Leitsatz (amtlich)
Vor seiner förmlichen Bestellung kann ein Berufspfleger im Vergütungsfestsetzungsverfahren auch für solche Tätigkeiten (hier: Entgegennahme des Bestellungsbeschlusses, Fahrt zum Verpflichtungstermin) keine Vergütung verlangen, die seiner wirksamen Bestellung denknotwendig vorgelagert sind (Fortführung der BGH v. 30.8.2017 - XII ZB 562/16 FamRZ 2017, 1846; v. 13.12.2017 - XII ZB 436/17 FamRZ 2018, 513).
Normenkette
BGB §§ 1915, 1836, 1789 S. 1; VBVG § 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des 8. Senats für Familiensachen des OLG Frankfurt vom 22.9.2017 aufgehoben.
Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des AG - FamG - Wiesbaden vom 27.1.2017 abgeändert. Die dem weiteren Beteiligten zu 2) aufgrund seines Vergütungsantrags vom 17.11.2016 aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wird auf 386,33 EUR festgesetzt. Der weitergehende Vergütungsantrag wird zurückgewiesen.
Die Rechtsmittelverfahren sind gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Wert: 45 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Das Verfahren betrifft den Vergütungsanspruch eines Ergänzungspflegers.
Rz. 2
Durch Beschluss des AG vom 28.8.2015 wurde eine Pflegschaft für den kurz zuvor als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in das Bundesgebiet eingereisten Betroffenen eingerichtet. Das Jugendamt wurde zum vorläufigen Pfleger für den Wirkungskreis Personensorge und der als Rechtsanwalt zugelassene Beteiligte zu 2) zum berufsmäßigen "Mitpfleger" für den Wirkungskreis "ausländer- und asylrechtliche Betreuung" bestellt. Mit Schreiben vom gleichen Tag wurde der Beteiligte zu 2) von der Bestellung unterrichtet. Am 24.9.2015 erfolgte im AG die förmliche Verpflichtung des Beteiligten zu 2) durch den Rechtspfleger.
Rz. 3
Auf Antrag des Beteiligten zu 2) hat das AG für dessen Tätigkeit als "Ergänzungspfleger" eine Vergütung in einer Gesamthöhe von 424,18 EUR festgesetzt. Gegen diese Entscheidung hat sich die Staatskasse (Beteiligte zu 1) mit ihrer Beschwerde gewendet. Sie hat die Auffassung vertreten, dass dem Beteiligten zu 2) für die im Zeitraum bis zum 24.9.2015 abgerechneten Tätigkeiten mangels förmlicher Bestellung zum Mitpfleger keine Vergütungsansprüche zustünden. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich die Staatskasse gegen die Festsetzung einer höheren Vergütung als 379 EUR.
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde ist überwiegend begründet.
Rz. 5
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung das Folgende ausgeführt: Denknotwendig mit der Amtsübernahme verbundene Tätigkeiten, die einer angemessenen verwaltungsmäßigen Vorbereitung auf die Pflegschaft dienen und zwingend vor der Verpflichtung anfallen, seien auch dann zu vergüten, wenn sie zeitlich vor der förmlichen Verpflichtung lägen. Der Beteiligte zu 2) habe unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes davon ausgehen können, dass ihm der Zeitaufwand für die Entgegennahme des Auswahlbeschlusses sowie für die Anlegung der Handakte und die Anwesenheit beim Bestellungstermin vergütet wird. Es widerspräche dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB, wenn dem Amtsträger die Vergütung für solche Tätigkeiten versagt würde, die einerseits organisatorisch notwendig seien, um die Pflegschaft auszuüben, und andererseits ohne Weiteres zu vergüten gewesen wären, wenn sie der Pfleger zu einem späteren Zeitpunkt erbracht hätte. Eine Handakte müsse bereits bei Erhalt des Auswahlbeschlusses angelegt werden, weil dessen ungeordnete Ablage nicht einmal eine zuverlässige Wahrnehmung des Termins zur förmlichen Bestellung gewährleiste.
Rz. 6
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Beteiligte zu 2) hat für den Zeitaufwand vor der förmlichen Verpflichtung durch den Rechtspfleger am 24.9.2015 keinen Vergütungsanspruch nach §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 BGB i.V.m. § 3 VBVG.
