Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlende Teilschlussrechnung bei Entlassung des Insolvenzverwalters. Zulässige Überschreitung mehrerer Zwangsgelder von 25.000 Euro
Leitsatz (amtlich)
a) Kommt der entlassene Insolvenzverwalter der Aufforderung des Insolvenzgerichts, eine Teilschlussrechnung einzureichen, nicht nach, kann gegen ihn ein Zwangsgeld festgesetzt werden.
b) Mehrere, für dieselbe Pflichtverletzung verhängte Zwangsgelder können zusammengerechnet den Betrag von 25.000 EUR überschreiten.
Normenkette
InsO §§ 58, 66 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 16.02.2004; Aktenzeichen 8 T 302/03) |
AG Worms |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des LG Mainz v. 16.2.2004 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der weitere Beteiligte zu 1) wurde mit Beschluss des AG - Insolvenzgerichts - v. 31.8.1999 zum Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts v. 25.4.2002 wurde er aus dem Amt entlassen und der weitere Beteiligte zu 2) zum neuen Insolvenzverwalter bestellt. Gegen diesen Beschluss legte der weitere Beteiligte zu 1) sofortige Beschwerde ein; den Antrag, die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung auszusetzen, lehnte das LG mit Beschluss v. 2.7.2002 ab. Mit weiterem Beschluss v. 29.7.2002 setzte das LG das Beschwerdeverfahren bis zum Abschluss eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens aus.
Mit Schreiben v. 24.6.2003 und 17.7.2003 hat das Insolvenzgericht den weiteren Beteiligten zu 1) - im zweiten Schreiben unter Androhung eines Zwangsgeldes - aufgefordert, die Teilschlussrechnung nebst Belegen einzureichen. Dem ist der weitere Beteiligte zu 1) nicht nachgekommen. Mit Beschluss v. 11.8.2003 hat das Insolvenzgericht das angekündigte Zwangsgeld i.H.v. 15.000 EUR festgesetzt und ein weiteres Zwangsgeld von 20.000 EUR angedroht. Die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1) hat das LG zurückgewiesen. Hiergegen wendet er sich mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO, §§ 6, 7, 58 Abs. 2 S. 3 InsO) und auch im Übrigen zulässig; es hat indessen keinen Erfolg.
Das Insolvenzgericht hat rechtsfehlerfrei ein Zwangsgeld i.H.v. 15.000 EUR gegen den weiteren Beteiligten zu 1) festgesetzt und die Festsetzung eines weiteren Zwangsgeldes über 20.000 EUR angedroht.
1. Die Frage, ob das Insolvenzgericht den entlassenen Verwalter gem. § 58 InsO mit Zwangsgeld zur Abgabe einer Teilschlussrechnung anhalten kann, ist umstritten. Von einigen Stimmen in der Literatur wird dies abgelehnt (Nowak in MünchKomm/InsO, § 66 Rz. 35; Delhaes in Nerlich/Römermann, InsO, § 58 Rz. 4; Blersch in Breutigam/Blersch/Goetsch, Insolvenzrecht, § 58 InsO Rz. 18), von anderen hingegen befürwortet (Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 58 Rz. 34, § 66 Rz. 17; Lüke in Kübler/Prütting, InsO, § 58 Rz. 18; Onusseit in Kübler/Prütting, InsO, § 66 Rz. 10; HK-InsO/Eickmann, 3. Aufl., § 58 Rz. 14; Smid, InsO, 2. Aufl., § 58 Rz. 17; Hess in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl., § 58 Rz. 4, 28). Die letztere Auffassung trifft zu.
a) Der Festsetzungsbeschluss des Insolvenzgerichts findet seine Rechtsgrundlage in § 58 Abs. 2 S. 1 und 2, § 66 Abs. 1 InsO. Der gem. § 59 InsO entlassene Insolvenzverwalter hat gem. § 66 Abs. 1 InsO eine Teilschlussrechnung zu legen (HK-InsO/Eickmann, 3. Aufl., § 66 Rz. 2; Onusseit in Kübler/Prütting, InsO, § 66 Rz. 5; FK-InsO/Kind, 3. Aufl., § 66 Rz. 2; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 66 Rz. 17; Smid, InsO, 2. Aufl., § 66 Rz. 4; Hess in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl., § 66 Rz. 8). Die Verpflichtung des Verwalters zur Rechnungslegung gem. § 66 InsO wird im Verfahren nach § 58 Abs. 2 InsO vollstreckt (Onusseit in Kübler/Prütting, InsO, § 66 Rz. 10; FK-InsO/Kind, 3. Aufl., § 66 Rz. 5; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 58 Rz. 27; Hess in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl., § 58 Rz. 18). Der Festsetzung von Zwangsgeld steht die Beendigung des Amtes des weiteren Beteiligten zu 1 nicht entgegen. Die in § 58 Abs. 2 S. 1 InsO vorgesehenen Maßnahmen sind Ausdruck der in § 58 Abs. 1 S. 1 InsO angeordneten Aufsicht des Insolvenzgerichts über den Insolvenzverwalter. Die Aufsicht beginnt mit der Annahme des Amtes und dauert über dessen Beendigung fort, bis der Verwalter sämtliche Verpflichtungen vollständig erfüllt hat; hierzu gehört insb. die Rechnungslegung und die Herausgabe der Bestallungsurkunde (Graeber in MünchKomm/InsO, § 58 Rz. 7, 10; FK-InsO/Kind, 3. Aufl., § 58 Rz. 4; Lüke in Kübler/Prütting, InsO, § 58 Rz. 4; Onusseit in Kübler/Prütting, InsO; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 66 Rz. 17; HK-InsO/Eickmann, 3. Aufl., § 58 Rz. 14; BGH, Urt. v. 4.12.2003 - IX ZR 222/02, MDR 2004, 594 = BGHReport 2004, 484 = WM 2004, 295 [297], nachwirkende Amtspflicht des früheren Insolvenzverwalters). Unabhängig von der Reichweite der Vorschrift belegt auch § 58 Abs. 3 InsO, dass die insolvenzspezifische Pflichtenstellung des Verwalters das Ende seines Amtes überdauert.
