im Rahmen des Ermächtigungszwecks allgemein Bedingungen und Einzelheiten einer beruflichen Verbindung zwischen Nur-Notaren verbindlich festzulegen (BT-Drucks. 13/4184, 22). Damit wird nicht zum Ausdruck gebracht, dass - sind abstrakte Regelungen dieser Art nicht getroffen - über die Frage der Genehmigung mehrgliedriger Sozietäten nicht im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden werden darf.

c) Der mit dem Genehmigungsvorbehalt verbundene Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Nur-Notare ist auch inhaltlich zulässig (BGH v. 18.7.1994 - NotZ 14/93, BGHZ 127, 83 [94 ff.] = MDR 1995, 206; BGHZ 59, 274 [278 f.]), insb. ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(1) Nach der Rechtsprechung des Senats sichert die Personalhoheit der Landesjustizverwaltung eine geordnete Rechtspflege und damit ein Gemeingut mit hohem Stellenwert, das die Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit grundsätzlich rechtfertigt (BGH v. 18.7.1994 - NotZ 14/93, BGHZ 127, 83 [94 f.] = MDR 1995, 206; BGHZ 59, 274 [279]; BGHZ 46, 29 [34]; BGHZ 37, 179 [183]; BVerfG v. 4.7.1989 - 1 BvR 1460/85, 1 BvR 1239/87, BVerfGE 80, 269 [279]; v. 1.7.1980 - 1 BvR 247/75, BVerfGE 54, 237 [249] = MDR 1980, 823). In diese Personalhoheit, die bei der Besetzung von Notarstellen gegeben ist, wird eingegriffen, haben sich Notare zur gemeinsamen Berufsausübung verbunden. Scheidet einer von ihnen aus dem Amt aus, kann seine Stelle praktisch nur mit einem Bewerber besetzt werden, den der oder die verbleibenden Partner in ihre Sozietät oder Bürogemeinschaft aufnehmen wollen. Wird die Stelle aus der Sozietät abgespalten, etwa weil die Justizverwaltung sie mit einem Bewerber besetzt, der sich mit dem oder den Kollegen aus der ursprünglichen Sozietät beruflich nicht verbinden möchte oder mit dem sich die verbliebenen Notare nicht verbinden wollen, wird sie im Regelfall einer "Nullstelle" gleichkommen. Denn erfahrungsgemäß werden die Mandanten des ausgeschiedenen Notars bei der ihnen bereits bekannten Sozietät bleiben und nicht zu dem nunmehr als Einzelnotar tätigen Nachfolger wechseln (BGH v. 18.7.1994 - NotZ 14/93, BGHZ 127, 83 [94 f.] = MDR 1995, 206; BGHZ 59, 274 [282]; BT-Drucks. III/219, 45; Vollhardt, MittBayNot 1999 Heft 4 Sonderbeilage 7, 14; Weingärtner/Wöstmann, Richtlinienempfehlungen der BNotK, Richtlinien der Notarkammern, 2. Teil Rz. 29).

(2) Die Personalhoheit der Landesjustizverwaltung bei Neubesetzung einer freigewordenen Notarstelle soll aber auch die Chancengleichheit aller Bewerber (Art. 3 Abs. 1 GG) und den gem. Art. 33 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich garantierten gleichen Zugang zu dem öffentlichen Amt des Notars nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gewährleisten. Sie verhindert, dass die Besetzung der Notarstellen nach sachfremden Motiven wie persönlichen Beziehungen oder finanziellen Zuwendungen erfolgt. Zugleich wird dadurch die erforderliche Bestenauslese sichergestellt, die ebenfalls dem Interesse der Allgemeinheit an einer geordneten Rechtspflege dient. Zwar bleibt auch bei mehrgliedrigen beruflichen Verbindungen die nach den Kriterien des § 6 BNotO zu treffende Personalentscheidung letztlich der Justizverwaltung überlassen. Gleichwohl kann bereits der Kreis der Bewerber, aus dem die Auswahl zu treffen ist, eingeengt sein, weil an einer Mitarbeit in der betreffenden Sozietät und einer abgespaltenen "Nullstelle" kein Interesse besteht. Der von der Beschwerde in diesem Zusammenhang angestellte Vergleich mit der Zusammenlegung von Ämtern durch die öffentliche Hand, durch die ihre Personalhoheit faktisch gleichermaßen eingeschränkt werde, weil sich qualifizierte Bewerber angesichts der dadurch bedingten Verknappung von Beförderungsstellen von einer Bewerbung abhalten ließen, vermag nicht zu überzeugen. Dies schon deshalb nicht, weil eine solche Maßnahme Ausdruck eigener Organisationsgewalt der Verwaltung ist, in ihre alleinige freie Entscheidung fällt und keiner Einflussnahme von dritter Seite unterliegt.

