Leitsatz (amtlich)
Im Verfahren betreffend die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen steht der Landesjustizverwaltung keine Befugnis zur Einlegung einer Rechtsbeschwerde zu, und zwar auch dann nicht, wenn das OLG ihren Bescheid aufgehoben und die Sache zur Neubescheidung an die Landesjustizverwaltung zurückverwiesen hat.
Normenkette
FamFG §§ 59, 107
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 3) gegen den Beschluss des 12. Zivilsenats des OLG Schleswig in Schleswig vom 18.7.2014 wird verworfen.
Gerichtskosten für das Verfahren der Rechtsbeschwerde werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Verfahrenswert: 3.000 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung eines polnischen Scheidungsurteils nicht erfüllt seien.
Rz. 2
Der im August 2010 verstorbene Michael V. war in erster Ehe mit der Antragstellerin verheiratet; aus dieser 1995 geschiedenen Ehe sind ein Sohn und eine Tochter hervorgegangen.
Rz. 3
Die aus Polen stammende Antragsgegnerin hatte im Jahr 1990 die Ehe mit Janusz K. geschlossen. Im Jahr 1995 wurde der Sohn der Antragsgegnerin geboren. Das AG P. stellte fest, dass Janusz K. nicht der Vater des Kindes ist. Michael V. erkannte 1997 die Vaterschaft für das Kind an und heiratete die Antragsgegnerin im Jahr 1998.
Rz. 4
Die Antragstellerin und ihre beiden Kinder auf der einen Seite und die Antragsgegnerin und ihr Kind auf der anderen Seite stehen sich seit dem Tod von Michael V. in verschiedenen zivil- und nachlassgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten gegenüber. Zwischen der Antragsgegnerin und ihrem Sohn als Kläger und der Antragstellerin als Beklagter ist u.a. ein Verfahren vor dem LG I. anhängig, in dem die Feststellung begehrt wird, dass Unterhaltsansprüche der Antragstellerin aus notariellen Vereinbarungen zwischen ihr und dem verstorbenen Michael V. gegen den Nachlass und die Erbengemeinschaft nach Michael V. nicht bestehen. In diesem Verfahren bestreitet die Antragstellerin insb. das Erbrecht der Antragsgegnerin. Sie macht dazu geltend, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Heirat mit Michael V. eine Doppelehe eingegangen sei. Ein von der Antragsgegnerin in Kopie vorgelegtes Scheidungsurteil des Wojewodschaftsgerichts in Danzig (S¹d Wojewódzki w Gdañsku) vom 8.3.1995, wonach ihre frühere Ehe mit Janusz K. in Polen geschieden worden sei, sei "gekauft" und ein "Scheinurteil".
Rz. 5
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Antragstellerin die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung der Entscheidung des Wojewodschaftsgerichts Danzig vom 8.3.1995 in Deutschland nicht vorliegen. Die Landesjustizverwaltung hat diesen Antrag als unzulässig abgewiesen. Gegen den Bescheid der Landesjustizverwaltung hat sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewandt. Das OLG, dessen Entscheidung in FamRZ 2015, 76 veröffentlicht ist, hat den Bescheid aufgehoben und die Sache an die Landesjustizverwaltung zur Neubescheidung zurückverwiesen.
Rz. 6
Die Landesjustizverwaltung hat dagegen die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung des Antrages auf gerichtliche Entscheidung erstrebt. Die Antragstellerin hat sich der Rechtsbeschwerde angeschlossen. Sie trägt ebenfalls auf eine Aufhebung der Entscheidung des OLG an, allerdings mit dem Ziel, das OLG zu einer eigenen Sachentscheidung über ihren Feststellungsantrag zu verpflichten.
II.
Rz. 7
Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 70 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 107 Abs. 7 Satz 3 FamFG statthaft (vgl. auch BGH BGHZ 189, 87 = FamRZ 2011, 788 Rz. 6 f.); an die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das OLG ist der Senat gebunden (§ 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG).
