Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich zielt auf Versorgungsteilhabe nur unter Ehegatten. Anspruch des ausgleichsberechtigten Ehegatten erlischt mit dessen Tod auch dann, wenn Versorgungsausgleich abgetrennt oder ausgesetzt war
Leitsatz (amtlich)
Mit dem Tod des Berechtigten erlischt der Anspruch auf Versorgungsausgleich gem. § 1587e Abs. 2 BGB auch dann, wenn das Verfahren nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG ausgesetzt war.
Normenkette
BGB § 1587e Abs. 2; VAÜG § 2 Abs. 1 Sätze 1-2
Verfahrensgang
OLG Braunschweig (Beschluss vom 24.02.2006; Aktenzeichen 2 UF 37/05 -) |
AG Herzberg am Harz (Beschluss vom 21.02.2005; Aktenzeichen 7 F 104/00) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Familiensenats des OLG Braunschweig vom 24.2.2006 wird auf Kosten der Beteiligten zu 2) zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 1.000 EUR
Gründe
I.
[1] Die Beteiligte zu 2) begehrt die Durchführung des Versorgungsausgleichs.
[2] Die am 30.8.1991 geschlossene Ehe der Parteien, aus der eine Tochter hervorgegangen ist, wurde auf den am 26.5.2000 zugestellten Antrag durch Verbundurteil des AG - FamG - vom 12.10.2000 rechtskräftig geschieden; der Versorgungsausgleich wurde nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG ausgesetzt.
[3] Nach dem Tod des Antragstellers (im Folgenden: Ehemann; geb. am 21.12.1964, verstorben am 26.5.2002) hat die Beteiligte zu 2) die Wiederaufnahme des Verfahrens über den Versorgungsausgleich beantragt, weil aus der Versicherung des Ehemannes eine Halbwaisenrente zu zahlen sei und die Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau, geb. am 15.6.1967) eine Erziehungsrente (§ 47 SGB VI) beantragt habe. In der Ehezeit (1.8.1991 bis 30.4.2000, § 1587 Abs. 2 BGB) haben die Parteien Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, und zwar die Ehefrau bei der Beteiligten zu 1) volldynamische Anrechte i.H.v. 325,89 DM, der Ehemann bei der Beteiligten zu 2) volldynamische Anrechte i.H.v. (104,91 EUR =) 205,19 DM sowie angleichungsdynamische Anrechte i.H.v. (56,15 EUR =) 109,82 DM, jeweils monatlich und bezogen auf den 30.4.2000.
[4] Das AG - FamG - hat mit Beschluss vom 21.2.2005 festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Der Ehemann sei ausgleichsberechtigt; mit seinem Tod sei sein Ausgleichsanspruch gem. § 1587e Abs. 2 BGB erloschen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2) hat das OLG zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 2) ihr Begehren auf Durchführung des Versorgungsausgleichs weiter.
II.
[5] Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
[6] 1. Das OLG geht zu Recht davon aus, dass der Ehemann bei Durchführung des Versorgungsausgleichs ausgleichsberechtigt wäre. Nach den Berechnungen des AG, auf die das OLG Bezug nimmt, übersteigt der Wert der von der Ehefrau in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften den Wert der vom Ehemann in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften um 9,73 DM. Diese Berechnung, der sich das OLG angeschlossen hat, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Auch die Rechtsbeschwerde erinnert hiergegen nichts.
[7] 2. Nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung der Vorinstanzen, dass mit dem Tod des - ausgleichsberechtigten - Ehemannes dessen Ausgleichsanspruch gem. § 1587e Abs. 2 BGB erloschen und ein Versorgungsausgleich deshalb nicht mehr durchzuführen ist.
[8] a) § 1587e Abs. 2 BGB beruht auf dem Gedanken, dass (nur) die beiden Ehegatten an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen gleichen Anteil haben sollen. Der Umstand, dass die dem ausgleichsberechtigten Ehegatten im Versorgungsausgleich übertragenen oder für ihn begründeten Versorgungsanrechte im Todesfall möglicherweise auch seinen Hinterbliebenen zugute kommen, ergibt sich aus der Eigenständigkeit der im Versorgungsausgleich erworbenen Anrechte. Insoweit handelt es sich aber nur um eine mittelbare Folge des Versorgungsausgleichs; am Zweck des Versorgungsausgleichs, der auf Versorgungsteilhabe nur unter den Ehegatten zielt, ändert die mittelbare Begünstigung auch von Hinterbliebenen nichts.