b) Diese Bestimmung steht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde der zwangsweisen Durchsetzung der Teilrechnungslegungspflicht des weiteren Beteiligten zu 1) nicht entgegen. Nach § 58 Abs. 3 InsO gilt Abs. 2 entsprechend für die Durchsetzung der Herausgabepflichten eines entlassenen Verwalters. Mit dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber nicht die mittels Zwangsgeldes durchzusetzenden Pflichten des entlassenen Verwalters auf die Herausgabe der Masse und weiterer Gegenstände beschränken. Dies folgt eindeutig aus der Gesetzesgeschichte:
Die in § 58 Abs. 1 S. 2, § 66 Abs. 1 InsO vorgesehenen Pflichten des Verwalters waren bereits in § 68 S. 2, § 76 Abs. 1 des Regierungsentwurfs enthalten. § 69 Abs. 1 S. 1 RegE-InsO sah - daran anknüpfend - vor, dass das Gericht dem Verwalter durch vollstreckbaren Beschluss die Erfüllung der Pflicht aufgeben kann, wenn dieser "eine seiner Pflichten ggü. dem Insolvenzgericht" nicht erfüllt. Nach S. 3 der zunächst vorgesehenen Vorschrift sollte dieses Verfahren auch für die Herausgabepflichten eines entlassenen Verwalters gelten. Dementsprechend hielt die Begründung zum RegE fest, dass die in § 69 RegE-InsO "beschriebenen Befugnisse" dem Insolvenzgericht auch gegenüber einem entlassenen Insolvenzverwalter zustehen (BT-Drucks. 12/2443, 128). Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags hat den Regelungsvorschlag des Regierungsentwurfs vereinfacht (jetzt § 58 InsO), ohne an den durchsetzbaren Pflichten des entlassenen Verwalters etwas ändern zu wollen. Im Gegenteil hat auch der Rechtsausschuss festgehalten, dass der jetzige § 58 Abs. 3 InsO die Festsetzung des Zwangsgeldes auch auf die Durchsetzung der Herausgabepflicht des entlassenen Verwalters erstreckt (BT-Drucks. 12/7302, 161). Danach kann es keinem Zweifel unterliegen, dass § 58 Abs. 3 InsO die mittels Zwangsgelds durchsetzbaren Pflichten des entlassenen Insolvenzverwalters auf die dort vorgesehene Herausgabepflicht erweitert, ohne die sich aus § 58 Abs. 1 S. 2, § 66 Abs. 1 InsO ergebenden Pflichten einzuschränken.
c) Soweit die Rechtsbeschwerde einwendet, § 58 Abs. 3 InsO enthalte für Fälle der vorliegenden Art keine eindeutige und klare Ermächtigungsgrundlage, geht dieser Einwand daran vorbei, dass der Beschluss des Insolvenzgerichts seine Rechtsgrundlage in § 58 Abs. 2 S. 1, § 66 Abs. 1 InsO findet. § 58 InsO knüpft an die Regelung der §§ 83, 84 KO an und stellt in Abs. 1 - über die Konkursordnung hinausgehend - ausdrücklich klar, dass Auskunfts- und Berichtspflichten zu den von der Vorschrift erfassten Aufsichtsinstrumenten gehören. Damit liegt insgesamt eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Ermächtigungsgrundlage vor (Graeber in MünchKomm/InsO, § 58 Rz. 5; Hess in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl., § 58 Rz. 8).
d) Die Erwägung der Rechtsbeschwerde, die Entlassung des weiteren Beteiligten zu 1 könnte noch nicht wirksam sein und deswegen fehle es an einer Pflicht zur Rechnungslegung, trifft nicht zu. Die gem. § 59 Abs. 2 S. 1, § 6 Abs. 1 InsO statthafte sofortige Erstbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung (§§ 4 InsO, 570 Abs. 1 ZPO; Ganter in MünchKomm/InsO, § 6 Rz. 51). Den Antrag des weiteren Beteiligten zu 1), die Vollziehung des Beschlusses v. 25.4.2002 auszusetzen (§ 4 InsO, § 570 Abs. 3 ZPO), hat das LG abgelehnt.
