Verfahrensgang
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Werklohn in Höhe von 9.280 DM (4.744,79 EURO) in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten, Rechtsanwalt B., Berufung eingelegt. Das Landgericht hat die Berufungsbegründungsfrist bis zum 7. Januar 2002 verlängert. Am Tage des Fristablaufs versuchte Rechtsanwalt B. die Berufungsbegründung an die im Briefkopf des Landgerichts Lübeck angegebene Faxnummer (0451/37115-19) zu senden. Er unternahm um 18.55 und 18.58 Uhr insgesamt zwei Versuche, die beide scheiterten. Rechtsanwalt B. sandte den Schriftsatz sodann an die Faxnummer 0451/37115-23 des sich in demselben Gebäude befindenden Amtsgerichts. Dieser Schriftsatz ging am 7. Januar 2002 beim Amtsgericht und am 8. Januar 2002 beim Landgericht ein.
Ende Januar 2003 teilte das Berufungsgericht dem Prozeßbevollmächtigten des Beklagten mit, daß die Berufungsbegründung verspätet eingegangen sei. Der Prozeßbevollmächtigte beantragte daraufhin am 3. Februar 2003 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, Rechtsanwalt B. sei nach zwei gescheiterten Faxversuchen von einem Defekt bzw. von einem Zugangsproblem des Empfangsgerätes ausgegangen. Er habe daraufhin die Faxnummer des Amtsgerichts gewählt, da bereits bei einem früheren Rechtsstreit mit der Faxendnummer 19 Probleme aufgetreten seien, die er seinerzeit zum Anlaß genommen habe, bei der Posteingangsstelle des Justizzentrums anzufragen, wie in diesen Fällen zu verfahren sei. Dabei sei ihm mitgeteilt worden, daß Probleme mit der Faxendnummer 19 häufiger aufträten; dies sei bekannt; in diesen Fällen solle die Faxendnummer 23 gewählt werden. Daß die Faxendnummer 23 diejenige des Amtsgerichts sei, sei im Rahmen dieses Telefonats allerdings nicht mitgeteilt worden.
Das Landgericht hat sowohl den Wiedereinsetzungsantrag als auch die Berufung als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt der Beklagte Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft. Nach §§ 574 Nr. 1 i.V.m. 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 3 ZPO findet gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluß eines Landgerichts oder Oberlandesgerichts die Rechtsbeschwerde statt. Dem steht hier nicht entgegen, daß die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO nicht erreicht ist (BGH, Beschl. v. 4.9.2002 - VIII ZB 23/02, NJW 2002, 3783). Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht zulässig.
2. a) Die Rechtsbeschwerde wendet sich nicht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, daß die Berufungsbegründungsfrist versäumt worden ist. Sie meint aber, die Rechtsbeschwerde sei zulässig, weil die Frage von grundsätzlicher Bedeutung sei, ob die Ausschlußfrist des § 234 Abs. 3 ZPO auch dann greife, wenn das mit der Sache befaßte Gericht innerhalb des Jahres Handlungen vornehme, die auf eine Sachentscheidung hindeuteten, und weil die angefochtene Entscheidung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweiche und Wiederholungsgefahr bestehe.
b) Die von der Rechtsbeschwerde als grundsätzlich aufgeworfene Frage stellt sich nicht; denn der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten hat die Zweiwochenfrist nach § 234 Abs. 2 ZPO versäumt.
aa) Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt mit dem Ablauf des Tages, an dem das Hindernis behoben ist. Maßgebend für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt, in dem der verantwortliche Anwalt bei Anwendung der unter den gegebenen Umständen von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis hätte erkennen können (st. Rechtspr. unter anderem BGH, Beschl. v. 13.5.1992 - VIII ZB 3/92, NJW 1992, 2098, 2099; BGH, Beschl. v. 13.12.1999 - II ZR 225/98, BGHR ZPO § 234 Abs. 1 - Fristbeginn 12).
bb) Damit begann die Ausschlußfrist nach § 234 Abs. 2 ZPO hier am 8. Januar 2002. An diesem Tage hätte sich der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt Kenntnis von der Versäumung der Begründungsfrist verschaffen können und auch müssen.
