Entscheidungsstichwort (Thema)

Heilpädagogin. Fachhochschule. Staatlich anerkannte Erzieherin. Geschuldete Vergütung. Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Höhere Betreuervergütung. Dauer der Ausbildung

 

Leitsatz (amtlich)

a) Die Ausbildung zur staatlich anerkannten Heilpädagogin an der Fachschule für Heilpädagogik der Rheinischen Sozialpflegerischen Fachschulen des Landschaftsverbandes Rheinland nach vorangegangener Berufsausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin ist einer abgeschlossenen Ausbildung an einer Hochschule i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG nicht vergleichbar (im Anschluss an Senatsbeschluss v. 24.4.2013 - XII ZB 10/13 - juris).

b) Die Bewilligung der nach dem Gesetz geschuldeten Vergütung stellt keinen (rechtswidrigen) Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.

 

Normenkette

FamFG § 168; VBVG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Beschluss vom 08.03.2013; Aktenzeichen 25 T 612/12)

AG Langenfeld (Entscheidung vom 20.09.2012; Aktenzeichen 7 XVII K 2335)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des LG Düsseldorf vom 8.3.2013 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 2) zurückgewiesen.

Wert: 179 EUR

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Betreuerin) begehrt eine höhere Betreuervergütung auf der Grundlage des Stundensatzes von 44 EUR.

Rz. 2

Sie ist im Jahr 2011 zur Berufsbetreuerin der Betroffenen bestellt worden; mit Beschluss vom 6.6.2012 wurde an ihrer Stelle eine neue Betreuerin bestellt. Die Betreuerin hat eine abgeschlossene Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin. In der Zeit vom 1.8.1990 bis zum 31.1.1992 absolvierte sie zudem die Ausbildung zur staatlich anerkannten Heilpädagogin an der Fachschule für Heilpädagogik der Rheinischen Sozialpflegerischen Fachschulen des Landschaftsverbandes Rheinland in Düsseldorf. Die 18 Monate dauernde Ausbildung berechtigt sie, die Berufsbezeichnung "staatlich anerkannte Heilpädagogin" zu führen. Die Betreuerin ist seit etwa 17 Jahren als Berufsbetreuerin tätig. In der Vergangenheit wurde ihr für ihre Tätigkeit eine Vergütung entsprechend der höchsten Vergütungsstufe (derzeit 44 EUR je Stunde) gewährt. Die Anweisung erfolgte jeweils im Verwaltungsweg.

Rz. 3

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Betreuerin die Festsetzung ihrer Vergütung für den Zeitraum 11.2.2012 bis 6.6.2012. Das AG hat der Betreuerin einen Stundensatz von 33,50 EUR zuerkannt (insgesamt 569,50 EUR). Das LG hat ihre Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betreuerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

Rz. 4

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die angegriffene Entscheidung ist nicht zu beanstanden und hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.

Rz. 5

1. Das LG hat ausgeführt, die abgeschlossene Ausbildung zur staatlich anerkannten Heilpädagogin sei nicht mit einem Abschluss an einer (Fach-)Hochschule vergleichbar. Zwar sei Zugangsvoraussetzung für diese Ausbildung der Nachweis eines Erstberufs als Erzieher, Heilerziehungspfleger oder Krankenschwester. Der vermittelte Wissensstand entspreche hier jedoch bereits nach Art und Umfang nicht dem eines Hochschulstudiums. So reiche der mit der Ausbildung verbundene Zeitaufwand nicht an den eines Vollzeitstudiums an einer Fachhochschule heran. Die von der Betreuerin absolvierte Ausbildung zur Heilpädagogin dauere 18 Monate. Auch mit den absolvierten 1.800 Ausbildungsstunden erreiche sie nicht den für einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss erforderlichen Gesamtzeitaufwand. Ein Fachhochschulstudium mit dem Abschlussgrad eines Bachelors setze ein mindestens dreijähriges Vollzeitstudium voraus, bei einem geschätzten Arbeitsaufwand der Studierenden pro Semester von etwa 900 Stunden und einem Gesamtarbeitsaufwand von etwa 5.400 Stunden. Umfang und Inhalt des Lehrstoffes der von der Beschwerdeführerin absolvierten Ausbildung zur staatlich anerkannten Heilpädagogin seien damit nicht vergleichbar. Schließlich sei auch die allgemeine Fachhochschulreife für die Zulassung der Beschwerdeführerin zu der von ihr absolvierten Ausbildung zur staatlich anerkannten Heilpädagogin nicht Voraussetzung gewesen.

