Alle in der KW 28 veröffentlichten BGH-Leitsatzentscheidungen

Kompakt und aktuell: Hier finden Sie einen Überblick der in der KW 28 vom Bundesgerichtshof veröffentlichten sog. Leitsatzentscheidungen.

Senat

Leitsatz

Datum und Az.

8. Zivilsenat

1. Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (hier: 0,65-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3401 VV RVG) fallen für einen Terminsvertreter nur an, wenn dieser von der Prozesspartei selbst oder in deren Namen durch den Prozessbevollmächtigten (Hauptbevollmächtigten) beauftragt worden ist, nicht hingegen, wenn letzterer im eigenen Namen den Auftrag zur Terminsvertretung erteilt hat (Anschluss an BGH, Urteil vom 29. Juni 2000 - I ZR 122/98, NJW 2001, 753 unter II 2 b [zu § 53 BRAGO]; Beschluss vom 13. Juli 2011 - IV ZB 8/11, VersR 2012, 737 Rn. 8).

2. Bei einer Beauftragung des Terminsvertreters durch den Hauptbevollmächtigten im eigenen Namen sind die Kosten des Terminsvertreters auch nicht als Auslagen des Hauptbevollmächtigten im Sinne der Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG in Verbindung mit §§ 675, 670 BGB erstattungsfähig.

BGH-Beschluss, v. 9.5.2023, VIII ZB 53/21

10. Zivilsenat

Leistungsüberwachungsgerät

Nach dem Erlöschen des Streitpatents ist eine Nichtigkeitsklage nur noch zulässig, wenn der Kläger ein eigenes, in seiner Person begründetes Interesse an der Nichtigerklärung des Patents hat. Ein allein in der Person Dritter begründetes Interesse vermag eine Nichtigkeitsklage ebenso wenig zu rechtfertigen wie ein Interesse der Allgemeinheit.

BGH-Urteil, v. 20.6.2023, X ZR 31/21

6. Zivilsenat

Zur Bemessung der Höhe der Hinterbliebenenentschädigung (Anschluss an Senatsurteil vom 6. Dezember 2022 - VI ZR 73/21, VersR 2023, 256).

BGH-Urteil, v. 23.5.2023, VI ZR 161/22

6. Zivilsenat

1. Begehrt ein Betroffener von dem Betreiber einer Internet-Suchmaschine wegen der (behaupteten) Unrichtigkeit eines gelisteten Inhalts dessen Auslistung, obliegt ihm grundsätzlich der Nachweis, dass die in diesem Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder dass zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist. Dabei hat der Betroffene die Nachweise beizubringen, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von ihm vernünftigerweise verlangt werden können, um diese offensichtliche Unrichtigkeit festzustellen. Der Betroffene ist insoweit nicht verpflichtet, bereits im Vorfeld seines Auslistungsantrags eine gerichtliche Entscheidung gegen den Inhalteanbieter zu erwirken.

2. Vom Betreiber einer Internet-Suchmaschine angezeigte Vorschaubilder einer natürlichen Person sind immer dann zu löschen, wenn dem Auslistungsantrag hinsichtlich des ursprünglichen Kontextes der gelisteten Bilder stattzugeben ist. Im Übrigen ist die Rechtmäßigkeit der Anzeige von Bildern durch die Bildersuche einer Suchmaschine eigenständig zu beurteilen. Dem Informationswert der Fotos ist dann unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, aber unter Berücksichtigung jedes Textelements, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann, Rechnung zu tragen.

BGH-Urteil, v. 23.5.2023, VI ZR 476/18

12. Zivilsenat

Im Verfahren der Beschwerde gegen eine Betreuungsanordnung kann nach dem Tod des Betroffenen von dem Vorsorgebevollmächtigten auch beim Vorliegen einer transmortalen Vollmacht kein Feststellungsantrag nach § 62 Abs. 1 FamFG gestellt werden (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 24. Oktober 2012 - XII ZB 404/12, FamRZ 2013, 29).

