Entscheidungsstichwort (Thema)
anwaltliche Werbung
Leitsatz (amtlich)
Zur Verwendung einer Kanzleibezeichnung.
Normenkette
BRAO § 43b
Verfahrensgang
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des I. Senats des Anwaltsgerichtshofes Baden-Württemberg vom 2. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und dem Antragsteller die ihm im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Mitglied einer Rechtsanwaltssozietät; die beteiligten Rechtsanwälte sind nahezu ausschließlich auf dem Gebiet des Arbeitsrechts tätig und bearbeiteten gelegentlich einzelne zivilrechtliche Fälle. Die Sozietät verwendete Briefbögen, auf denen rechts oben in einer Spalte die Namen der vier beteiligten Rechtsanwälte untereinander angeordnet sind. Unter dem Namen befindet sich jeweils die Angabe „Rechtsanwalt”, die bei zwei Mitgliedern der Sozietät mit dem Zusatz „Fachanwalt für Arbeitsrecht”, bei einem weiteren mit dem Zusatz „Tätigkeitsschwerpunkt: Arbeitsrecht” ergänzt wird. In einer rechts daneben angeordneten Spalte ist unter der Überschrift „G., T. & Kollegen” angegeben „Kanzlei für Arbeitsrecht und allgemeines Zivilrecht”. Nach dem Ausscheiden des Sozietätsmitglieds, das gelegentlich zivilrechtliche Fälle bearbeitete, wurde der Briefbogen dahingehend geändert, daß als Kanzleibezeichnung nur noch „Kanzlei für Arbeitsrecht” angeführt ist.
Mit Bescheid vom 12. Mai 1999 untersagte es die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter Berufung auf § 7 der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA), im Kanzleibriefbogen die Bezeichnung „Kanzlei für Arbeitsrecht und allgemeines Zivilrecht” zu führen. Dem hiergegen gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof durch Beschluß vom 2. Oktober 1999 (AnwBl. 2000, 253) stattgegeben. Mit der zugelassenen sofortigen Beschwerde begehrt die Antragsgegnerin die Aufhebung der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs und die Zurückweisung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung.
II.
Das Rechtsmittel ist gemäß § 223 Abs. 3 Satz 1 BRAO zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Der Anwaltsgerichtshof hat zu Recht entschieden, daß die Vorschriften der Berufsordnung der Rechtsanwälte den Antragsteller als Mitglied der Sozietät nicht verpflichten, die Verwendung der von der Antragsgegnerin beanstandeten Kanzleibezeichnung zu unterlassen.
1. a) Die Kanzleibezeichnung auf den von der Sozietät – und damit vom Antragsteller – verwendeten Briefbögen zielt auf Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Bereiche anwaltlicher Tätigkeit, die – auf die Sozietät insgesamt bezogen – von den in ihr verbundenen Mitgliedern wahrgenommen werden. Das folgt schon daraus, daß im Briefkopf die Kanzleibezeichnung unmittelbar unter der Kurzbezeichnung der Sozietät angeordnet ist. Die Kanzleibezeichnung ist damit Teil der beruflichen Außendarstellung der Sozietät als Personenverbund, daneben aber auch des einzelnen Rechtsanwalts in seiner Stellung als Mitglied der Sozietät. Dabei greift diese Außendarstellung nicht auf eine besondere fachliche Qualifikation des einzelnen Rechtsanwalts oder der Mitglieder der Sozietät zurück, noch hebt sie eine solche hervor, sie beschränkt sich vielmehr auf die Benennung von Teilbereichen anwaltlicher Berufsausübung zur schlagwortartigen Kennzeichnung der fachlichen Ausrichtung der Sozietät insgesamt. Auch in dieser Ausgestaltung ist die Kanzleibezeichnung – die als solche auch für den Einzelanwalt in Betracht kommt – aber darauf gerichtet, durch den Hinweis auf die fachliche Ausrichtung der angebotenen Leistungen zu werben.
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluß vom 17. April 2000 – 1 BvR 721/99 – BRAK-Mitt. 2000, 137) fällt in den Bereich der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten berufsbezogenen Tätigkeiten auch die berufliche Außendarstellung der Grundrechtsberechtigten einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste. Eingriffe in diesen grundrechtlich geschützten Bereich der Berufsausübung bedürfen nach Art. 12 Abs. 1 GG einer gesetzlichen Grundlage. Insoweit bestehen allerdings auch gegen Berufsausübungsregelungen, die nach gesetzlicher Ermächtigung in Gestalt von Satzungen öffentlich-rechtlicher Berufsverbände getroffen werden – wie hier die Berufsordnung der Rechtsanwälte – grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfGE 101, 312, 323 = BRAK-Mitt. 2000, 36, 38). Für die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Untersagung der Verwendung der Kanzleibezeichnung ergibt sich aber aus den – aufgrund der Ermächtigung in § 59 b BRAO erlassenen – Vorschriften der Berufsordnung der Rechtsanwälte keine rechtliche Grundlage.
