Leitsatz (amtlich)
Sind sowohl eine juristische Person als auch ihr Organ aus einem Vollstreckungstitel zur Unterlassung verpflichtet und handelt das Organ im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit für die juristische Person dem Verbot zuwider, ist nur gegen die juristische Person ein Ordnungsgeld nach § 890 ZPO festzusetzen.
Normenkette
ZPO § 890
Verfahrensgang
KG Berlin (Beschluss vom 24.05.2011; Aktenzeichen 5 W 64/11) |
LG Berlin (Beschluss vom 11.02.2011; Aktenzeichen 15 O 389/09) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners zu 2) wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des KG vom 24.5.2011 aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners zu 2) wird der Beschluss der Zivilkammer 15 des LG Berlin vom 11.2.2011 hinsichtlich der Kostenentscheidung und insoweit abgeändert, als zum Nachteil des Schuldners zu 2) ein Ordnungsgeld festgesetzt worden ist.
Der Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen den Schuldner zu 2) wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten erster Instanz tragen die Gläubigerin und die Schuldnerin zu 1) je zur Hälfte. Von den außergerichtlichen Kosten erster Instanz tragen die Gläubigerin diejenigen des Schuldners zu 2) und die Schuldnerin zu 1) die Hälfte derjenigen der Gläubigerin. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten erster Instanz selbst.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren fallen der Gläubigerin zur Last.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
I. Die Schuldnerin zu 1) (nachfolgend Schuldnerin), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist im Direktvertrieb tätig. Der Schuldner zu 2) (nachfolgend Schuldner) ist Geschäftsführer der Schuldnerin.
Rz. 2
Das LG Berlin hat beiden Schuldnern bestimmte Behauptungen im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Gaslieferungen untersagt. Wegen Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot hat das LG gegen die Schuldner als Gesamtschuldner ein Ordnungsgeld i.H.v. 10.000 EUR, ersatzweise für je 500 EUR ein Tag Ordnungshaft, zu vollziehen am Schuldner, festgesetzt. Die dagegen nur vom Schuldner eingelegte Beschwerde hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner sein Begehren weiter, den Ordnungsmittelantrag zurückzuweisen.
Rz. 3
II. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Rz. 4
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Seien - wie im vorliegenden Fall - eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und ihr Geschäftsführer zur Unterlassung verpflichtet und habe der Geschäftsführer schuldhaft gegen das gerichtliche Verbot verstoßen, sei ein einheitliches Ordnungsgeld gegen beide Schuldner festzusetzen, für das diese als Gesamtschuldner hafteten.
Rz. 5
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 6
a) Sind sowohl eine juristische Person als auch ihr Organ aus einem Vollstreckungstitel zur Unterlassung verpflichtet und handelt das Organ im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit für die juristische Person dem Verbot zuwider, ist nur gegen die juristische Person ein Ordnungsgeld nach § 890 ZPO festzusetzen (vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 2.10.2007 - 5 W 99/07, juris; Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 12 Rz. 405; Schuschke/Walker/Sturhahn, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 890 Rz. 45; für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes und Haftung als Gesamtschuldner OLG Hamm NJW-RR 1987, 383 und WRP 2000, 413, 417; OLG Braunschweig, WRP 1990, 723, 724; Ahrens in Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl., Kap. 68 Rz. 8; Ehricke in MünchKomm/UWG, Vor § 12 Rz. 167; weitergehend für Festsetzung getrennter Ordnungsgelder OLG Köln, Beschl. v. 25.4.2007 - 6 W 40/07, juris Rz. 1 und 3).
