Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltszulassung beim BGH. Simultanzulassung. Singularzulassung
Leitsatz (redaktionell)
Die vorgeschriebene Singularzulassung der Rechtsanwälte beim BGH ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Normenkette
BRAO § 171
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen und dem Antragsgegner die ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert wird auf 25.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist beim LG K. und seit dem 1.7.2002 auch beim OLG D. als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Schreiben v. 23.4.2002 stellte er beim Bundesministerium der Justiz den Antrag, ihn, ohne dass er seine bestehenden Zulassungen aufgeben müsse, als Rechtsanwalt beim BGH in Zivilsachen zuzulassen. Das Bundesministerium der Justiz lehnte das Gesuch mit Bescheid v. 14.6.2002 ab. Der Rechtsanwalt verfolgt sein Begehren mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung weiter. Hilfsweise stellt er den Antrag, ihm die Singularzulassung als Rechtsanwalt beim BGH zu erteilen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist, soweit der Antragsteller sein Begehren auf Simultanzulassung als Rechtsanwalt beim BGH weiterverfolgt, nach §§ 162, 163, 170, 21 Abs. 2, 37, 39 Abs. 1 BRAO zulässig. Er ist jedoch nicht begründet.
1. Der Antragsteller erfüllt nicht die Voraussetzungen, von denen nach §§ 164 ff. BRAO die Zulassung als Rechtsanwalt beim BGH abhängig ist. Das ist schon deshalb der Fall, weil nach § 171 BRAO ein Rechtsanwalt bei dem BGH nicht zugleich bei einem anderen Gericht der Zivilgerichtsbarkeit zugelassen sein darf. Das Hauptbegehren des Antragstellers geht demgegenüber dahin, künftig der Rechtsanwaltschaft bei dem BGH anzugehören, ohne die Zulassung als Rechtsanwalt beim OLG D. aufgeben zu müssen.
2. Der Senat hat bereits mit Beschl. v. 4.3.2002 ausgesprochen, dass die nach § 171 BRAO vorgeschriebene Singularzulassung der Rechtsanwälte beim BGH mit dem Grundgesetz vereinbar ist (BGH, Beschl. v. 4.3.2002 - AnwZ 1/01, BGHZ 150, 70 = MDR 2002, 725 = BGHReport 2002, 526). Die gegen diesen Beschluss eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschl. v. 31.10.2002 - 1 BvR 819/02, MDR 2003, 118 = NJW 2002, 3765).
In der Entscheidung BGHZ 150, 70 (BGH, Beschl. v. 4.3.2002 - AnwZ 1/01, BGHZ 150, 70 = MDR 2002, 725 = BGHReport 2002, 526) hat der Senat eingehend dargelegt, dass § 171 BRAO in besonderem Maße einer sachgerechten Beratung der Parteien sowie der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Zivilsachen dient und deshalb den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (BGH, Beschl. v. 4.3.2002 - AnwZ 1/01, BGHZ 150, 70 [72 ff.] = MDR 2002, 725 = BGHReport 2002, 526). Das BVerfG hat in dem zitierten Beschluss die Auffassung des Senats bestätigt und u. a. ausgeführt, derzeit ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Singularzulassung nicht mehr als geeignetes und erforderliches Mittel zu Gunsten einer qualitativen Verbesserung der Rechtspflege angesehen werden könne (BVerfG, Beschl. v. 31.10.2002 - 1 BvR 819/02, MDR 2003, 118 = NJW 2002, 3765 [3766]).
3. Nach Meinung des Antragstellers beruhen die Senatsentscheidung BGHZ 150, 70 (BGH, Beschl. v. 4.3.2002 - AnwZ 1/01, BGHZ 150, 70 = MDR 2002, 725 = BGHReport 2002, 526) und die dazu ergangene Entscheidung des BVerfG auf einer unzulänglichen Aufklärung und Feststellung des Sachverhalts. Die Ausführungen des Senats zur Vorzugswürdigkeit der Singularzulassung der Rechtsanwaltschaft beim BGH gründeten "auf bloßen Vermutungen und Glaubensbekenntnissen". In Wirklichkeit biete die Singularzulassung weder für den Mandanten noch für die Rechtspflege insgesamt Vorteile gegenüber der Simultanzulassung. Dies könne er auf Grund der beruflichen Erfahrungen, die er in mehr als zwei Jahrzehnte langer anwaltlicher Tätigkeit gemacht habe, selbst beurteilen; er habe nämlich auf der Ebene der Oberlandesgerichte sowohl das System der Simultanzulassung - während seiner beruflichen Tätigkeit in B. - als auch das der Singularzulassung - im Rahmen seiner Anwaltstätigkeit im Lande N. - kennen gelernt und im Übrigen bei der Begleitung zahlreicher Revisionen die Arbeitsweise "praktisch aller" beim BGH in dieser Zeit tätigen Rechtsanwälte beobachtet.