2. a) § 7 BORA, der durch die Ermächtigung in § 59 b Abs. 2 Nr. 3 BRAO gedeckt ist (vgl. Senatsbeschluß vom 16. Oktober 2000 – AnwZ (B) 65/99 – zur Veröffentlichung bestimmt), regelt – wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend dargelegt hat – die Verwendung von Kanzleibezeichnungen nicht, mit denen durch die schlagwortartige Angabe von Teilbereichen anwaltlicher Berufsausübung auf die fachliche Ausrichtung der Kanzlei einer Sozietät oder eines Einzelanwalts hingewiesen wird (vgl. auch Feuerich/Braun, BRAO, 5. Aufl. § 7 BO Rn. 6). Die Vorschrift steht – wie sich aus ihrem Satz 1 unmittelbar erschließt – in Zusammenhang mit der Befugnis des Rechtsanwalts, eine Fachanwaltsbezeichnung zu führen (§ 43 c Abs. 1 BRAO). Wie jene Befugnis an die Person des Rechtsanwalts gebunden ist, ist auch die Benennung von Interessen- und/oder Tätigkeitsschwerpunkten nach § 7 BORA an die Person des einzelnen Rechtsanwalts gebunden. Das ergibt sich schon aus § 7 Abs. 2 BORA, der für die Benennung eines Tätigkeitsschwerpunkts an die Person des Rechtsanwalts geknüpfte Voraussetzungen schafft; daß für Interessenschwerpunkte nichts anderes gilt, liegt auf der Hand. Aus diesen Zusammenhängen folgt zugleich, daß sich die Wendung „… dürfen als Teilbereiche der Berufsausübungnur Interessen- und/oder Tätigkeitsschwerpunkte benannt werden” auf die personenbezogene Kennzeichnung fachlicher Spezialisierungen bezieht („Qualifikationsleiter” vom Interessenschwerpunkt über den Tätigkeitsschwerpunkt zur Fachanwaltsbezeichnung, vgl. Hartung/Holl/Römermann, Anwaltliche Berufsordnung, § 7 BerufsO Rn. 26; Feuerich/Braun aaO, § 7 BO Rn. 4). Sie sagt demgemäß nichts darüber aus, ob und welche Angaben über die Wahrnehmung von Teilbereichen anwaltlicher Berufsausübung in anderem Zusammenhang und ohne Anknüpfung an eine besondere fachliche Spezialisierung des einzelnen Rechtsanwalts – namentlich in Zusammenhang mit einer Kanzleibezeichnung – Verwendung finden können.
Der Anwaltsgerichtshof hat allerdings zu Recht erwogen, ob § 7 BORA über Wortlaut und systematischen Zusammenhang hinaus dahin auszulegen sein könnte, daß die Angabe von Teilbereichen anwaltlicher Tätigkeit nur und ausschließlich personengebunden möglich, die Verwendung von Teilbereichsbezeichnungen ansonsten also unzulässig sei. Für die Annahme einer solchen Exklusivität – die zwar, wie der Antragsgegner mit Recht anmerkt, Mißbrauch zu hindern geeignet wäre – geben jedoch weder § 7 BORA selbst noch die weiteren berufsordnungsrechtlichen Regelungen ausreichende Anhaltspunkte. §§ 6 ff. BORA schaffen keine abschließende Regelung zulässiger anwaltlicher Werbung. Schon § 6 Abs. 1 BORA und – ihn überlagernd – § 43 b BRAO legen nicht abschließend fest, welche Informationen über die Dienstleistung eines Rechtsanwalts zulässig sind (BVerfG BRAK-Mitt. 2000, 137, 139). Deshalb ist erst recht nicht davon auszugehen, daß einer formalisierten Einzelregelung wie § 7 BORA Exklusivität im oben dargestellten Sinne zukommt, sie also den Bereich der Information über die Ausübung von Teilbereichen der Berufstätigkeit auf die Angabe von personengebundenen Kennzeichnungen der fachlichen Spezialisierung beschränkt.