[9] b) Allgemein anerkannt ist, dass nach § 1587e Abs. 2 BGB der Anspruch des ausgleichsberechtigten Ehegatten mit dessen Tod auch dann erlischt, wenn der Versorgungsausgleich nach § 628 ZPO abgetrennt oder nach § 53c FGG ausgesetzt war (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht 4. Aufl., § 1587e Rz. 8; Staudinger/Rehme, BGB [2004], § 1587e Rz. 23, jeweils für den Fall des § 628 ZPO). Allein entscheidend ist dabei, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte vor der Durchführung des Versorgungsausgleichs stirbt, so dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs sich nicht mehr zu seinen Gunsten auswirken kann. Auf die Gründe, die dazu geführt haben, dass der Versorgungssausgleich zu Lebzeiten des ausgleichsberechtigten Ehegatten nicht mehr durchgeführt worden ist, kommt es nicht an. Dies gilt auch in den Fällen des § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG (so auch Staudinger/Rehme, a.a.O.; Palandt/Brudermüller, BGB 66. Aufl., § 1587e Rz. 7 und VAÜG § 2 Rz. 15; Borth FamRZ 2005, 397, 398; Götsche FamRZ 2006, 513, 516; Kemnade FamRZ 2003, 1842). Der vom KG - zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung - hervorgehobene Gesichtspunkt, dass in den Fällen des § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG die Wiederaufnahme des Versorgungsausgleichsverfahrens und dessen endgültiger Abschluss bei Beendigung des Scheidungsverbunds regelmäßig nicht absehbar und von den Parteien nicht beeinflussbar sei (KG v. 30.9.2004 - 16 UF 75/04, KGReport Berlin 2005, 95 = FamRZ 2005, 986 und 2003, 1841, 1842 mit kritischer Anm. Kemnade, a.a.O., 1842), rechtfertigt eine unterschiedliche Behandlung dieser Fälle nicht. Zum einen können auch bei einer Abtrennung oder Aussetzung des Verfahrens nach § 628 ZPO oder § 53c FGG Wiederaufnahme und Abschluss des Verfahrens ungewiss sein und sich einer Einflussnahme der Parteien entziehen. Zum anderen kommt es auf diese Gesichtspunkte nach dem dargelegten Sinn und Zweck des § 1587e Abs. 2 BGB nicht an.
[10] c) Aus der Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 VAÜG ergibt sich nichts Gegenteiliges. Nach dieser Vorschrift können, wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 VAÜG eintreten, die Ehegatten, aber auch deren Hinterbliebene und die betroffenen Versorgungsträger eine Wiederaufnahme des nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG ausgesetzten Versorgungsausgleichsverfahrens verlangen. Das KG leitet aus dieser Antragsberechtigung der Hinterbliebenen her, dass ein Anspruch auf Versorgungsausgleich im Falle der Aussetzung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG entgegen § 1587e Abs. 2 BGB nicht erlischt, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte stirbt (ebenso MünchKomm/Sander BGB 4. Aufl., § 2 VAÜG Rz. 14). Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen:
[11] § 1587e Abs. 2 BGB ist eine materiell-rechtliche Grundsatznorm; deren Geltung kann - bei systematischer Auslegung - schwerlich durch die bloße Verfahrensregelung in § 2 Abs. 2 Satz 2 VAÜG beschränkt werden. Im Übrigen liegt der Argumentation des KG offenbar die Annahme zugrunde, die Hinterbliebenen des Verpflichteten könnten an der Durchführung des Versorgungsausgleichs kein Interesse haben. Das "den Hinterbliebenen" eingeräumte Antragsrecht könne folglich nur die Hinterbliebenen des Berechtigten begünstigen, dies könne aber wiederum nur sinnvoll sein, wenn