Entscheidungsstichwort (Thema)
Klärungsbedürftigkeit der Frage der Qualifizierung von erkennbar unrichtigen Angaben als unrichtige Angaben nach § 4c Nr. 1 Fall 1 InsO
Leitsatz (redaktionell)
1.
Das Insolvenzgericht kann im Rahmen von § 4b Abs. 2 Satz 3 InsO in Verbindung mit § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO, § 4c Nr. 1 Fall 2 InsO Fragen an den Schuldner stellen, die vom Insolvenzverwalter oder Treuhänder angeregt werden. Ebenso kann es dem Schuldner aufgeben, die Antworten direkt an den Treuhänder oder Insolvenzverwalter weiterzuleiten.
2.
Unvollständige Angaben, das heißt solche Angaben, die im Rahmen einer den Schein der Vollständigkeit erweckenden Erklärung zwar richtig sind, durch Weglassen wesentlicher Umstände aber ein falsches Gesamtbild vermitteln, sind als unrichtige Angaben nach § 4c Nr. 1 Fall 1 InsO zu qualifizieren (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2009 – IX ZB 167/08, ZInsO 2009, 297 Rn. 6, 7). Umgekehrt folgt daraus, dass erkennbar unvollständige Angaben nicht unter diese Alternative fallen, sondern unter § 4c Nr. 1 Fall 2 InsO.
Normenkette
InsO § 4b Abs. 2 S. 3, § 4c Nr. 1 Fall 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 17. November 2010 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die gemäß §§ 6, 7 aF, 4d Abs. 1 InsO, Art. 103 f EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig. Bei der kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde prüft der Bundesgerichtshof ebenso wie bei der Nichtzulassungsbeschwerde nur die Zulassungsgründe, welche die Rechtsmittelbegründung nach § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO schlüssig und substantiiert dargelegt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2005 – IX ZB 430/02, ZInsO 2005, 1162; vom 18. Mai 2006 – IX ZB 103/05, ZInsO 2006, 647; vom 18. Dezember 2008 – IX ZB 46/08, ZInsO 2009, 495 Rn. 4). Die in der Rechtsbeschwerdebegründung geltend gemachten Zulässigkeitsgründe liegen nicht vor.
Rz. 2
Das Insolvenzgericht kann im Rahmen von § 4b Abs. 2 Satz 3 InsO in Verbindung mit § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO, § 4c Nr. 1 Fall 2 InsO Fragen an den Schuldner stellen, die vom Insolvenzverwalter oder Treuhänder angeregt werden. Ebenso kann es dem Schuldner aufgeben, die Antworten direkt an den Treuhänder oder Insolvenzverwalter weiterzuleiten. Davon ist der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 5. November 2009 (IX ZB 91/09, ZInsO 2009, 2405) ausgegangen. Die diesbezüglich aufgeworfene Grundsatzfrage ist nicht klärungsbedürftig, weil ihre Antwort sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und letztlich, wenn auch nur inzident, bereits entschieden ist.
Rz. 3
Auch hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass unvollständige Angaben, das heißt solche Angaben, die im Rahmen einer den Schein der Vollständigkeit erweckenden Erklärung zwar richtig sind, durch Weglassen wesentlicher Umstände aber ein falsches Gesamtbild vermitteln, als unrichtige Angaben nach § 4c Nr. 1 Fall 1 InsO zu qualifizieren sind (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2009 – IX ZB 167/08, ZInsO 2009, 297 Rn. 6, 7). Umgekehrt folgt daraus, dass erkennbar unvollständige Angaben nicht unter diese Alternative fallen, sondern unter § 4c Nr. 1 Fall 2 InsO. Dass diese Alternative nicht einschlägig ist, wenn der Schuldner erkennbar unvollständig antwortet, wird bisher nicht vertreten und von der Rechtsbeschwerdebegründung auch nicht ausgeführt. Eine solche Auslegung liegt fern und begründet daher die Grundsatzbedeutung nicht.
Rz. 4
Die geltend gemachten Grundrechtsverstöße (Art. 103 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG) liegen nicht vor. Das Beschwerdegericht setzt sich mit dem Vortrag des Schuldners, er sei mehrfach vom Treuhänder zur Vorlage einer Bilanz aufgefordert worden, auseinander. Es zieht nur nicht die vom Schuldner daraus gezogenen rechtlichen Schlüsse. Dies aber begründet den geltend gemachten Grundrechtsverstoß gerade nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2011 – I ZR 68/10, GRUR 2012, 314 Rn. 12 [BGH 07.07.2011 – I ZB 68/10]). Auch die beiden ärztlichen Atteste hat das Beschwerdegericht zur Kenntnis genommen, nur keinen für den Schuldner günstigen Schluss für die subjektive Seite des Verschuldensvorwurfes aus den Attesten gezogen.
Rz. 5
Ebenso wenig besteht der behauptete Willkürverstoß. Willkür liegt nur vor, wenn die Rechtsanwendung unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Dies ist bei einer fehlerhaften Rechtsanwendung der Fall, die schlechthin unhaltbar ist, weil sie unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar erscheint. Von Willkür kann dagegen nicht gesprochen werden, wenn sich das Gericht mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2012 – IX ZR 171/11, nv, Rn. 7 mwN).
Rz. 6
Der von der Rechtsbeschwerdebegründung in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 8. Januar 2009 (IX ZB 167/08, NZI 2009, 188 Rn. 10) gerügte Rechtsfehler liegt nicht vor. Diese Entscheidung erging nämlich zu § 4c Nr. 1 Fall 1 InsO, wo nach dem Wortlaut des Gesetzes die unrichtigen Angaben für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Stundung „maßgebend”, mithin ursächlich gewesen sein müssen. Eine entsprechende gesetzliche Anordnung fehlt für die Alternative dieser Regelung. Sie ist auch nicht erforderlich für den Fall, dass der Schuldner gerichtliche Anfragen nach den maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen trotz Belehrung und Fristsetzung nicht beantwortet (vgl. BT-Drucks. 14/5680 S. 23).
Rz. 7
Auch unter Berücksichtigung der Begründung der angefochtenen Entscheidung und des in der Rechtsbeschwerdebegründung angesprochenen Vortrags des Schuldners ist ein Willkürverstoß nicht ersichtlich.
Rz. 8
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Unterschriften
Kayser, Raebel, Lohmann, Pape, Möhring
Fundstellen