Dabei kann mit der Rechtsbeschwerde unterstellt werden, daß der Prozeßbevollmächtigte nach zwei Fehlversuchen mit der Faxnummer des Landgerichts nicht zu weiteren Übertragungsversuchen unter dieser Nummer verpflichtet war; ferner, daß er auch auf die Auskunft des Mitarbeiters der Posteingangsstelle vertrauen durfte, daß dieser ihm eine weitere Faxnummer genannt und daß in der Vergangenheit das Landgericht Lübeck einen an diese Faxnummer übermittelten fristwahrenden Schriftsatz als fristgerecht akzeptiert hat. Darauf folgt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde aber nicht, daß das Berufungsgericht mit seiner Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist und auch nicht, daß die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist für den Beklagten und dessen Anwalt unvermeidbar gewesen ist.
Der Anwalt des Beklagten ging das Risiko der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ein, als er statt weiterer Anwahlversuche an das Landgericht ersatzweise die ihm von der Posteingangsstelle des Justizzentrums genannte Faxnummer anwählte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts konnte der Beklagtenvertreter erkennen, daß es sich bei dieser Faxnummer jedenfalls nicht um den Anschluß des Landgerichts handelte. Denn diese Faxnummer ist in keinem amtlichen Verzeichnis und keinem Briefkopf eines Schreibens des Landgerichts als alternative Faxnummer des Landgerichts bezeichnet. Der Anwalt des Beklagten konnte auch nicht erwarten, daß sein Schriftsatz fristgerecht am 7. Januar 2002, dem letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist, bei Rechtsmittelgericht eingehen werde, wenn er eine andere als die Faxnummer des Landgerichts benutzte. Zwar ist es in der Rechtsprechung anerkannt, daß ein unzuständiges Gericht jedenfalls dann, wenn es vorher selbst mit der Sache befaßt war, auf Grund der nachwirkenden Fürsorgepflicht gehalten ist, fristgebundene Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren im Zuge des ordentlichen Geschäftsgangs an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Geht der Schriftsatz so rechtzeitig ein, daß eine fristgerechte Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, wirkt sich das Verschulden der Partei oder ihres Prozeßbevollmächtigten nicht mehr aus (BVerfG NJW 2001, 1343; BGH, Beschl. v. 27.7.2000 - III ZB 28/00, NJW-RR 2000, 1730, 1731; BGH, Beschl. v. 15.6.2004 - VI ZB 75/03). Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Da der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten seinen fristgebundenen Schriftsatz am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist erst nach Dienstschluß übermittelte, konnte er nicht erwarten, daß dieser zur Fristwahrung noch am gleichen Tag an das zuständige Landgericht weitergereicht werden würde. Er mußte damit rechnen, daß dies erst am Folgetag geschehen werde. Selbst wenn der Beklagtenvertreter aufgrund der Mitteilung des Mitarbeiters der Posteingangsstelle angenommen haben sollte, er könne die mitgeteilte Faxnummer fristwahrend benutzen, entlastet ihn dies nicht. Da der Anwalt die benutzte Faxnummer des Justizzentrums nicht sicher dem Landgericht zuordnen konnte, hätte ihn bereits diese Unklarheit veranlassen müssen, am 8. Januar 2002 beim Landgericht zu klären, ob sein Schriftsatz fristgerecht beim Landgericht eingegangen war.
Eine sofortige Klärung der Sachlage war jedenfalls aber geboten, als der Anwalt die Mitteilung des Gerichts vom 8. Januar 2002 erhielt. Aus ihr konnte er nämlich auch ohne ausdrücklichen Hinweis unschwer entnehmen, daß seine Berufungsbegründung erst nach Ablauf der Begründungsfrist bei dem Rechtsmittelgericht eingegangen war. Zu den Pflichten eines Anwalts gehört es, bei Zugang einer gerichtlichen Mitteilung über das Eingangsdatum der Rechtsmittelschrift anhand dieser Mitteilung zu überprüfen oder durch geeignetes Personal überprüfen zu lassen, ob die Rechtsmittelschrift rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist (BGH, Beschl. v. 13.5.1992 - VIII ZB 3/92, NJW 1992, 2098).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2962024 |
JurBüro 2005, 111 |