Leitsatz (amtlich)
a) Ist das Beschwerdegericht in einem Prozesskostenhilfeverfahren der Ansicht, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde vorliegen, so muss es bei Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligen.
b) Hat das Beschwerdegericht den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt und dennoch die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss zugelassen, so ist das Revisionsgericht zwar an die Zulassung gebunden (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO). Der Beschluss ist jedoch aufzuheben, weil er gegen das in Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte Gebot der Rechtsschutzgleichheit verstößt.
Normenkette
ZPO §§ 114, 574 Abs. 2 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 16. Zivilsenats des OLG Dresden v. 15.10.2002 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Feststellung des Bestehens eines Gewerberaummietvertrages, hilfsweise Feststellung, dass das Mietverhältnis nicht durch die Kündigung der Antragsgegnerin zum 30.9.2001 beendet wurde und weiter hilfsweise Zahlung der Miete für die Zeit v. 1.10.2001 bis einschließlich Februar 2002.
Mit schriftlichem Mietvertrag v. 21./28.6.1995 vermietete der Antragsteller an die Antragsgegnerin eine Gesamtfläche von 1450 m2 bestehend aus Räumlichkeiten, Hofflächen und Überfahrtsflächen zum Betrieb eines Reifen-Service für die Dauer von fünfzehn Jahren. Wegen der Maße und Lage des Mietgegenstandes wurde auf einen als Anlage I bezeichneten Lageplan verwiesen, in dem die vermieteten Flächen schraffiert gekennzeichnet sein sollten. Dieser Lageplan lag unstreitig bei Vertragsabschluss nicht vor.
Mit Schreiben v. 20.2.2001 kündigte die Antragsgegnerin den Mietvertrag gem. § 566 BGB i. V. m. § 565 Abs. 1a BGB a. F. zum 30.9.2001. Der Antragsteller ist der Ansicht, die Antragsgegnerin könne sich nach Treu und Glauben nicht auf einen etwaigen Formmangel des Mietvertrages berufen.
Der Antrag des Antragstellers auf Prozesskostenhilfe ist vor dem LG und dem OLG ohne Erfolg geblieben. Mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Antrag weiter.
II.
Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass zwischen den Parteien trotz Unterzeichnung des schriftlichen Mietvertrages zunächst kein Mietvertrag zustande gekommen sei, weil sich die Parteien nicht über den Mietgegenstand geeinigt hätten. Es sei offen geblieben, welche Teile des noch zu errichtenden Gebäudes und des Grundstücks der Antragsgegnerin zur Nutzung hätten überlassen werden sollen. Soweit sich aus der jahrelangen Nutzung des Gebäudes und des Grundstücks eine Einigung über das Mietobjekt und damit der Abschluss eines Mietvertrages ergebe, fehle es an der Einhaltung der Schriftform des § 566 BGB a. F. Die Antragsgegnerin dürfe sich auch auf den Formmangel berufen, ohne gegen Treu und Glauben zu verstoßen. Die Rechtsbeschwerde hat es unter Hinweis auf § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wegen der Frage zugelassen, ob der Antragsgegnerin aus Treu und Glauben eine Geltendmachung der Formnichtigkeit verwehrt sei.
III.
Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO) Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
Das Beschwerdegericht hätte, wenn es der Ansicht ist, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, oder, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfordert, bei Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen, Prozesskostenhilfe bewilligen müssen (vgl. BGH, Beschl. v. 21.11.2002 - V ZB 40/02, MDR 2003, 477 = BGHReport 2003, 407 = NJW 2003, 1126; Beschl. v. 27.2.2003 - III ZB 29/02, AGS 2003, 213). In diesem Fall gebietet nämlich die in Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte Rechtsschutzgleichheit, die Erfolgsaussicht zu bejahen und dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu gewähren, denn das Hauptverfahren eröffnet erheblich bessere Möglichkeiten der Entwicklung und Darstellung des eigenen Rechtsstandpunktes (BVerfG v. 13.3.1990 - 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347). Das nur einer summarischen Prüfung unterliegende Prozesskostenhilfeverfahren hat demgegenüber nicht den Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen vorweg zu entscheiden (BVerfG v. 10.12.2001 - 1 BvR 1803/97, FamRZ 2002, 665).
Fundstellen
Haufe-Index 1132083 |
NJW 2004, 2022 |
BGHR 2004, 901 |
FamRZ 2004, 867 |
WM 2004, 2231 |
MDR 2004, 1016 |
GuT 2004, 99 |
ProzRB 2004, 208 |