4. Auch die Rechtsanwendung im Einzelfall ist nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat weder die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten, noch hat er davon in einer der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.

a) Die von den Antragstellern beabsichtigte Kooperation ist genehmigungsbedürftig. Die Regelung des § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BNotO i.V.m. § 9 BNotOVO bezieht sich sowohl auf die Verbindung zur gemeinsamen Berufsausübung als auch auf die gemeinsame Nutzung von Geschäftsräumen. Die Vorschrift umfasst damit die Sozietät wie die Bürogemeinschaft gleichermaßen (Lerch in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 5. Aufl., § 9 Rz. 4 f.; Schippel, BNotO, 7. Aufl., § 9 Rz. 1). Aus dem Kooperationsvertrag geht hervor, dass die Antragsteller eine gemeinsame Geschäftsstelle mit gemeinsamer Ausstattung und gemeinsamem Personal unterhalten wollen. Diese Verbindung geht aber wegen ihrer Verlautbarung nach außen (Briefkopf, Logo, Bezeichnung als Notariat "K. -straße 17"), die durch die Einziehung der gemeinsamen Erlöse über ein Treuhandkonto noch verstärkt wird, deutlich über eine bloße Bürogemeinschaft hinaus. Die beabsichtigte Form der Zusammenarbeit der Antragsteller lässt sich, wie es auch in § 8 des Kooperationsvertrags zum Ausdruck kommt, als Vorstufe für ein späteres Sozietätsverhältnis kennzeichnen. Auf Grund dieser konkreten Ausgestaltung ist ihre Verbindung so eng, dass sie dieselben Gefahren der Einflussnahme auf Personalauswahl und Personalentscheidung des Antragsgegners in sich birgt, wie sie bei mehr mehrgliedrigen Sozietät gegeben wären.

(2) Hinzu tritt, dass der Antragsgegner, in dessen Zuständigkeitsbereich es bis auf eine einzige aus drei Notaren bestehende Sozietät in C. nur "Zweier-Sozietäten" gibt, im Falle der Genehmigung eines mehrgliedrigen Zusammenschlusses zur gemeinsamen Berufsausübung sein Ermessen bindet. Er wäre auch in künftigen Fällen zur Gleichbehandlung anderer Nur-Notare verpflichtet, die ebenfalls eine Verbindung von mehr als zwei Partnern anstreben. Die Bildung von immer mehr und immer größeren Kooperationen oder Sozietäten wäre nicht aufzuhalten (BGH v. 18.7.1994 - NotZ 14/93, BGHZ 127, 83 [97 f.] = MDR 1995, 206). Es stünde eine Zurückdrängung verbleibender Einzelnotariate zu befürchten. Die übermäßige Konzentration von Beurkundungsgeschäften in ein und demselben Notariat gefährdet zudem die gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Dienstleistungen und beeinträchtigt die freie Notarwahl durch den rechtsuchenden Bürger ("Aufsaugen" von Notarstellen). Das wird vorliegend durch mögliche Vorteile, die ein mehrgliedriger Zusammenschluss für den rechtsuchenden Bürger haben kann, nicht ausgeglichen. Zwar mag in einem ausgesprochen großstädtischen Notarbüro eine Spezialisierung der gemeinschaftlich tätigen Notare auf bestimmte Sachgebiete angezeigt sein. Indes ist weder von den Antragstellern dargetan, dass sie eine solche Spezialisierung beabsichtigen, noch sonst ersichtlich, dass eine Spezialisierung auf Grund der strukturellen Verhältnisse vor Ort wünschenswert wäre.

c) Des Weiteren durfte der Antragsgegner die Versagung der Genehmigung auf das vorgerückte Alter des Antragstellers zu 3) stützen, der im Zeitpunkt des Antrags vor Vollendung des 62. Lebensjahres stand. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es in Fällen wie dem vorliegenden den "aufnehmenden" Notaren vor allem darum gehen wird, mit dem schon aus Altersgründen absehbaren Ausscheiden des neuen Partners dessen Mandate zu übernehmen. Der Genehmigungsvorbehalt des § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BNotO soll aber gerade verhindern, dass ein Notar auf diesem Weg sein Amt auf einen anderen Notar überträgt. Deshalb ist es grundsätzlich gerechtfertigt, nur auf Dauer angelegte Sozietäts- oder ihnen vergleichbare Kooperationsverhältnisse zu genehmigen (Schippel, BNotO, 7. Aufl., § 9 Rz. 17; Baumann, Rz. 8). Gegen die Anwendung einer abstrakten Altersgrenze bestehen dabei keine Bedenken. Es kann regelmäßig angenommen werden, dass die Mehrzahl der Notare die Altershöchstgrenze von 70 Jahren (§ 48a BNotO) nicht ausschöpfen, sondern für sich die Regelgrenze von 65 Jahren in Anspruch nehmen wird. Für die Annahme einer dauerhaften beruflichen Zusammenarbeit eine Altersgrenze von 60 Jahren zu ziehen, war jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft (BGH, Beschl., BGHZ 59, 274 [284 f.]).

d) Ob es im Hinblick auf die vom BVerfG erlassene einstweilige Anordnung zulässig wäre, die vom erkennenden Senat ausgesprochene Amtsenthebung des Antragstellers zu 3) zum Nachteil der Antragsteller zu berücksichtigen, kann offen bleiben. Dieser Umstand, der in dem angefochtenen Bescheid nur beiläufig erwähnt wird, hat sich ersichtlich auf das Ergebnis der von der Antragsgegnerin getroffenen Ermessensentscheidung nicht ausgewirkt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1406424

NJW 2006, 297

BGHR 2005, 1496

NJW-RR 2005, 1722

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