Rz. 8
Sie ist aber im Übrigen unzulässig. Es braucht dabei nicht grundlegend erörtert zu werden, ob die Landesjustizverwaltung, deren Bescheid durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 107 Abs. 5 FamFG angefochten wird, an dem anschließenden Verfahren vor dem OLG grundsätzlich zu beteiligen ist (Staudinger/Spellenberg BGB [2004] Art. 7 § 1 FamRÄndG Rz. 196; Jansen/Wick FGG, 3. Aufl., § 16a Rz. 20) oder ob sie nach der Reform des familiengerichtlichen Verfahrens im Anerkennungsverfahren allein die Funktion einer ersten Instanz übernimmt und schon deshalb nicht Beteiligte des mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor das OLG gezogenen Verfahrens sein kann (Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl., § 107 Rz. 48). Denn selbst wenn die Landesjustizverwaltung - der im vorliegenden Fall Gelegenheit zur Stellungnahme zum Antrag der Antragstellerin gegeben worden ist - als Beteiligte des vor dem OLG geführten Anerkennungsverfahrens angesehen werden könnte, erwächst ihr allein aus ihrer Verfahrensbeteiligung keine Rechtsbeschwerdeberechtigung.
Rz. 9
1. Entgegen der Auffassung der Landesjustizverwaltung ist nicht nur die Zulässigkeit einer (Erst-)Beschwerde, sondern auch die Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde von einer Beschwerdeberechtigung des Rechtsmittelführers abhängig. Richtig ist zwar, dass die Vorschriften über die Rechtsbeschwerde (§§ 70 ff. FamFG) keine unmittelbare Verweisung auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften für das Beschwerdeverfahren enthalten. Es entspricht indessen allgemeiner Auffassung, dass das Rechtsbeschwerdegericht gleichwohl die Beschwer des Rechtsbeschwerdeführers in formeller und materieller Hinsicht zu prüfen hat (vgl. nur Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl., § 74 Rz. 6; Borth/Grandel in Musielak/Borth FamFG 5. Aufl., § 74 Rz. 2; MünchKommFamFG/Ansgar Fischer 2. Aufl., § 59 Rz. 4; BeckOK-FamFG/Gutjahr [Stand: Juli 2015] § 74 Rz. 7). Wird der Rechtsbeschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung nicht formell beschwert, setzt die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde auch in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit stets eine materielle Beschwer des Rechtsbeschwerdeführers voraus. Dies ergab sich unter dem bis zum 31.8.2009 geltenden Verfahrensrecht für das Verfahren der weiteren Beschwerde unmittelbar aus §§ 29 Abs. 4, 20 Abs. 1 FGG, und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Reformgesetzgeber abweichend vom früheren Rechtszustand eine Popularbeschwerde zum BGH eröffnen wollte.
Rz. 10
2. Der Landesjustizverwaltung steht keine Befugnis zur Rechtsbeschwerde gegen eine im Anerkennungsverfahren ergangene Entscheidung des OLG zu.
Rz. 11
a) Auf eine Sonderregelung für Behörden nach § 59 Abs. 3 FamFG lässt sich eine Beschwerdebefugnis der Landesjustizverwaltung nicht stützen. Über den Fall einer eigenen Rechtsbeeinträchtigung hinaus räumt die Vorschrift Behörden nur bei entsprechender besonderer gesetzlicher Anordnung eine Beschwerdeberechtigung ein (BGH v. 8.10.2014 - XII ZB 406/13, FamRZ 2015, 42 Rz. 11; v. 18.4.2012 - XII ZB 624/11, FamRZ 2012, 1131 Rz. 8). Eine solche Regelung der (Rechts-) Beschwerdeberechtigung der Landesjustizverwaltung für das Anerkennungsverfahren gem. § 107 FamFG findet sich weder im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit noch in anderen Vorschriften.
Rz. 12
b) Eine formelle Beschwer für die Landesjustizverwaltung ist nicht in der Aufhebung des von ihr erlassenen Bescheids zu sehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist eine - für die Beschwerdebefugnis im Rechtsbeschwerdeverfahren ausreichende - formelle Beschwer gegeben, wenn und soweit die eigene Erstbeschwerde des Rechtsbeschwerdeführers zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen wurde (vgl. BGH v. 17.6.2015 - XII ZB 730/12, FamRZ 2015, 1479 Rz. 6; v. 5.11.2014 - XII ZB 117/14, FamRZ 2015, 42 Rz. 4 m.w.N.). Ausgehend von diesen Grundsätzen kann die Landesjustizverwaltung durch eine Entscheidung des OLG im Anerkennungsverfahren nicht formell beschwert werden, denn sie kann nicht diejenige sein, die mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung den (ersten) Rechtsbehelf zum OLG ergreift.