BGH-Beschluss, v. 14.6.2023, XII ZB 43/23

6a. Zivilsenat

Die im Zuge der Gewährung eines Darlehens zur Finanzierung eines vom sogenannten "Dieselskandal" betroffenen Fahrzeugs in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Darlehensgebers enthaltene Bestimmung

"2. Abtretung von sonstigen Ansprüchen

Der Darlehensnehmer tritt ferner hiermit folgende - gegenwärtige und zukünftige - Ansprüche an die Bank ab, die diese Abtretung annimmt:

[…]

- gegen die […] [Fahrzeugherstellerin], […], gleich aus welchem Rechtsgrund. Ausgenommen von der Abtretung sind Gewährleistungsansprüche aus Kaufvertrag des Darlehensnehmers gegen die […] [Fahrzeugherstellerin] […]. Der Darlehensnehmer hat der Bank auf Anforderung jederzeit die Namen und Anschriften der Drittschuldner mitzuteilen."

unterliegt nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der richterlichen Inhaltskontrolle und ist auch im Verkehr mit Unternehmern gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, §§ 134, 400 BGB, § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 843 BGB und in Verbindung mit § 9 ProdHaftG, § 843 Abs. 2 bis 4 BGB unwirksam (Fortführung von BGH, Urteil vom 24. April 2023 - VIa ZR 1517/22, WM 2023, 1122, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ).

BGH-Urteil, v. 26.6.2023, VIa ZR 1657/22

2. Strafsenat

1. Eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts im Sinne von § 222b Abs. 3 StPO präkludiert den Besetzungseinwand in der Revision gemäß § 338 Nr. 1 Halbs. 2 Buchst. b StPO nur dann, wenn sie vor Urteilsverkündung erlassen und dem Rügeführer bekanntgemacht wurde.

2. „Befördern“ im Sinne des § 232 Abs. 1 StGB setzt die Herbeiführung eines Ortswechsels voraus; tatbestandsmäßig ist ein Handeln des Täters nur dann, wenn das Tatopfer für wenigstens geraume Zeit an einen anderen als den bisherigen Aufenthaltsort verbracht wird. Fahrten, die innerhalb eines bereits bestehenden Ausbeutungsverhältnisses durchgeführt werden und die von vorneherein darauf angelegt sind, das Tatopfer sehr zeitnah an ihren länger währenden Aufenthaltsort zurückzubringen, sind kein „Befördern“ im Sinne des § 232 StGB.

BGH-Beschluss, v. 17.1.2023, 2 StR 87/22

6. Zivilsenat

1. Wird bei einem Verkehrsunfall ein Kfz beschädigt, hat der Geschädigte, der einen auf Gewinnerzielung ausgerichteten Reparaturbetrieb führt, grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der Kosten einer Fremdreparatur einschließlich des Gewinnanteils.

2. Allerdings muss sich der Geschädigte in diesem Fall unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz BGB auf eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit in seiner eigenen Werkstatt verweisen lassen, wenn sein Betrieb nicht ausgelastet und es ihm zumutbar ist, ansonsten ungenutzte Kapazitäten für die notwendige Reparatur zu nutzen. Dies gilt sowohl bei der konkreten als auch bei der fiktiven Schadensabrechnung.

BGH-Urteil, v.26.5.2023, VI ZR 274/22

5. Zivilsenat

1. Haben die nach § 51 Abs. 1 BeurkG Berechtigten gegenüber dem Notar eine andere Bestimmung hinsichtlich der Erteilung von Ausfertigungen getroffen, ergeben sich Inhalt und Umfang der Amtspflichten des Notars bei der Prüfung des Rechts eines Dritten auf Erteilung einer Ausfertigung aus dieser Weisung.

2. Kann der Bevollmächtigte nach der Weisung des Vollmachtgebers eine weitere Ausfertigung der Vollmachtsurkunde verlangen, sofern er glaubhaft versichert, dass die Ausfertigung abhandengekommen und die Vollmacht nicht widerrufen worden ist, darf der Notar die Erteilung einer weiteren Ausfertigung verweigern, wenn er Kenntnis von einem Vollmachtswiderruf erhält. Anders ist es, wenn der Widerruf der Vollmacht ohne jeden vernünftigen Zweifel, also evident unwirksam ist.

3. Der Widerruf einer General- und Vorsorgevollmacht durch den Betreuer des Vollmachtgebers ist für den Notar in dem Verfahren auf Erteilung einer Ausfertigung der Vollmachtsurkunde auf Verlangen des darin genannten Bevollmächtigten regelmäßig auch dann nicht evident unwirksam, wenn versichert wird, dass der Aufgabenkreis des Betreuers den Widerruf nicht umfasst.

BGH-Beschluss, v. 24.5.2023, V ZB 22/22


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