4. Das Vorbringen des Antragstellers gibt dem Senat keine Veranlassung, die Frage der Vereinbarkeit des § 171 BRAO mit dem Grundgesetz anders zu beurteilen. Die in diesem Zusammenhang vom Antragsteller angebotenen Beweise (Beteiligtenvernehmung, Sachverständigengutachten) sind nicht zu erheben.
a) Der Senat hat sich bei seiner Entsch. v. 4.3.2002 maßgeblich auf den Bericht der vom Bundesministerium der Justiz im Dezember 1995 einberufenen Kommission zur Ausarbeitung von Vorschlägen zur Neuregelung des Rechts der Rechtsanwaltschaft bei dem BGH gestützt (BGH, Beschl. v. 4.3.2002 - AnwZ 1/01, BGHZ 150, 70 [76 ff.] = MDR 2002, 725 = BGHReport 2002, 526). Dies hat das BVerfG (BVerfG, Beschl. v. 31.10.2002 - 1 BvR 819/02, MDR 2003, 118 = NJW 2002, 3765 [3766]) ausdrücklich gebilligt. Darüber hinaus ist bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der dem § 171 BRAO zu Grunde liegenden gesetzgeberischen Intentionen zu berücksichtigen, dass es in Deutschland Erfahrungen mit dem System der Simultanzulassung bei den Zivilsenaten des obersten Gerichtshofs nicht gibt. Die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse, die bei der Frage der Simultan- oder Singularzulassung von Rechtsanwälten bei den Oberlandesgerichten zu berücksichtigen sind, sind auf die Situation der Rechtsanwälte beim BGH nicht übertragbar (BGH, Beschl. v. 4.3.2002 - AnwZ 1/01, BGHZ 150, 70 [79 f.] = MDR 2002, 725 = BGHReport 2002, 526; BVerfG, Beschl. v. 31.10.2002 - 1 BvR 819/02, MDR 2003, 118 = NJW 2002, 3765 [3766]). Auf Grund dessen haben Erwägungen dazu, wie sich eine Simultanzulassung der beim BGH tätigen Rechtsanwälte für die Mandanten und die Rechtspflege insgesamt auswirken würden, notwendigerweise Prognosecharakter. Über dieses Manko könnte auch ein Sachverständigengutachten nicht hinweghelfen. Da weder ersichtlich noch vom Antragsteller dargetan ist, welche Personen oder Institutionen insoweit über hinreichende Erkenntnismöglichkeiten verfügen könnten, um die Einschätzung der Kommission sowie, ihr folgend, die des Senats und des BVerfG zu widerlegen, ist dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht zu entsprechen.
b) Soweit der Antragsteller schließlich auf seine eigenen beruflichen Erfahrungen aufmerksam macht, ist festzuhalten, dass sowohl die Mitglieder der Kommission, die aus drei Rechtsanwälten, darunter ein Rechtsanwalt beim BGH, einem Vorsitzenden Richter beim BGH sowie dem zuständigen Abteilungsleiter des Bundesministeriums der Justiz zusammengesetzt war, als auch die des erkennenden Senats (Berufsrichter und Rechtsanwälte) über genügend Berufserfahrung verfügen, um auf Grund eigener Sachkunde die Vor- und Nachteile einer Singular- oder Simultanzulassung der beim BGH tätigen Rechtsanwälte für die gerichtliche und anwaltliche Praxis zu erfassen und zu bewerten. Eine förmliche Vernehmung des Antragstellers als Beteiligten zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts (vgl. hierzu Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 15 Rz. 56 ff.) ist daher nicht veranlasst.
III.
Der Hilfsantrag des Antragstellers, ihm die Singularzulassung als Rechtsanwalt beim BGH zu erteilen, ist unzulässig.
Der angefochtene Bescheid des Bundesministeriums der Justiz v. 14.6.2002 bezog sich nur auf den mit Schreiben v. 23.4.2002 gestellten Antrag auf Simultanzulassung. In Bezug auf die nunmehr hilfsweise angestrebte und nach der Gesetzeslage allein mögliche Singularzulassung gilt: Nach §§ 170 Abs. 1, 164 BRAO kann das Bundesministerium der Justiz nur solche Bewerber als Rechtsanwälte beim BGH zulassen, die durch den Wahlausschuss für Rechtsanwälte beim BGH benannt worden sind. Die Wahl ihrerseits findet auf Grund von Vorschlagslisten statt, die entweder von der Bundesrechtsanwaltskammer nach Vorschlägen der Rechtsanwaltskammern oder von der Rechtsanwaltskammer beim BGH eingereicht werden. Der Frage, ob ein Bewerber als Rechtsanwalt beim BGH zuzulassen ist, hat der Senat für Anwaltssachen nur nachzugehen, wenn in einem Verfahren nach § 223 BRAO ein Verwaltungsakt angefochten wird, durch den ein Zulassungsbegehren im Rahmen eines nach Maßgabe der §§ 164 ff. BRAO durchgeführten Verwaltungsverfahrens zurückgewiesen worden ist. Eine derartige ablehnende Entscheidung, die ungeachtet der vom Antragsteller geäußerten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der §§ 164 ff. BRAO für eine sachliche Prüfung seines Begehrens durch den Senat unerlässlich ist, liegt nicht vor.
IV.
Der Senat konnte über den Antrag ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da alle Beteiligten ausdrücklich auf sie verzichtet haben (§ 40 Abs. 2 S. 2 BRAO).
Fundstellen
Haufe-Index 982562 |
BGHR 2003, 1378 |
BRAK-Mitt. 2003, 281 |
NJOZ 2003, 2734 |