Rz. 13
c) Schließlich ist die Landesjustizverwaltung auch in materieller Hinsicht nicht beschwert.
Rz. 14
aa) Nach § 59 Abs. 1 FamFG steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Eine Rechtsbeeinträchtigung liegt vor, wenn der Entscheidungssatz des angefochtenen Beschlusses unmittelbar in ein dem Rechtsmittelführer zustehendes Recht eingreift. Die angefochtene Entscheidung muss daher ein bestehendes Recht des Rechtsmittelführers aufheben, beschränken, mindern, ungünstig beeinflussen oder gefährden, die Ausübung dieses Rechts stören oder dem Rechtsmittelführer die mögliche Verbesserung seiner Rechtsstellung vorenthalten oder erschweren. Eine Beeinträchtigung lediglich wirtschaftlicher, rechtlicher oder sonstiger berechtigter Interessen ist nicht ausreichend. Daher kann sich für eine Behörde aus § 59 Abs. 1 FamFG eine Beschwerdeberechtigung nur dann ergeben, wenn sie durch eine gerichtliche Entscheidung in gesetzlich eingeräumten eigenen Rechten unmittelbar betroffen ist. Eine bloße Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Erfüllung der einer Behörde übertragenen öffentlichen Aufgabe genügt dagegen nicht (BGH vom 17.6.2015 - XII ZB 730/12, FamRZ 2015, 1479 Rz. 16; v. 8.10.2014 - XII ZB 406/13, FamRZ 2015, 42 Rz. 15).
Rz. 15
bb) Gemessen daran fehlt es an einer materiellen Beschwer für die Landesjustizverwaltung.
Rz. 16
Wie der Senat bereits entschieden hat, wird eine Behörde nicht schon deshalb in eigenen Rechten unmittelbar betroffen, weil sie durch ein Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur Vornahme einer bestimmten Amtshandlung angehalten wird (vgl. BGH v. 17.6.2015 - XII ZB 730/12, FamRZ 2015, 1479 Rz. 17). Die Aufhebung eines im Anerkennungsverfahren nach § 107 FamFG ergangenen Bescheids und die Zurückverweisung der Sache an die Landesjustizverwaltung mit der Maßgabe, dass dort weitere Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts durchzuführen seien, berührt allein das allgemeine öffentliche Interesse an der ordnungsgemäßen Erfüllung der der Landesjustizverwaltung kraft Gesetzes übertragenen Aufgabe, stellt aber keinen Eingriff in ein eigenes Recht der Behörde dar.
Rz. 17
Gleiches gilt, soweit die Landesjustizverwaltung nach der Zurückverweisung der Sache nach §§ 107 Abs. 7 Satz 3, 69 Abs. 1 Satz 4 FamFG an die Rechtsauffassung des OLG gebunden ist, wonach die Landesjustizverwaltung auch nach der Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei Heimatstaatenentscheidungen weiterhin um eine Feststellung der Anerkennungsvoraussetzungen gebeten werden kann (vgl. zum früheren Recht BGH BGHZ 112, 127 = FamRZ 1990, 1228, 1229 f.). Entgegen der Auffassung der Landesjustizverwaltung steht den in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit beteiligten Behörden ohne Weiteres auch kein eigenes Recht zu, in den für die Erfüllung ihrer Aufgaben wichtigen und umstrittenen Rechtsfragen eine klärende ober- oder höchstgerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Auch hierzu bedarf es einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung i.S.v. § 59 Abs. 3 FamFG (vgl. BGH v. 19.2.2014 - XII ZB 180/12, FamRZ 2014, 741 Rz. 5 f. zum Beschwerderecht der Standesamtsaufsicht).
III.
Rz. 18
Da die Rechtsbeschwerde der Landesjustizverwaltung als unzulässig zu verwerfen ist, verliert die unselbständige Anschlussrechtsbeschwerde der Antragstellerin ihre Wirkung (§ 73 Satz 3 FamFG).
Fundstellen
Haufe-Index 8762494 |
NJW 2016, 250 |
EBE/BGH 2015 |
FamRZ 2016, 120 |
FuR 2016, 104 |
FGPrax 2016, 46 |
JurBüro 2016, 165 |
JZ 2016, 13 |
MDR 2016, 45 |
StAZ 2016, 109 |
FF 2016, 43 |
FamRB 2016, 45 |
NZFam 2016, 27 |