Entscheidungsstichwort (Thema)
Aktienrechtlicher Anfechtungsprozess. Beigetretener Aktionär. Nebenintervenient. Kostenerstattung des Nebenintervenienten. Anfechtung von Beschlüssen der Hauptversammlung
Leitsatz (amtlich)
a) Die Ausschlussfrist des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG gilt nicht zu Lasten des auf Seiten der beklagten Gesellschaft beitretenden Nebenintervenienten.
b) Der im aktienrechtlichen Anfechtungsprozess auf Seiten der beklagten Gesellschaft beigetretene Aktionär ist streitgenössischer Nebenintervenient. Ob er Ersatz seiner außergerichtlichen Kosten beanspruchen kann, ist deshalb eigenständig und unabhängig von der ggü. der unterstützten Partei zu treffenden Kostenentscheidung nach seinem persönlichen Obsiegen und Unterliegen im Verhältnis zu dem Gegner zu beurteilen (vgl. BGH, Beschl. v. 18.6.2007 - II ZB 23/06DStR 2007, 1265).
Normenkette
AktG § 246 Abs. 4 S. 2; ZPO §§ 69, 101 Abs. 2, § 100
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Klägers zu 2) gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des OLG Hamburg vom 4.4.2008 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 2.500 EUR
Gründe
I.
[1] Die Kläger, Aktionäre der Beklagten, erhoben im Juni 2007 zunächst getrennt Anfechtungsklage gegen Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 24.5.2007. Das LG Hamburg ordnete jeweils das schriftliche Vorverfahren an. Die Klage des Klägers zu 1) wurde am 1.8.2007, der - nach Verbindung der beiden Verfahren - für den 30.11.2007 bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wurde am 14.11.2007 im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht. Mit einem am 19.11.2007 beim LG Hamburg eingegangenen Schriftsatz vom 21.10.2007 erklärte der Rechtsbeschwerdegegner, dass er dem Rechtsstreit auf Seiten der beklagten Aktiengesellschaft beitrete.
[2] In der mündlichen Verhandlung vor dem LG Hamburg schlossen die Hauptparteien einen Vergleich, in dem die Beklagte die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Kläger sowie der Nebenintervenientin auf Klägerseite übernahm und sich die Kläger im Gegenzug zur Klagerücknahme verpflichteten. Eine Kostenregelung für den Nebenintervenienten auf Beklagtenseite enthält der Vergleich nicht.
[3] Nach Rücknahme der Klage hat der Nebenintervenient auf Beklagtenseite beantragt, den Klägern die Kosten seiner Nebenintervention aufzuerlegen. Das LG hat mit Beschluss vom 10.1.2008 den Antrag zurückgewiesen, weil die Kostenregelung im Vergleich auch im Verhältnis zum Streithelfer der Beklagten § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO vorgehe und sein Prozessbevollmächtigter im Termin ausdrücklich auf eine Kostenregelung verzichtet habe. Auf die sofortige Beschwerde des Rechtsbeschwerdegegners hat das OLG die Kosten seiner Nebenintervention den Klägern je zu Hälfte auferlegt. Mit der vom OLG zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger zu 2), soweit zu seinem Nachteil entschieden ist, die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung.
II.
[4] Die gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Das OLG hat dem Kläger zu 2) zu Recht die hälftigen Kosten der Nebenintervention auf Beklagtenseite auferlegt.
[5] 1. Das OLG hat ausgeführt:
[6] Zwar habe der Nebenintervenient seinen Beitritt nicht innerhalb der Frist des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG erklärt, weil diese Frist schon mit der Bekanntmachung der Klageerhebung und der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens und nicht erst mit der Veröffentlichung des Termins zur mündlichen Verhandlung zu laufen begonnen habe. Dies sei jedoch ohne Belang, weil die Frist für den auf Seiten der beklagten Aktiengesellschaft beitretenden Aktionär nicht gelte. Da es sich um eine streitgenössische Nebenintervention handle, sei über die Kosten des Nebenintervenienten eigenständig und unabhängig von der unterstützten Hauptpartei zu entscheiden. Die Kläger seien nach Rücknahme ihrer Klage gem. §§ 269 Abs. 3 Satz 2, 100 Abs. 1 ZPO verpflichtet, die Kosten des gegnerischen Nebenintervenienten zu gleichen Teilen zu tragen. Dass dessen Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem LG ausdrücklich auf eine Regelung seiner Kosten verzichtet habe, stehe der beantragten Entscheidung nicht entgegen, weil ein solcher Verzicht nicht protokolliert worden sei.
