Alle in der KW 21 veröffentlichten BGH-Leitsatzentscheidungen

Kompakt und aktuell: Hier finden Sie einen Überblick der in der KW 21 vom Bundesgerichtshof veröffentlichten sog. Leitsatzentscheidungen.

Senat

Leitsatz

Datum und Az.

10. Zivilsenat

Der Tatbestand des Art. 4 Abs. 3 FluggastrechteVO ist nicht erfüllt, wenn der Fluggast auf dem vorgesehenen Flug befördert worden ist.

Urteil v. 25.4.2023, X ZR 25/22

1. Strafsenat

1. Für die Abgrenzung von sog. scheinselbständigen Rechtsanwälten und freien Mitarbeitern einer Rechtsanwaltskanzlei ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung maßgebend; soweit die Kriterien der Weisungsgebundenheit und Eingliederung wegen der Eigenart der Anwaltstätigkeit im Einzelfall an Trennschärfe und Aussagekraft verlieren, ist vornehmlich auf das eigene Unternehmerrisiko und die Art der vereinbarten Vergütung abzustellen.

2. Beitragszahlungen von Schwarzarbeitern und illegal Beschäftigten aufgrund einer mit dem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung lassen nicht schon die Tatbestandsmäßigkeit des § 266a Abs. 1 und 2 StGB entfallen, sondern sind erst auf der Ebene der Strafzumessung zu berücksichtigen.

Zur Besprechung.

Urteil v. 8.3.2023, 1 StR 188/22

6. Zivilsenat

Zur Verletzung rechtlichen Gehörs durch Übergehen von Parteivortrag zur Würdigung von Zeugenaussagen und Verzicht auf erneute Vernehmung in der Berufungsinstanz.

Beschluss v. 28.3.2023, VI ZR 368/21

12. Zivilsenat

1. Die Erforderlichkeit einer Betreuung kann sich nicht allein aus der subjektiven Unfähigkeit des Betroffenen ergeben, seine Angelegenheiten selbst regeln zu können (Betreuungsbedürftigkeit). Nach § 1815 Abs. 1 Satz 3 BGB darf ein Aufgabenbereich nur angeordnet werden, wenn und soweit dessen rechtliche Wahrnehmung durch einen Betreuer erforderlich ist (Fortführung der Senatsbeschlüsse vom 30. Juni 2021 - XII ZB 73/21, FamRZ 2021, 1737 und vom 21. Oktober 2020 - XII ZB 153/20, FamRZ 2021, 385).

2. Ob und für welche Aufgabenbereiche ein objektiver Betreuungsbedarf besteht, ist aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen (Fortführung der Senatsbeschlüsse vom 30. Juni 2021 - XII ZB 73/21, FamRZ 2021, 1737 und vom 21. Oktober 2020 - XII ZB 153/20, FamRZ 2021, 385).

3. Eine Anordnung zur Entscheidung über die Postangelegenheiten des Betroffenen nach § 1815 Abs. 2 Nr. 6 BGB ist nur zulässig, soweit die Befugnis erforderlich ist, um dem Betreuer die Erfüllung einer ihm ansonsten übertragenen Betreuungsaufgabe in der gebotenen Weise zu ermöglichen. Zudem setzt eine solche Anordnung regelmäßig voraus, dass sie erforderlich ist, um eine erhebliche Gefährdung oder Beeinträchtigung von wesentlichen Rechtsgütern des Betroffenen zu beseitigen. Beides muss durch konkrete tatrichterliche Feststellungen belegt werden (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 21. Oktober 2020 - XII ZB 153/20, FamRZ 2021, 385).

Beschluss v. 19.4.2023, XII ZB 462/22

1. Zivilsenat

Kosten für Abschlussschreiben III

Den Schuldner einer einstweiligen (Beschluss-)Verfügung trifft gegenüber dem Gläubiger mit Ablauf der Wartefrist von im Regelfall zwei Wochen, die der Gläubiger vor der Versendung eines Abschlussschreibens einzuhalten hat, eine Aufklärungspflicht über den Entschluss zur Erhebung eines Widerspruchs gegen die einstweilige (Beschluss-)Verfügung. Wird der pflichtwidrig unterlassene Hinweis des Schuldners adäquat kausal für die Kosten eines - objektiv nicht mehr erforderlichen - Abschlussschreibens des Gläubigers, kann das einen Schadensersatzanspruch des Gläubigers nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB auslösen.

Versäumnisurteil v. 9.2.2023, I ZR 61/22

12. Zivilsenat

1. Das Recht der Beschwerde nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht den Angehörigen im Interesse des Betroffenen nur dann zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 17. März 2021 - XII ZB 169/19, FamRZ 2021, 1062 und vom 11. Juli 2018 - XII ZB 471/17, FamRZ 2018, 1607).

2. Für die auch konkludent mögliche Hinzuziehung zu einem Betreuungsverfahren ist erforderlich, dass das Gericht dem Beteiligten eine Einflussnahme auf das laufende Verfahren ermöglichen will und dies zum Ausdruck bringt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 17. März 2021 - XII ZB 169/19, FamRZ 2021, 1062).

3. In der antragsgemäß bewilligten Akteneinsicht liegt keine Hinzuziehung eines Angehörigen, wenn die Akteneinsicht erkennbar allein dazu dient, dessen berechtigtes Informationsinteresse zu befriedigen (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 17. Juni 2020 - XII ZB 574/19, FamRZ 2020, 1590 und vom 13. März 2019 - XII ZB 523/18, FamRZ 2019, 915).

4. Ein Angehöriger erlangt durch seine Hinzuziehung (erstmals) im Abhilfeverfahren nach § 68 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht nachträglich eine Beschwerdebefugnis nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 3. Februar 2021 - XII ZB 437/20, FamRZ 2021, 799). Dies gilt auch dann, wenn sich der Angehörige, der erst im Abhilfeverfahren beteiligt wurde, mit seiner Beschwerde gegen die Betreuungsentscheidung in Gestalt der sie abändernden Abhilfeentscheidung wendet.

Beschluss v. 8.3.2023, XII ZB 283/22

6a. Zivilsenat

Zu den Anforderungen an die Individualisierung von Gegenstand und Grund des Anspruchs in der Anmeldung zum Klageregister einer Musterfeststellungsklage.

Urteil v. 24.4.2023, VIa ZR 1072/22


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