Rz. 7
a) Der Senat hat sich - nach Erlass der angefochtenen Entscheidung - zur Frage des Vergütungsanspruchs für einen (noch) nicht wirksam bestellten Vormund oder Pfleger bereits mehrfach geäußert. Danach ist im rechtlichen Ausgangspunkt zwischen der Anordnung der Pflegschaft, der Auswahl des Pflegers und der förmlichen Bestellung des ausgewählten Pflegers zu unterscheiden. Wird eine Einzelperson als Pfleger ausgewählt und sind deshalb die §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1789 BGB anwendbar, setzt die wirksame Bestellung eine persönliche Verpflichtung durch das Gericht in Anwesenheit des Bestellten voraus. Durch §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1789 BGB soll die Bedeutung und Notwendigkeit der besonderen Bestellung des Pflegers klargestellt werden, der als Hoheitsakt ein konstitutiver Charakter zukommt. Erst mit der wirksamen Bestellung des Pflegers entstehen die Rechte und Pflichten aus der Pflegschaft und damit auch die mit einer berufsmäßig geführten Pflegschaft verbundenen Vergütungsansprüche (vgl. BGH v. 13.12.2017 - XII ZB 436/17 FamRZ 2018, 513 Rz. 12; v. 30.8.2017 - XII ZB 562/16 FamRZ 2017, 1846 Rz. 11). Ein berufsmäßig tätiger Pfleger wird zwar in der Regel darauf vertrauen, dass er eine Vergütung erhält, wenn er auf Veranlassung des Gerichts bereits vor seiner förmlichen Bestellung tätig wird. Jedoch läuft es dem Grundsatz der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zuwider, wenn dem nicht wirksam bestellten Pfleger aufgrund von bloßen Billigkeitserwägungen ein Vergütungsanspruch zuerkannt werden könnte, für den es an einer gesetzlichen Grundlage fehlt (vgl. BGH v. 13.12.2017 - XII ZB 436/17 FamRZ 2018, 513 Rz. 14; v. 30.8.2017 - XII ZB 562/16 FamRZ 2017, 1846 Rz. 12 ff.; vgl. auch BGH, Beschl. v. 27.9.2017 - XII ZB 6/16 FamRZ 2018, 40 Rz. 8 ff. zur Aufwandsentschädigung nach §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836a Abs. 1 BGB). Hinzu kommt, dass im formalisierten Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 168 Abs. 1 FamFG kein Raum für außerhalb des Vergütungsrechts liegende Zahlungsansprüche des nicht wirksam bestellten Pflegers ist, selbst wenn sie im Einzelfall materiell-rechtlich auf § 242 BGB, auf Geschäftsführung ohne Auftrag oder auf Amtshaftung gestützt werden könnten (vgl. BGH v. 13.12.2017 - XII ZB 436/17 FamRZ 2018, 513 Rz. 15 ff.; v. 30.8.2017 - XII ZB 562/16 FamRZ 2017, 1846 Rz. 20 f.).
Rz. 8
b) Auch wegen der hier im Streit stehenden Tätigkeiten - Entgegennahme des Bestellungsbeschlusses und der Ladung zum Verpflichtungstermin, Anlegen der Handakte, Fahrt zum Verpflichtungstermin - ist keine Abweichung von der Regel veranlasst, dass der Berufspfleger Vergütungsansprüche nach §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 BGB i.V.m. § 3 VBVG ausschließlich für solchen Zeitaufwand geltend machen kann, der nach seiner förmlichen Bestellung anfällt.
Rz. 9
aa) Richtig ist allerdings, dass den bislang vom Senat entschiedenen Fällen immer das Verlangen nach Zahlung einer Vergütung für solche Tätigkeiten zugrunde lag, die von dem nicht oder noch nicht wirksam bestellten Vormund oder Pfleger auf Verlangen oder mit Billigung des FamG im Interesse des (vermeintlichen) Mündels oder Pfleglings erbracht worden sind. Im vorliegenden Fall handelt es sich demgegenüber um Tätigkeiten des späteren Pflegers, die überwiegend - nämlich soweit es die Entgegennahme des Bestellungsbeschlusses und die Fahrt zum Verpflichtungstermin betrifft - einer wirksamen Bestellung denknotwendig vorgelagert sind.
Rz. 10
bb) Auch ein solcher, vor der Bestellung liegender Zeitaufwand des späteren Amtsträgers kann aber mangels gesetzlicher Grundlage nicht vergütet werden (vgl. NK/BGB/Fritsche 3. Aufl., § 1836 Rz. 9; Dürbeck FamRZ 2018, 553, 563; a.A. OLG Stuttgart FamRZ 2005, 655). Im Übrigen dienen solche Mitwirkungshandlungen im Vorfeld der Bestellung, die - wie insb. die Fahrt zum Verpflichtungstermin vor dem Rechtspfleger - unmittelbar auf die wirksame Übernahme des Amts abzielen, bei einem berufsmäßig tätigen Pfleger auch den eigenen Vergütungsinteressen. Die damit verbundenen Mühewaltungen können als berufsbedingte Aufwendungen angesehen werden, die es dem Berufspfleger ermöglichen sollen, überhaupt erst Einkommen durch die Übernahme einer Pflegschaft zu erzielen (vgl. auch LG Saarbrücken FamRZ 1998, 1533, 1534). Es verstößt deshalb entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), dem Pfleger eine Vergütung für die der Bestellung notwendigerweise vorgelagerten Tätigkeiten zu versagen.
Rz. 11
3. Dem Beteiligten zu 2) steht somit auf der Grundlage seines im Übrigen nicht beanstandeten Vergütungsantrags vom 17.11.2016 eine Vergütung i.H.v. 386,33 EUR (669/60x 33,50 EUR = 373,53 EUR Vergütung nach Zeitaufwand + 12,80 EUR Auslagen) zu.
Rz. 12
4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gem. § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
Fundstellen
Haufe-Index 13697179 |
FamRZ 2020, 601 |
FuR 2020, 3 |
FuR 2020, 303 |
JurBüro 2020, 208 |
JZ 2020, 213 |
MDR 2020, 372 |
Rpfleger 2020, 384 |
FF 2020, 174 |
FamRB 2020, 182 |
NZFam 2020, 261 |