b) Auch die Vorschrift des § 9 BORA regelt – wie der Anwaltsgerichtshof mit Recht angenommen hat – die Angabe der fachlichen Ausrichtung einer Sozietät durch eine Kanzleibezeichnung nicht. Sie betrifft allein die Kennzeichnung des Tatbestandes der beruflichen Zusammenarbeit von Rechtsanwälten. Die Regelung entspricht im wesentlichen § 28 Abs. 3 der früheren Grundsätze des anwaltlichen Standesrechts, die bereits vorsahen, daß zu gemeinschaftlicher Berufsausübung verbundene Rechtsanwälte eine Kurzbezeichnung führen dürfen, in der nur der Name eines oder einzelner Rechtsanwälte mit einem auf die Anwaltsgemeinschaft hinweisenden Zusatz verwendet wird. Schon bei diesem Grundsatz ging es nur um die Verwendung einer das Merkmal der beruflichen Zusammenarbeit ausweisenden Kurzbezeichnung und/oder eines diesem Ziel entsprechenden Zusatzes. Daß sich daran bei Einführung des § 9 BORA etwas geändert hat, ist aus seiner Entstehungsgeschichte nicht ersichtlich (vgl. die Darstellung bei Hartung/Holl/Römermann aaO BerufsO, § 9 Rn. 2 ff.). § 9 BORA betrifft vielmehr nach Wortlaut und erkennbarem Sinngehalt allein die Berechtigung zur Führung einer die berufliche Zusammenarbeit kennzeichnenden Kurzbezeichnung, wobei hierbei „nur” (§ 9 Abs. 3 BORA) ein auf diese Zusammenarbeit hinweisender Zusatz Verwendung finden darf.
Diese Zielrichtung der Vorschrift ist auch für die Auslegung von § 9 Abs. 3 BORA maßgeblich. Deshalb rechtfertigt auch die Wendung, die Kurzbezeichnung dürfe „nur” einen auf die gemeinschaftliche Berufsausübung hinweisenden Zusatz enthalten, jedenfalls nicht die Annahme, damit werde zugleich die Unzulässigkeit einer die fachliche Ausrichtung der Sozietät betreffenden Kanzleibezeichnung bestimmt, die neben einer Kurzbezeichnung geführt wird. Auch § 9 Abs. 3 BORA beschränkt sich vielmehr auf die Regelung dessen, was zur Kennzeichnung des Tatbestandes der beruflichen Zusammenarbeit in der Kurzbezeichnung enthalten sein darf.
3. Da die Verwendung der Kanzleibezeichnung auf den Briefbögen der Sozietät den Vorschriften der Berufsordnung nicht widerspricht, ist sie grundsätzlich durch das anwaltliche Werberecht gedeckt, das dem Rechtsanwalt Raum für sachgerechte, nicht irreführende Information (§§ 43 b BRAO, 6 Abs. 1 BORA) im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr beläßt (vgl. BVerfG, BRAK-Mitt. 2000, 89). Daß die Kanzleibezeichnung hier den Rahmen einer sachlichen, angemessen gestalteten, an den Interessen des Verkehrs ausgerichteten Information wahrt, zieht auch die Antragsgegnerin nicht in Zweifel. Der Anwaltsgerichtshof hat diese Information aber mit Recht auch nicht als irreführend beurteilt. Dabei nötigt der hier zu entscheidende Fall nicht dazu, abschließend die Grenze zu bestimmen, jenseits derer die Verwendung einer Kanzleibezeichnung als irreführende Werbung anzusehen ist. Jedenfalls im vorliegenden Falle kommt angesichts der Prägung der Sozietät durch die als Fachanwälte zugelassenen Partner eine Irreführung des rechtsuchenden Publikums und damit eine Umgehung des § 7 BORA nicht in Betracht. Daß schließlich auch die zusätzliche Angabe „allgemeines Zivilrecht” hier nicht als irreführend anzusehen war, ergibt sich schon daraus, daß dieser Bereich anwaltlicher Tätigkeit, der ohnehin mit dem Arbeitsrecht eng verbunden ist, bis zu dem Ausscheiden eines Mitglieds der Sozietät und dem daran geknüpften Wechsel der Kanzleibezeichnung neben dem Bereich des Arbeitsrechts von der Sozietät abgedeckt worden ist.
Unterschriften
Hirsch, Basdorf, Ganter, Terno, Salditt, Christian, Wosgien
Fundstellen
BB 2001, 696 |
DStZ 2001, 336 |
NJW 2001, 1573 |
BGHR 2001, 355 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 2001, 657 |
WRP 2001, 537 |
MittRKKöln 2001, 141 |
Mitt. 2001, 231 |
WPK-Mitt. 2001, 317 |