der Versorgungsausgleich noch zu ihren Gunsten durchgeführt werden könne, der Ausgleichsanspruch des Berechtigten also nicht mit dessen Tod erloschen sei. Diese Annahme trifft, wie das OLG dargelegt hat, in dieser Allgemeinheit nicht zu. Vielmehr sind durchaus - wenn auch eher seltene - Fälle denkbar, in denen auch die Hinterbliebenen des Verpflichteten ein Interesse an der Durchführung des Versorgungsausgleichs haben können - so etwa dann, wenn sich die Erben des Verpflichteten auseinandersetzen wollen und dazu über eine etwaige Verpflichtung zur Erbringung von Beitragszahlungen an den Berechtigten Klarheit schaffen wollen. Auch wird z.T. ein Rechtsschutzinteresse der Hinterbliebenen des Berechtigten an der Feststellung anerkannt, dass der Ausgleichsanspruch erloschen sei (Götsche FamRZ 2006, 513, 516; vgl. auch OLG Frankfurt v. 29.9.1989 - 3 UF 103/87, FamRZ 1990, 296, 297, das ein Interesse des Verpflichteten an einem solchen Ausspruch bejaht). Derartigen Fällen trägt § 2 Abs. 2 Satz 2 VAÜG dadurch Rechnung, dass nicht nur die Ehegatten, sondern auch "ihre Hinterbliebenen" die Wiederaufnahme des ausgesetzten Versorgungsausgleichs beantragen können; eine Ausnahme von § 1587e Abs. 2 BGB liegt darin nicht begründet.
[12] Dies gilt um so mehr, als eine solche Beschränkung nicht nur, wie dargelegt, mit dem Ziel des Versorgungsausgleichs unvereinbar ist, die gleichberechtigte Teilhabe (nur) der Ehegatten an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen zu ermöglichen. Sie würde auch dazu führen, dass in einem von den Hinterbliebenen des Berechtigten wiederaufgenommenen Versorgungsausgleichsverfahren für diesen Rentenanwartschaften übertragen oder für ihn begründet werden müssten. Eine Möglichkeit, für einen Versicherten nach dessen Tod Versorgungsanrechte zu begründen, ist dem Sozialversicherungsrecht jedoch grundsätzlich fremd. Anderes gilt insoweit für die - dem § 2 Abs. 2 Satz 2 VAÜG wortgleiche - Regelung des § 10a Abs. 4 VAHRG. Das von dieser Vorschrift den Hinterbliebenen auch des Berechtigten eingeräumte Antragsrecht gewährt diesen nicht nur eine Verfahrensbefugnis. Vielmehr wird, soweit dem Berechtigten im Abänderungsverfahren weitergehende Anrechte zu übertragen oder für ihn zu begründen sind, zugleich der materielle Ausgleichsanspruch des Berechtigten gegen den Verpflichteten erweitert. Die Geltendmachung dieses materiellen Anspruchs wird in § 10a Abs. 4 VAHRG auch den Hinterbliebenen des Berechtigten eingeräumt. § 1586e Abs. 2 BGB erfährt insoweit eine vom Gesetz gewollte Einschränkung (vgl. MünchKomm/Dörr, BGB 4. Aufl., § 10a VAHRG Rz. 90; vgl. auch Johannsen/Henrich/Hahne, a.a.O., § 10a VAHRG Rz. 55). Der sozialversicherungsrechtliche Grundsatz, nach dem für einen verstorbenen Versicherten keine Versorgungsanrechte begründet werden können, tritt insoweit zurück.
III.
[13] Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 und 3 ZPO. § 93a ZPO ist unanwendbar, wenn - wie hier - ein Drittbeteiligter ein erfolgloses Rechtsmittel einlegt (Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber, a.a.O., § 93a ZPO Rz. 13a). Eine Korrektur der Kostenentscheidung im angefochtenen Beschluss würde zu Lasten der Rechtsbeschwerdeführerin gehen; sie ist dem Senat verwehrt.
Fundstellen
Haufe-Index 1806224 |
BGHR 2008, 77 |
EBE/BGH 2007, 314 |
FamRZ 2007, 1804 |
FuR 2007, 519 |
NJW-RR 2008, 154 |
MDR 2007, 1318 |
ErbR 2008, 31 |
FamRB 2007, 355 |
ZFE 2008, 76 |