2. Das Beschwerdegericht hat entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde den Anspruch des weiteren Beteiligten zu 1) auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Zwar trifft es zu, dass dieser in der Begründung seiner Erstbeschwerde eingewandt hat, ihm sei die verlangte Rechnungslegung unmöglich. Auch verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist aber erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festgestellt werden kann, müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfG v. 22.11.1983 - 2 BvR 399/81, BVerfGE 65, 293 [295 f.]).
Derartige Umstände liegen hier nicht vor. Denn Art. 103 Abs. 1 GG verwehrt es den Gerichten nicht, das Vorbringen eines Verfahrensbeteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts außer Betracht zu lassen (BVerfG v. 8.10.1985 - 1 BvR 33/83, BVerfGE 70, 288 [293 f.] = MDR 1986, 288). Auf das Vorbringen des weiteren Beteiligten zu 1) zur angeblichen Unmöglichkeit der Rechnungslegung ist das Beschwerdegericht erkennbar aus Gründen des materiellen Rechts nicht eingegangen. Selbst wenn der Vortrag des weiteren Beteiligten zu 1), er verfüge über keinerlei, sich auf die Insolvenzmasse beziehende Unterlagen mehr, zuträfe, belegt dies die Unmöglichkeit einer Teilrechnungslegung (im Zeitpunkt der Vollstreckung) keineswegs. Denn er behauptet nicht, der weitere Beteiligte zu 2) gewähre ihm keinen Zugang zu den von ihm benötigten Unterlagen (BayObLG NJW 1975, 740; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 888 ZPO Rz. 17 ff.).
3. Gegen die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes wendet sich der weitere Beteiligte zu 1) nicht; Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich (§ 58 Abs. 2 S. 2 InsO).
4. Die Rechtsbeschwerde beanstandet ferner nicht die im Beschluss des Insolvenzgerichts ausgesprochene Androhung eines weiteren Zwangsgeldes von 20.000 EUR. Rechtsfehler treten auch insoweit nicht hervor. Aus § 58 Abs. 2 S. 2 InsO ergibt sich, dass das Insolvenzgericht ein weiteres Zwangsgeld androhen darf, wenn der Insolvenzverwalter auch nach Festsetzung und Vollstreckung des (Ersten) Zwangsgeldes seinen Pflichten nicht nachkommt. Art. 103 Abs. 3 GG steht dem nicht entgegen; denn es handelt sich nicht um eine Strafe. Vielmehr entspricht in einem solchen Fall die wiederholte Anwendung der Maßnahme deren Beugecharakter. Eine vorherige Anhörung des weiteren Beteiligten zu 1) war nicht erforderlich (Graeber in MünchKomm/InsO, § 58 Rz. 48; FK-InsO/Kind, 3. Aufl., § 58 Rz. 13; Lüke in Kübler/Prütting, InsO, § 58 Rz. 17; Delhaes in Nerlich/Römermann, InsO, § 58 Rz. 16; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 58 Rz. 27; a.A. zu § 83 KO LG Coburg v. 8.2.1990 - 2 T 10/90,Rpfleger 1990, 383,mit abl. Anm. Depré).
Die Auffassung, die für eine einheitliche Pflichtverletzung festgesetzten Zwangsgelder dürften die Höhe von insgesamt 25.000 EUR nicht übersteigen (Blersch in Breutigam/Blersch/Goetsch, Insolvenzrecht, § 58 Rz. 14; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 58 Rz. 27), widerspricht dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ("Einzelne"; Hess in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl., § 58 Rz. 21; FK-InsO/Kind, 3. Aufl., § 58 Rz. 11; Delhaes in Nerlich/Römermann, InsO, 58 Rz. 14). Auch für die Vorschrift des § 888 Abs. 1 S. 2 ZPO, dem § 58 Abs. 2 S. 2 InsO nachgebildet ist (BT-Drucks. 12/7302, 161), ist eine solche Begrenzung nicht anzunehmen (OLG Frankfurt InVo 2002, 436; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 888 ZPO Rz. 29, 30; Schilken in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 888 Rz. 13; Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 888 Rz. 12; Zöller/Stöber, ZPO, § 888 Rz. 8).
Fundstellen
DStZ 2005, 500 |
BGHR 2005, 1081 |
NJW-RR 2005, 1211 |
EWiR 2005, 677 |
WM 2005, 1132 |
WuB 2006, 519 |
ZIP 2005, 865 |
DZWir 2005, 462 |
MDR 2005, 1074 |
NZI 2005, 391 |
Rpfleger 2005, 468 |
ZInsO 2005, 483 |
InsbürO 2005, 239 |
ZVI 2006, 39 |