Leitsatz (amtlich)
a) Das Patentierungsverbot für Computerprogramme als solche verbietet, jedwede in computergerechte Anweisungen gekleidete Lehre als patentierbar zu erachten, wenn sie nur – irgendwie – über die Bereitstellung der Mittel hinausgeht, welche die Nutzung als Programm für Datenverarbeitungsanlagen erlauben. Die prägenden Anweisungen der beanspruchten Lehre müssen vielmehr insoweit der Lösung eines konkreten technischen Problems dienen.
b) Eine vom Patentierungsverbot erfaßte Lehre (Computerprogramm als solches) wird nicht schon dadurch patentierbar, daß sie in einer auf einem herkömmlichen Datenträger gespeicherten Form zum Patentschutz angemeldet wird.
Normenkette
PatG 1981 § 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluß des 17. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 28. Juli 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Gegenstandes der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000,– DM festgesetzt.
Gründe
A. Die Anmelderin hat am 12. Juli 1993 beim Deutschen Patentamt „Verfahren und Computersystem zur Suche fehlerhafter Zeichenketten in einem Text” zum Patent angemeldet. Mit dem dabei verfolgten Hauptantrag, der auch auf einen Anspruch betreffend ein digitales Speichermedium gerichtet war, ist die Anmelderin erfolglos geblieben. Durch Beschluß vom 6. Juli 1998 ist ein Patent nur in der Fassung des Hilfsantrages der Anmelderin erteilt worden. Die erteilten Patentansprüche 1, 17 und 20 lauten wie folgt:
„1. Verfahren zur computergestützten Suche und/oder Korrektur einer fehlerhaften Zeichenkette F(i), in einem digital gespeicherten Text, der die entsprechende fehlerfreie Zeichenkette S(i) enthält,
dadurch gekennzeichnet, daß
- die Auftretenshäufigkeit H(S(i)) der fehlerfreien Zeichenkette S(i) ermittelt wird,
- die fehlerfreie Zeichenkette S(i) nach einer Regel R(j) verändert wird, so daß eine mögliche fehlerhafte Zeichenkette f(ij) erzeugt wird,
- die Auftretenshäufigkeit H(ij) der Zeichenkette f(ij) in dem Text ermittelt wird,
- die Auftretenshäufigkeiten H(ij) und H(S(i)) verglichen werden und
- basierend auf dem Vergleich in Schritt d) entschieden wird, ob die mögliche fehlerhafte Zeichenkette f(ij) die gesuchte fehlerhafte Zeichenkette F(i) ist.
17. Computersystem, insbesondere Textverarbeitungssystem, zur Suche und/oder Korrektur einer fehlerhaften Zeichenkette F(i) in einem Text, wobei die entsprechende fehlerfreie Zeichenkette S(i) in dem Text vorkommt,
- mit einem ersten Speicher (1) zur Speicherung des Texts,
- mit einem zweiten Speicher zur Speicherung der Auftretenshäufigkeit H(S(i)) der fehlerfreien Zeichenkette S(i) und
- mit einem dritten Speicher (3) zur Speicherung der Auftretenshäufigkeit H(f(ij) einer möglichen fehlerhaften Zeichenkette f(ij),
- mit einem vierten Speicher (4) zur Speicherung einer Regel R(j),
und mit Prozessormitteln (2), die enthalten:
- eine Veränderungseinrichtung (5) zur Veränderung der fehlerfreien Zeichenkette S(i) nach der Regel R(j), so daß eine mögliche fehlerhafte Zeichenkette f(ij) erzeugbar ist,
- eine Ermittlungseinrichtung (6) zur Ermittlung der Auftretenshäufigkeit H(f(ij)) einer möglichen fehlerhaften Zeichenkette f(ij),
- eine Vergleichseinrichtung (7) zum Vergleich der Auftretenshäufigkeiten H(S(i)) und H(f(ij)) und
- eine Zuordnungseinrichtung (8) zur Zuordnung der möglichen fehlerhaften Zeichenkette f(ij) zu der fehlerhaften Zeichenkette F(i) basierend auf einem Ausgangssignal der Einrichtung (7) zum Vergleich, enthalten.
