Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 07.11.2022; Aktenzeichen 2-09 S 3/22) |
AG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 07.12.2021; Aktenzeichen 33 C 3009/20 (55)) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers und Widerbeklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 7. November 2022 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 133.500 €.
Gründe
I.
Rz. 1
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig. Sie scheitert insbesondere nicht an § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Denn der Wert der Beschwer, der mit der Revision geltend gemacht werden soll, übersteigt 20.000 €.
Rz. 2
a) Maßgebend für den Wert der Beschwer im Rechtsmittelverfahren ist das Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung, das gemäß § 3 ZPO unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten ist (vgl. Senat, Beschluss vom 17. November 2016 - V ZR 86/16, NJW-RR 2017, 584 Rn. 2). Streiten die Parteien - wie hier - um das Bestehen eines Sondernutzungsrechts, bemisst sich die Beschwer des Klägers, dessen Klage auf Feststellung des Bestehens bzw. auf Einräumung eines Sondernutzungsrechts abgewiesen worden ist, nach der Wertsteigerung, die sein Wohnungseigentum bei Stattgabe der Klage erfährt (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2018 - V ZR 338/17, WuM 2019, 157 Rn. 3). Gleiches gilt, wenn die Parteien zugleich - wie hier - um den Umfang des räumlichen Bereichs des Sondereigentums streiten.
Rz. 3
b) aa) Der Kläger hat mit einem im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vorgelegten Sachverständigengutachten glaubhaft gemacht, dass sein Wohnungseigentum bei Zuerkennung des Nutzungsrechts an der streitgegenständlichen Terrasse einen Wertzuwachs in Höhe von 257.000 € erfährt.
Rz. 4
bb) Der Kläger kann sich auf diese Beschwer berufen, obwohl sowohl Amts- als auch Berufungsgericht den Streitwert auf 10.000 € festgesetzt haben. Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einer Partei verwehrt, sich im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auf der Grundlage neuen Vorbringens auf einen höheren, die erforderliche Rechtsmittelbeschwer erreichenden Streitwert der Klage zu berufen. Dies gilt aber nur dann, wenn die Partei die Streitwertfestsetzung in den Vorinstanzen nicht beanstandet und auch nicht glaubhaft gemacht hat, dass bereits in den Vorinstanzen vorgebrachte Umstände, die die Festsetzung eines höheren Streitwerts - und einer damit einhergehenden entsprechenden Beschwer - rechtfertigen, nicht ausreichend berücksichtigt worden sind (vgl. nur Senat, Beschluss vom 20. Februar 2020 - V ZR 167/19, WuM 2020, 308 Rn. 6 mwN). Dies hat der Kläger hier jedoch getan. Denn er hat bereits in der Klageschrift angegeben, dass sich der Wert seines Wohnungseigentums ohne das alleinige Nutzungsrecht an der Terrasse um 120.000 € verringern würde, und er hat diese Ansicht auch in der Berufungsbegründung weiter vertreten. Darüber hinaus hat sein Prozessbevollmächtigter gegen die vorinstanzlichen Streitwertfestsetzungen nach § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG Beschwerde eingelegt.
Rz. 5
2. In der Sache ist die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet. Die Rechtssache wirft keine entscheidungserheblichen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine Entscheidung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO). Von einer näheren Begründung wird abgesehen (§ 544 Abs. 6 Satz 2 ZPO).
II.
Rz. 6
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Rz. 7
2. Den Streitwert hat der Senat gemäß § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1, § 71 Abs. 1 Satz 2, § 47 Abs. 2 GKG, § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG aF bemessen.
Rz. 8
a) Der Streitwert für das Verfahren bestimmt sich gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG nach neuem Recht, weil die Nichtzulassungsbeschwerde nach dem 30. November 2020 eingelegt worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Januar 2022 - V ZR 86/21, juris Rn. 3). Maßgeblich ist deshalb nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO das einfache wirtschaftliche Interesse des Klägers an dem Erfolg der Klage, das - wie ausgeführt - mit 257.000 € zu bewerten ist.
Rz. 9
b) Gemäß § 47 Abs. 2 GKG wird der Streitwert aber durch den Wert des Streitgegenstandes des ersten Rechtszugs begrenzt. Da die Klage vor dem 1. Dezember 2020 erhoben worden ist, bleibt insoweit § 49a GKG aF maßgeblich (§ 71 Abs. 1 Satz 1 GKG; vgl. Senat, Beschluss vom 9. Dezember 2021 - V ZR 112/21, MDR 2022, 227 Rn. 5). Das Amtsgericht hat den Streitwert unter Hinweis auf § 3 ZPO ohne weitere Begründung auf 10.000 € festgesetzt. Allerdings ist die durch § 47 Abs. 2 GKG gezogene Grenze nicht anhand des festgesetzten Werts, sondern anhand materieller Kriterien zu bestimmen (vgl. Senat, Urteil vom 24. Februar 2023 - V ZR 152/22, NZM 2023, 421 Rn. 29). Richtigerweise ist gemäß § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG aF das hälftige Gesamtinteresse der Parteien anzusetzen. Dabei waren als Interesse des Kläger - wie ausgeführt - 257.000 € einzustellen. Das Interesse der Beklagten an der Abwehr der Klage schätzt der Senat auf 10.000 €, so dass sich ein hälftiges Gesamtinteresse von 133.500 € ergibt. Anhaltspunkte dafür, dass die Grenzen des § 49a Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG aF und des § 49a Abs. 2 GKG aF nicht eingehalten sind, bestehen nicht.
Rz. 10
3. Zu einer Änderung des Streitwerts für die Vorinstanzen von Amts wegen gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG ist der Senat nicht befugt, weil die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu dem Anfall der „Hauptsache“ führt (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Januar 2023 - V ZR 40/22, juris Rn. 6).
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Fundstellen