[7] 2. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
[8] a) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Versäumung der Ausschlussfrist des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG durch den Nebenintervenienten nicht zur Unzulässigkeit seiner Nebenintervention führt. Die genannte Vorschrift gilt nicht zu Lasten des auf Seiten der beklagten Gesellschaft beitretenden Nebenintervenienten.
[9] Schon der Wortlaut des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG steht der Anwendbarkeit der - mit dem Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) zum 1.11.2005 neu eingeführten - Befristung der Nebenintervention für den Beitritt auf Beklagtenseite entgegen. "An der Klage beteiligen" - wie es in § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG heißt - kann sich nur der Nebenintervenient auf Kläger-, nicht aber derjenige auf Beklagtenseite. Dementsprechend trifft auch die vom Gesetzgeber für die Befristung der Nebenintervention gegebene Begründung, "dass die Nebenintervention von den Klagevoraussetzungen nicht besser stehen darf als die Klage" (RegE UMAG BR-Drucks. 3/05, 56 zu Nr. 22), für die Nebenintervention auf Beklagtenseite ersichtlich ebenso wenig zu, wie überhaupt der mit dem UMAG verfolgte Zweck, die Zulässigkeit von Anfechtungsklagen im Interesse der Gesellschaft zu beschränken (vgl. RegE UMAG BR-Drucks. 3/05, 1 A). Denn der Beklagtenintervenient tritt dem Anfechtungsprozess gerade bei, um die Gesellschaft bei der Abwehr einer Anfechtungsklage zu unterstützen. Eine über den Wortlaut hinausgehende Anwendung des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG für den Beitritt auf Seiten der beklagten Gesellschaft scheidet demnach aus (allg. Meinung, vgl. Hüffer, 8. Aufl. 2008, § 246 AktG Rz. 40 a.E.; Heidel, AnwaltsKomm.z.AktG, 2. Aufl., § 246 Rz. 7b; Dörr in Spindler/Stilz, AktG § 246 Rz. 56; Göz in Bürgers/Körber, AktG § 246 Rz. 33; Tielmann in Happ, Aktienrecht 3. Aufl. Abschnitt 18.01 Rz. 5 S. 2064 f.; Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG § 246 Rz. 26).
[10] Sie kommt aber auch deshalb nicht in Betracht, weil sie den Zweck der neu geschaffenen Vorschrift, "räuberische Aktionäre" von Anfechtungsprozessen gegen die Gesellschaft möglichst fern zu halten, verfehlen würde. Es kommt hinzu, dass das Institut der Nebenintervention im aktienrechtlichen Anfechtungsprozess das - wegen der Rechtskrafterstreckung eines stattgebenden Urteils auf alle Aktionäre (§§ 248 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 AktG) - verfassungsrechtlich unabdingbare rechtliche Gehör der Aktionäre gewährleistet (BVerfGE 21, 132 [137 f.]; 60, 7, 14; BGHZ 172, 136, 141 Tz. 15; BGH, Beschl. v. 23.4.2007 - II ZB 13/06DStR 2007, 1781, 1782 Tz. 9; Austmann, ZHR 158, 495, 497; Schmidt in Großkomm/AktG, 4. Aufl., § 246 Rz. 45) und deswegen die Regelung des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG, die die Möglichkeit einer - nach § 66 Abs. 2 ZPO grundsätzlich bis zur Rechtskraft der Entscheidung unbefristet zulässigen - Nebenintervention in zeitlicher Hinsicht einschränkt, als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist.
[11] b) Ohne Rechtsfehler hat das OLG dem Kläger zu 2) in Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die hälftigen Kosten der Nebenintervention des Rechtsbeschwerdegegners auferlegt.