20. Verwendung eines Computersystems nach einem der Ansprüche 17 bis 19 in einem System zur maschinellen optischen Zeichenerkennung,
wobei das System zur maschinellen optischen Zeichenerkennung einen Rohtext erzeugt und den Rohtext zur Suche und/oder Korrektur einer oder mehrerer fehlerhaften Zeichenketten F(i) in das Computersystem eingibt.”
Wegen des Inhalts der übrigen Ansprüche wird auf die Akten des Deutschen Patent- und Markenamts Bezug genommen.
Die Anmelderin hat mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluß vom 6. Juli 1998 ihren zurückgewiesenen Hauptantrag weiterverfolgt. Zuletzt hat sie die Erteilung des Patents auf der Grundlage von Patentansprüchen 1 bis 24 beantragt. Die Ansprüche 1 bis 21 sind mit den Ansprüchen des erteilten Patents identisch. Die weitergehenden Ansprüche sollen wie folgt lauten:
„22. Digitales Speichermedium, insbesondere Diskette, mit elektronisch auslesbaren Steuersignalen, die so mit einem programmierbaren Computersystem zusammenwirken können, daß ein Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 17 ausgeführt wird.
23. Computer-Programm-Produkt mit auf einem maschinenlesbaren Träger gespeichertem Programmcode zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 17, wenn das Programmprodukt auf einem Rechner abläuft.
24. Computer-Programm mit Programmcode zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 17, wenn das Programm auf einem Computer abläuft.”
Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Seine Entscheidung ist veröffentlicht in BPatGE 43, 35 (= BlPMZ 2000, 387). Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Begehren nach Patentschutz auch für die Ansprüche 22 bis 24 weiter.
B. Die kraft Zulassung statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Zurückverweisung der Sache an das Bundespatentgericht, weil sich anhand der von diesem getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilen läßt, ob dem Patentanspruch 22 die Patentierbarkeit fehlt, wie das Bundespatentgericht angenommen hat, oder ob dieser Anspruch einen patentierbaren Gegenstand hat.
I. Das Bundespatentgericht hat der Anmeldung im Wege der Auslegung entnommen, der noch streitige Patentanspruch 22 solle sich auf ein übliches Speichermedium beziehen, das sich von anderen maschinenlesbaren Speichermedien dadurch unterscheide, daß es eine Aufzeichnung trage, die im Zusammenwirken mit einem geeigneten Computersystem eine Ausführung des Verfahrens nach einem der in Bezug genommenen Patentansprüche bewirken könne.
Das begegnet keinen rechtlichen Bedenken und wird im Ergebnis auch von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen. Sie stellt darauf ab, es handele sich um einen Datenträger, der lediglich das Steuerelement mit einer technischen Schnittstelle zum Computersystem dergestalt darstelle, daß elektronisch auslesbare Steuersignale vorhanden seien, die so mit dem Computersystem zusammenwirkten, daß die Schritte des erfindungsgemäßen Verfahrens ausgeführt würden.
II. Das Bundespatentgericht hat den für Anspruch 22 begehrten Patentschutz schon deshalb versagt, weil dieser Patentanspruch keine Lehre angebe, die wenigstens die wesentlichen Lösungsmittel umfasse. Eine Erfindung im Sinne einer Lehre zum technischen Handeln bestehe in der Lösung eines technischen Problems. Nach Satz 2 Abs. 3 der Beschreibung liege dem Patentbegehren die Aufgabe zugrunde, ein verbessertes Verfahren und Computersystem zur Suche und/oder Korrektur einer fehlerhaften Zeichenkette in einem Text zu schaffen. Das könne jedoch allein durch ein digitales Speichermedium nicht gelingen, auf dem, wie Patentanspruch 22 lediglich angebe, eine Aufzeichnung aufgebracht sei. Eine Ausführung des Verfahrens gelinge nur mit einem Computersystem, das in der Lage sei, die einzelnen Teile der Aufzeichnung quasi vollständig zu interpretieren und dadurch eine Durchführung der gewünschten Verfahrensschritte zu bewirken.
Das beanstandet die Rechtsbeschwerde zu Recht.