Rz. 6

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

Rz. 7

a) Der Senat hat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung mit Beschluss vom 24.4.2013 (XII ZB 10/13 - juris) entschieden, dass die - auch hier im Streit stehende - Ausbildung zur staatlich anerkannten Heilpädagogin an der Fachschule für Heilpädagogik der Rheinischen Sozialpflegerischen Fachschulen des Landschaftsverbandes Rheinland in Düsseldorf nach vorangegangener Berufsausbildung zur staatlich anerkannten Krankenschwester einer abgeschlossenen Ausbildung an einer (Fach-)Hochschule nicht vergleichbar ist (zum dortigen Sachverhalt vgl. die Ausgangsentscheidung des LG Düsseldorf vom 13.12.2012 - 25 T 622/12 - juris Rz. 1). Dabei hat der Senat Bezug genommen auf seine Entscheidung vom 18.1.2012 (XII ZB 409/10, FamRZ 2012, 629 Rz. 11), in der er die Grundsätze dafür aufgestellt hat, wann eine Ausbildung einer Hochschulausbildung i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG vergleichbar ist.

Rz. 8

Zudem hat der Senat entschieden, dass die Frage, ob ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen für eine erhöhte Vergütung gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG erfüllt, einer wertenden Betrachtungsweise des Tatrichters unterliegt. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob der Tatrichter die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (BGH v. 18.1.2012 - XII ZB 409/10, FamRZ 2012, 629 Rz. 8).

Rz. 9

Schließlich hat der Senat entschieden, dass ein schützenswertes Vertrauen des Betreuers darauf, dass er weiterhin den ihm zuvor im Verwaltungsverfahren zugebilligten Stundensatz von 44 EUR erhält, nicht besteht (Senatsbeschluss v. 24.4.2013 - XII ZB 10/13 - juris Rz. 5; vgl. auch BGH v. 8.2.2012 - XII ZB 230/11 - juris Rz. 14 f. m.w.N.).

Rz. 10

b) Gemessen an dieser Senatsrechtsprechung hält die angegriffene Entscheidung den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.

Rz. 11

aa) Das LG hat die vom Senat aufgestellten Maßstäbe zutreffend wiedergegeben und im Ergebnis auch in nicht zu beanstandender Weise auf den Fall angewandt; ob dem Berufsabschluss zur Heilpädagogin eine Krankenpflegeausbildung oder - wie hier - eine Erzieherausbildung vorausgegangen ist, macht insoweit keinen Unterschied. Vor allem hat sich das LG in nicht zu beanstandender Weise mit der Dauer der Ausbildung als maßgeblichem Kriterium für die Vergleichbarkeit auseinandergesetzt (vgl. dazu auch BGH v. 26.10.2011 - XII ZB 312/11, FamRZ 2012, 113 Rz. 15 zur Einordnung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG [Lehre]). Ferner hat es als wesentliches Kriterium die Zulassungsvoraussetzungen herangezogen (s. dazu BGH v. 18.1.2012 - XII ZB 409/10, FamRZ 2012, 629 Rz. 11). Wenn sich das Gericht im Hinblick auf die Dauer und den Umfang der Ausbildung nicht ausdrücklich mit dem Inhalt des bei der entsprechenden Ausbildung vermittelten Lehrstoffs auseinandersetzt, ist dies entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Entsprechendes gilt für die Rüge der Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht hätte zu den festgestellten 1.800 absolvierten Ausbildungsstunden noch jeweils zwei Stunden für Vor- und Nachbereitung hinzuzählen müssen. Insoweit möchte sie die - der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht entzogene - tatrichterliche Bewertung durch ihre eigene Einschätzung ersetzen. Dass sich der Tatrichter vorliegend hinsichtlich des Vergleichsmaßstabs an den gegenwärtig bestehenden Anforderungen an eine Hochschulausbildung (Bachelor) orientiert hat, ist als tatrichterliche Entscheidung aus Rechtsgründen ebenso wenig zu beanstanden; hinzukommt, dass die Einführung des Bachelors die Dauer des Hochschulstudiums eher verkürzt hat (zur st. Senatsrechtsprechung vgl. auch Senatsbeschluss v. 4.12.2013 - XII ZB 252/13 - zur Veröffentlichung bestimmt).

