Anwaltschaft: Compliance-Regeln für Berufsausübungsgesellschaften

Die Satzungsversammlung hat einen Compliance-Standard für anwaltliche Berufsausübungsgesellschaften beschlossen. Dieser enthält obligatorische Maßnahmen zur Kontrolle der Einhaltung des anwaltlichen Berufsrechts.

Die 7. Satzungsversammlung der BRAK hat am 8.5.2023 eine Neuregelung der für Berufsausübungsgesellschaften und Anwaltssozietäten geltenden Compliance-Regeln beschlossen. Ein neuer § 31 BORA setzt künftig Mindeststandards zur Einhaltung und Kontrolle der Regeln des anwaltlichen Berufsrechts.

Compliance-Grundverpflichtung in der BRAO

Die Neuregelung dient der Konkretisierung der im vergangenen Jahr im Rahmen der BRAO-Reform eingeführten Vorschrift des § 59c Abs. 2 BRAO. Danach haben die Berufsausübungsgesellschaften durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Verstöße gegen das Berufsrecht frühzeitig erkannt und abgestellt werden. Diese Verpflichtung ist vom Gesetzgeber als Ausgleich für die mit der BRAO-Reform neu geschaffenen Organisationsfreiheiten für Berufsausübungsgesellschaften gedacht.

Konkretisierung der Kontrollpflichten in der BORA

Der neue § 31 BORA soll künftig konkretisieren, wie die Maßnahmen zur Sicherstellung der Einhaltung der berufsrechtlichen Regeln in Berufsausübungsgesellschaften auszugestalten sind. Bereits vor der BRAO-Reform waren die Mitglieder einer Sozietät verpflichtet, die Einhaltung des Berufsrechts für die gesamte Sozietät, d. h. auch durch die übrigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, sicherzustellen. Der neue § 31 BORA gibt nun einen Katalog von Maßnahmen vor, wie die Einhaltung der berufsrechtlichen Regelungen im Einzelnen sicherzustellen ist.

Risikoanalyse ist Grundlage der zu treffenden Maßnahmen

§ 31 BORA sieht ein mehrstufiges Verfahren zur Überwachung der Einhaltung berufsrechtlicher Regeln vor. Grundlage der anwaltlichen Compliance ist danach eine fortlaufende Analyse der Risiken möglicher berufsrechtlicher Verstöße. Deshalb statuiert § 31 Abs. 1 BORA die Pflicht der Berufsausübungsgesellschaften, ihre konkreten Risiken für berufsrechtliche Verstöße unter besonderer Berücksichtigung ihrer Organisationsstruktur und der Tätigkeitsfelder, in denen sie tätig sind, fortlaufend zu ermitteln und zu bewerten.

Die Compliance-Regeln im Detail:

Die Risikoanalyse ist nach § 31 Abs. 2 BORA die Grundlage für die weiteren Maßnahmen, die zum Schutz vor berufsrechtlichen Verstößen zu ergreifen sind. Hierzu werden in § 31 Abs. 2 BORA folgende Maßnahmen aufgeführt:

  • Die Bestellung einer oder eines Berufsrechtsbeauftragten (Compliance-Officers),
  • die Durchführung von berufsrechtlichen Schulungen,
  • die Installierung elektronischer Systeme zur Vermeidung von Interessenkollisionen,
  • die Implementierung einer elektronischen Überwachung von Anderkonten,
  • die Einrichtung einer internen Hinweismeldestelle für berufsbezogene Beschwerden.

Dokumentationspflichten für größere Berufsausübungsgesellschaften

Für große Berufsausübungsgesellschaften mit regelmäßig mehr als 10 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, Patentanwälten, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern schafft § 31 Abs. 3 BORA zusätzliche Dokumentationspflichten. Die Pflicht zur Dokumentation umfasst sowohl die Risikoanalyse als auch die nach § 31 Abs. 2 BORA getroffenen Maßnahmen. Die Dokumentation ist alle 2 Jahre zu aktualisieren.

Erleichterte Nachholung der Pflichtfortbildung für Fachanwälte

Neben der Kodifizierung der Compliance-Regelungen hat die 7. Satzungsversammlung die Regelungen zur Nachholung versäumter Pflichtfortbildungsstunden für Fachanwältinnen und Fachanwälte geändert. Insgesamt wird die Nachholung durch eine Änderung der §§ 4 Abs. 2, 15 Abs. 5 FAO künftig erleichtert. Anwärterinnen und Anwärter auf den Fachanwaltstitel haben künftig die Möglichkeit, bis zu 10 Zeitstunden der Fortbildung in einem angemessenen Zeitraum nachzuholen. Auch Fachanwältinnen und Fachanwälte haben künftig die Möglichkeit, versäumte Fortbildung in angemessener Zeit nachzuholen.

Compliance-Regeln könnten bis Jahresende in Kraft treten

Die Beschlüsse der Satzungsversammlung werden nun vom Bundesministerium der Justiz geprüft. Die Prüfung kann bis zu 3 Monate dauern. Beanstandet das BMJ die Beschlüsse nicht, veröffentlicht die BRAK die Beschlüsse auf ihrer Internetseite. Am 1. Tag des 3. Monats nach der Veröffentlichung auf der Homepage der BRAK treten die Beschlüsse dann in Kraft.

Hintergrund:

Die Satzungsversammlung der BRAK gilt als das Parlament der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Die Satzungsversammlung ist organisatorisch der BRAK zugeordnet, entscheidet aber unabhängig. Sie hat die Satzungshoheit über die Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) und die Fachanwaltsordnung (FAO). Mitglieder der Satzungsversammlung sind die von der Anwaltschaft direkt gewählten Mitglieder der einzelnen Rechtsanwaltskammern, deren Präsidenten und die Mitglieder des Präsidiums der BRAK. Stimmberechtigt sind nur die unmittelbar gewählten Mitglieder. Die nächste Satzungsversammlung wird am 1.12.2023 in Berlin stattfinden.