Rz. 7
b) Ist Vollstreckungsschuldner eines Unterlassungsgebots ausschließlich eine juristische Person, ist bei einer schuldhaften Zuwiderhandlung das Ordnungsgeld gegen die juristische Person und die ersatzweise bestimmte Ordnungshaft gegen das Organmitglied festzusetzen, das schuldhaft gegen das Verbot verstoßen hat (vgl. BGH, Urt. v. 16.5.1991 - I ZR 218/89, GRUR 1991, 929, 931 = WRP 1993, 467 - Fachliche Empfehlung II; OLG Koblenz VersR 1997, 1556, 1557; OLG Jena, InVo 2002, 121; Gruber in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 890 Rz. 24; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 890 Rz. 6; für ein wahlweises Ordnungsgeld gegen die juristische Person oder das Organ Musielak/Lackmann, ZPO, 8. Aufl., § 890 Rz. 12; für Ordnungsmittel nur gegen die Organe Wieczorek/Schütze/Storz, ZPO, 3. Aufl., § 890 Rz. 55). Entsprechendes gilt, wenn auch das Organ neben der juristischen Person Titelschuldner ist und sein schuldhaftes Verhalten, das Gegenstand des Ordnungsmittelverfahrens ist, der juristischen Person nach § 31 BGB zuzurechnen ist. Die juristische Person ist selbst nicht handlungsfähig. Sie handelt durch ihre Organe. Deren schuldhafte Zuwiderhandlung muss sie sich nach § 31 BGB zurechnen lassen. Die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen die juristische Person und ihre Organe nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen setzt daher nur einen schuldhaften Verstoß des Organs gegen das Unterlassungsgebot voraus. Dagegen besteht kein Anlass, aufgrund einer der juristischen Person zurechenbaren schuldhaften Zuwiderhandlung ihres Organs daneben zusätzlich Ordnungsmittel gegen das Organ festzusetzen oder dessen gesamtschuldnerische Haftung zu begründen.
Rz. 8
Für dieses Ergebnis sprechen auch Sinn und Zweck der Ordnungsmittel nach § 890 ZPO, die neben der Funktion als zivilrechtliche Beugemaßnahme zur Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen auch einen repressiven strafähnlichen Sanktionscharakter haben (vgl. BVerfGE 58, 159, 162; BVerfG NJW-RR 2007, 860 Rz. 11; BGH, Beschl. v. 23.10.2003 - I ZB 45/02, BGHZ 156, 335, 345 f. - Euro-Einführungsrabatt; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 12 Rz. 6.12; Zöller/Stöber, a.a.O., § 890 Rz. 5). Damit ist schwerlich vereinbar, dass aufgrund der von einer natürlichen Person begangenen Zuwiderhandlung ein und dasselbe Ordnungsmittel gegen mehrere Personen festgesetzt wird.
Rz. 9
Dadurch wird eine gesonderte Inanspruchnahme des Organs neben der juristischen Person im Erkenntnisverfahren nicht überflüssig. Diese erlangt vielmehr ihre Bedeutung, wenn das Handeln des Organs der juristischen Person nicht nach § 31 BGB zurechenbar ist, weil es sich aus Sicht eines Außenstehenden so weit vom organschaftlichen Aufgabenbereich entfernt, dass der allgemeine Rahmen der ihm übertragenen Obliegenheiten überschritten erscheint (vgl. BGH, Urt. v. 20.2.1979 - VI ZR 256/77, NJW 1980, 115 f.; Urt. v. 13.1.1987 - VI ZR 303/85, BGHZ 99, 298, 300). Das kommt etwa in Betracht, wenn das Organ für einen neben der juristischen Person bestehenden eigenen Geschäftsbetrieb oder eine andere juristische Person die schuldhafte Zuwiderhandlung begangen hat.
Rz. 10
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1, 788 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2921996 |
NJW 2012, 8 |
EBE/BGH 2012 |
GRUR 2012, 541 |
NZG 2012, 320 |
WM 2012, 414 |
ZAP 2012, 396 |
ZIP 2012, 1431 |
AnwBl 2012, 99 |
MDR 2012, 429 |
NJ 2012, 4 |
FoVo 2012, 119 |
GRUR-Prax 2012, 177 |
GWR 2012, 159 |
NJW-Spezial 2012, 176 |
VE 2012, 62 |
Mitt. 2012, 197 |