[12] aa) Über den Kostenerstattungsanspruch des Nebenintervenienten der Beklagten ist - was auch die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel zieht - infolge der Rücknahme der Klage auf der Grundlage des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu entscheiden. Der als Aktionär dem - von den Klägern als Aktionären gegen die beklagte Gesellschaft geführten - Anfechtungsstreit auf Seiten der Beklagten beigetretene Nebenintervenient ist im Hinblick auf die sich aus § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG ergebende Rechtskrafterstreckung und Gestaltungswirkung eines stattgebenden Anfechtungsurteils nach der ständigen Rspr. des Senats als streitgenössischer Nebenintervenient i.S.d. §§ 66, 69 ZPO anzusehen (vgl. nur BGHZ 172, 137 Tz. 9 m.w.N.). Für die streitgenössische Nebenintervention gilt der für die einfache Streitgenossenschaft in § 101 Abs. 1 ZPO geregelte Grundsatz der Kostenparallelität und damit auch der in dieser Vorschrift in Bezug genommene § 98 ZPO nicht; vielmehr sind ausschließlich die §§ 101 Abs. 2, 100 ZPO anzuwenden, die den streitgenössischen Nebenintervenienten kostenrechtlich uneingeschränkt einem Streitgenossen der Hauptpartei gleichstellen. Ob ein streitgenössischer Nebenintervenient Ersatz seiner außergerichtlichen Kosten beanspruchen kann, ist danach eigenständig und unabhängig von der ggü. der unterstützten Hauptpartei zu treffenden Kostenentscheidung nach seinem persönlichen Obsiegen und Unterliegen im Verhältnis zu dem Gegner zu beurteilen (BGH, Beschl. v. 18.6.2007 - II ZB 23/06DStR 2007, 1265 Tz. 8 f. m.w.N.; v. 3.6.1985 - II ZR 248/84JZ 1985, 853, 854; h.M., vgl. z.B. Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 101 Rz. 13; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl., § 101 Rz. 9; Lenenbach, WuB VII A. § 101 ZPO 1.07, 824; Althammer, JZ 2008, 255, 256 f.; Waclawik, DStR 2007, 1257 [1259 f.]; Wilsing/Siebmann, DB 2007, 1517; a.A. für den Fall eines Prozessvergleichs Giebel in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 101 Rz. 32). Da die Kläger die Klage zurückgenommen haben, haben sie - vorbehaltlich der Ausnahmeregelung des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 ZPO - die außergerichtlichen Kosten des Nebenintervenienten der Beklagten zu tragen.
[13] bb) Die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls nach § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 ZPO liegen nicht vor. Über die außergerichtlichen Kosten des Nebenintervenienten ist weder bereits rechtskräftig entschieden noch sind sie ihm "aus einem anderen Grund aufzuerlegen".
[14] Wie die Rechtsbeschwerde mit Recht rügt, steht zwar die fehlende Protokollierung der - unstreitigen - Erklärung des Nebenintervenienten, auf eine Regelung seiner Kosten zu verzichten, der Anwendbarkeit der Ausnahmevorschrift des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 Alt. 2 ZPO nicht von vornherein entgegen. Auch eine Kostenregelung in einem formlos wirksamen materiell-rechtlichen Vergleich oder ein materiell-rechtlicher Verzicht auf Kostenerstattung geht der in § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 ZPO angeordneten Kostentragungspflicht des Klägers vor (vgl. BGH, Beschl. v. 13.6.1972 - X ZR 45/69, MDR 1972, 945 [946]; v. 24.6.2004 - VII ZB 4/04NJW-RR 2004, 1506 [1507]; OLG München, VersR 1976, 395; OLG HammVersR 1994, 834; OLG KölnMDR 1986, 503; Assmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 269 Rz. 113; H. Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 269 Rz. 49).
[15] Durch die Äußerung des Nebenintervenienten, auf eine Regelung seiner außergerichtlichen Kosten, also die Schaffung eines Kostentitels, zu verzichten, ist aber weder ein materiell-rechtlicher Vergleich über diese Kosten zustande gekommen noch kann ihr ein Verzicht auf Kostenerstattung entnommen werden. An die Feststellung eines Verzichtswillens, der nicht vermutet werden darf, sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Urt. v. 3.6.2008 - XI ZR 353/07NJW 2008, 2842 Tz. 20; Urt. v. 7.3.2006 - VI ZR 54/05NJW 2006, 1511 Tz. 10). Dementsprechend ist eine Erklärung, die einen Verzicht zum Inhalt hat, im Zweifel eng auszulegen (Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 397 Rz. 6).
[16] Danach kann hier von einem Willen des Nebenintervenienten, auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten zu verzichten, die er im Falle des Vergleichsschlusses kraft Gesetzes beanspruchen konnte, nicht ausgegangen werden. Der Verzicht auf eine Kostenregelung im Vergleich ist nicht gleichbedeutend mit einem Verzicht auf Kostenerstattung und schließt diesen mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres ein.
Fundstellen
Haufe-Index 2194930 |
BB 2009, 1705 |
DB 2009, 1810 |
DStR 2009, 1970 |
BGHR 2009, 1053 |
EBE/BGH 2009 |
JurBüro 2009, 541 |
NZG 2009, 948 |
WM 2009, 1572 |
ZIP 2009, 1538 |
AG 2009, 624 |
MDR 2009, 1176 |
GWR 2009, 292 |
ZBB 2009, 394 |