Leitsatz (amtlich)
Auch nach einem wirksamen Widerruf der Vorsorgevollmacht durch den Betreuer kann der Bevollmächtigte noch im Namen des Betroffenen, nicht aber im eigenen Namen Rechtsmittel gegen die Betreuerbestellung einlegen (Fortführung des Senatsbeschlusses BGHZ 206, 321 = FamRZ 2015, 1702).
Normenkette
FamFG § 303 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 24.07.2018; Aktenzeichen 2-29 T 133/18) |
AG Bad Homburg (Beschluss vom 27.02.2018; Aktenzeichen 42 XVII 13/18 K) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. vom 24.7.2018 wird verworfen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
Wert: 5.000 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die 85-jährige Betroffene leidet an vaskulärer Demenz, wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Sie hatte ihrer Tochter, der Beteiligten zu 2), und ihrem Schwiegersohn, dem Beteiligten zu 1), im Jahr 2009 eine General- und Vorsorgevollmacht erteilt, deren wirksame Errichtung nicht in Zweifel steht.
Rz. 2
Auf Anregung aller drei Kinder der Betroffenen hat das AG eine Betreuung für den Aufgabenkreis der Immobilienangelegenheiten, Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post-, Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten, Vertretung gegenüber der Einrichtung und Widerruf von Vollmachten eingerichtet und die beiden Töchter der Betroffenen, die Beteiligten zu 2) und zu 3), als Betreuerinnen bestimmt. Diese widerriefen die dem Beteiligten zu 1) erteilte Vollmacht durch Anwaltsschreiben vom 13.3.2018.
Rz. 3
Am 28.3.2018 hat der Beteiligte zu 1) im Namen der Betroffenen, hilfsweise im eigenen Namen, Beschwerde gegen den Beschluss des AG eingelegt, die das LG verworfen hat. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1).
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil dem Beteiligten zu 1) die Beschwerdeberechtigung für ein Rechtsmittel im eigenen Namen gegen die Verwerfung der Erstbeschwerde der Betroffenen durch das LG fehlt.
Rz. 5
1. Zwar wäre der Beteiligte zu 1) zur Einlegung der Rechtsbeschwerde im eigenen Namen befugt, soweit seine eigene Beschwerde vom LG verworfen worden ist (vgl. BGH v. 25.4.2018 - XII ZB 282/17, FamRZ 2018, 1251 Rz. 6 m.w.N.). Auf eine Überprüfung der Verwerfungsentscheidung hinsichtlich seiner eigenen Erstbeschwerde ist seine Rechtsbeschwerde jedoch nicht gerichtet, sondern der Beteiligte zu 1) wehrt sich ausdrücklich "gegen die Verwerfung der Beschwerde, die er ... im Namen der Betroffenen gegen die Betreuungsanordnung eingelegt hat.".
Rz. 6
2. Bezogen auf diesen Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist der Beteiligte zu 1) nicht im eigenen Namen rechtsbeschwerdebefugt.
Rz. 7
a) Zwar erfordert der durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotene effektive Rechtsschutz, ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel - auch im Fall des Vollmachtwiderrufs - nicht ineffektiv werden zu lassen. Daraus wird zu Recht gefolgert, § 303 Abs. 4 FamFG müsse verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass der Widerruf der Vollmacht durch den Betreuer nicht die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten im Beschwerdeverfahren zur Überprüfung eben dieser Betreuerbestellung beseitigt. Da dem Bevollmächtigten durch die Befugnis, im Namen des Betroffenen Beschwerde einzulegen, gerade die Überprüfung der Betreuerbestellung ermöglicht werden soll, steht der Widerruf der Vollmacht durch einen Betreuer dem Beschwerderecht nicht entgegen. Damit soll gewährleistet werden, dass dem Rechtsmittel nicht durch einen vom Betreuer erklärten Widerruf der Vollmacht die Grundlage entzogen werden kann. Ein Wegfall der Vertretungsmacht wäre angesichts des schweren Eingriffs in das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht mit dem nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz vereinbar (BGH BGHZ 206, 321 = FamRZ 2015, 1702 Rz. 24 m.w.N.).
Rz. 8
Das Recht, die Interessen des Betroffenen im Betreuungsverfahren wahrzunehmen, in dem es um den Aufgabenkreis des Widerrufs der Vorsorgevollmacht geht, ist daher ein der Vorsorgevollmacht immanentes und der Verfügungsgewalt des Betreuers entzogenes Recht, so wie es dem Betreuer auch nicht möglich wäre, als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen (§ 1902 BGB) ein von diesem persönlich oder durch den Vorsorgebevollmächtigten ergriffenes Rechtsmittel gegen die Betreuerbestellung zurückzunehmen. Dies berücksichtigt auch, dass der Betroffene mit der Vorsorgevollmacht gerade dafür sorgen will, dass er sich nicht selbst gegen staatliche Eingriffe wehren muss, sondern dass dies der Vorsorgebevollmächtigte in seinem Namen kann (BGH BGHZ 206, 321 = FamRZ 2015, 1702 Rz. 24 m.w.N.). Die trotz Widerruf insoweit als partiell fortbestehend anzusehende Vollmacht berechtigt indessen nur zur Einlegung von Rechtsmitteln im Namen des Vollmachtgebers.
Rz. 9
b) Eine Rechtsbeschwerdebefugnis des Bevollmächtigten im eigenen Namen besteht hingegen mangels unmittelbarer Beeinträchtigung eigener Rechte bereits bei fortbestehender Vollmacht nicht (BGH, Beschl. v. 5.11.2014 - XII ZB 117/14, FamRZ 2015, 249 Rz. 6 ff., 15), und erst recht nicht nach deren Widerruf. Sie ist vielmehr nur nach Maßgabe der auch im Rechtsbeschwerdeverfahren anzuwendenden Vorschriften des § 303 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FamFG gegeben. Danach steht das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung im Interesse des Betroffenen dessen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner, Eltern, Großeltern, Pflegeeltern, Abkömmlingen und Geschwistern sowie Personen seines Vertrauens zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind. Als Schwiegersohn der Betroffenen steht der Beteiligte zu 1) jedoch nicht in einem entsprechenden Angehörigenverhältnis, und eine Stellung als Vertrauensperson der Betroffenen hat das LG aus rechtlich nicht zu beanstandenden und auch von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Gründen verneint.
Fundstellen
Haufe-Index 12641178 |
NJW 2019, 8 |
FamRZ 2019, 466 |
FuR 2019, 220 |
NJW-RR 2019, 833 |
MittBayNot 2020, 53 |
ZAP 2019, 180 |
ZEV 2019, 308 |
BtPrax 2019, 72 |
DNotZ 2019, 362 |
ErbBstg 2019, 54 |
JZ 2019, 132 |
JZ 2019, 137 |
MDR 2019, 630 |
Rpfleger 2019, 265 |
ErbR 2019, 460 |
ZErb 2019, 94 |
EE 2019, 39 |
FK 2019, 39 |
NZFam 2019, 192 |
SR-aktuell 2019, 74 |