Rz. 12

bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Vergütung mit einem Stundensatz von 44 EUR auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes geboten.

Rz. 13

Bezogen auf den im Streit stehenden Zeitraum (vom 11.2. bis 6.6.2012) war der Betreuerin ohnehin keine den Stundensatz von 33,50 EUR übersteigende Vergütung bewilligt worden (vgl. zum Vertrauensschutz bei einer im Festsetzungsverfahren nach § 168 FamFG rückwirkenden Überprüfung der bereits im Verwaltungswege bewilligten Vergütung: BGH v. 6.11.2013 - XII ZB 86/13 - juris Rz. 22 ff.).

Rz. 14

Soweit sich die Betreuerin darauf beruft, dass sie auch künftig auf den ihr in der Vergangenheit im Wege der Verwaltungsanordnung zugebilligten Stundensatz der höchsten Stufe (derzeit 44 EUR) aufgrund der jahrelangen Verwaltungspraxis habe vertrauen dürfen, kann sie ein schutzwürdiges Vertrauen hieraus schon deshalb nicht herleiten, weil sie nach den Feststellungen des LG in der Vergangenheit ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, dass die Anweisung "lediglich im Verwaltungsverfahren erfolgt ist und die Möglichkeit einer förmlichen Beschlussfassung besteht".

Rz. 15

Im Übrigen ist die Verwaltungsanweisung gegenüber einer Festsetzung der Vergütung nach § 292 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 168 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FamFG, die auf Antrag des Betreuers oder des Betreuten oder von Amts wegen veranlasst werden kann, subsidiär. Mit der gerichtlichen Entscheidung wird die Anweisung des Kostenbeamten des Gerichts wirkungslos (BGH v. 6.11.2013 - XII ZB 86/13 - juris Rz. 29). Schon weil es der Betreuer mithin selbst in der Hand hat, einen Festsetzungsantrag zu stellen und damit die rechtsverbindliche Festsetzung der Vergütung für die dem Antrag zugrunde liegenden Zeiträume zu erlangen, ist eine Hinweispflicht des Gerichtes entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht gegeben.

Rz. 16

Die Rechtsbeschwerde kann auch mit ihrem Einwand nicht durchdringen, die aus ihrer Sicht zu geringe Vergütung stelle einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Unbeschadet der Frage, ob eine zu geringe Vergütung einen solchen Eingriff, der betriebsbezogen sein muss, darstellen kann, fehlt es jedenfalls an der erforderlichen Rechtswidrigkeit des Eingriffs (vgl. hierzu BGHZ 193, 227 = NJW 2012, 2579 Rz. 21 und 27 m.w.N.). Denn die entsprechend der gesetzlichen Vorgaben festgesetzte Vergütung kann keinen rechtwidrigen Eingriff in die von einem Berufsbetreuer ausgeübte Tätigkeit darstellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 6398511

EBE/BGH 2014

FamRZ 2014, 377

FuR 2014, 224

NJW-RR 2014, 391

FGPrax 2014, 66

JurBüro 2014, 213

BtPrax 2014, 95

JZ 2014, 144

MDR 2014, 430

Rpfleger 2014, 257

NZFam 2014, 190

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