Die Feststellung des Bundespatentgerichts, Patentanspruch 22 lehre zur Lösung der in der Anmeldung genannten Aufgabe lediglich das Aufbringen einer Aufzeichnung von durch ein Computersystem erst noch zu interpretierenden Daten, die selbst nicht die zur Durchführung von Verfahrensschritten repräsentativen Steuersignale darstellten, greift zu kurz. Sie läßt unberücksichtigt, daß das beanspruchte Speichermedium über die auf ihm aufgebrachten auslesbaren Daten nach dem Wortlaut des Patentanspruchs derart mit einem programmierbaren Computersystem zusammenwirken können muß, daß das insbesondere in dem Anspruch 1 beanspruchte Verfahren ausgeführt wird. Die Anweisung nach Patentanspruch 22 dient danach zur Realisierung eines bestimmten Computerprogramms. Das vorgeschlagene digitale Speichermedium selbst ist ein gegenständliches Mittel zur Ausführung des in dem nachgesuchten Patent ferner vorgeschlagenen Verfahrens; sein bestimmungsgemäßer Einsatz führt – die Ausführbarkeit und technische Brauchbarkeit der angemeldeten Anweisungen vorausgesetzt – zu dem gewünschten Ergebnis. Das reicht für eine im Rahmen der die Anmeldung prägenden Problemstellung liegende Lösung aus.
III. Das Bundespatentgericht hat das Speichermedium mit einer Aufzeichnung gemäß dem Anspruch 22 als ein „Programm für eine Datenverarbeitungsanlage als solches” angesehen und gemeint, daß dieser Anspruch deshalb auch nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 PatG vom Patentschutz ausgenommen sei.
1. Zu dieser Bewertung ist es gelangt, weil der Computerfachmann den mehrdeutigen Begriff „Programm” bei enger Sicht lediglich für den Programmcode und dessen Aufzeichnungen (gleichgültig welche Entwurfsstufe) verwende. Da § 1 Abs. 2 Nr. 3 in Verbindung mit Abs. 3 PatG nach einer engen Auslegung verlange, umfasse der Begriff „Programm für eine Datenverarbeitungsanlage als solches” eine Programmcodedarstellung oder -aufzeichnung auf einem Klarschriftdatenträger wie Papier oder einem maschinenlesbaren Speichermedium.
Auch diese Auffassung bekämpft die Rechtsbeschwerde zu Recht.
a) Allerdings wird sie in der Literatur verschiedentlich befürwortet (Tauchert, GRUR 1997, 149, 154; Mitt. 1999, 248, 151; van Raden, GRUR 1995, 451, 457; früher auch Schulte, PatG, 5. Aufl., 1994, § 1 Rdn. 74 u. 76). Es gibt aber auch maßgebliche Gegenstimmen. Vor allem ist auf die Spruchpraxis des Europäischen Patentamts zu dem nahezu wortgleichen Art. 52 Abs. 2 Buchst. c, Abs. 3 EPÜ zu verweisen, wonach ein – Datenverarbeitung mittels eines geeigneten Computers betreffender – Gegenstand nicht als „Programm als solches” im Sinne dieser Regelung zu verstehen ist, wenn er – hinreichend qualifizierten – technischen Charakter hat (Entsch. v. 01.07.1998, ABl. EPA 1999, 609, 618 f., 620 f. – Computerprogrammprodukt/IBM; im Ergebnis ebenso Busche, Mitt. 2000, 164, 171; Singer/Stauder, EPÜ, 2. Aufl., Art. 52 Rdn. 49; Schar, Mitt. 1998, 322, 338; Bernhardt/Kraßer, PatG, 4. Aufl., S. 103; vgl. auch Busse, PatG, 5. Aufl., § 1 Rdn. 45 a.E.). Zu ähnlichen Ergebnissen führt eine in der Literatur vertretene Auffassung, wonach unter „Programm als solches” lediglich der zugrundeliegende, von einer technischen Funktion noch freie Programminhalt zu verstehen ist (so Melullis, GRUR 1998, 843, 851; ähnlich Anders, GRUR 1990, 498, 499).
b) Der Auffassung des Bundespatentgerichts kann aus Rechtsgründen nicht beigetreten werden.
Bei der Bestimmung, was als Programm für Datenverarbeitungsanlagen vom Patentschutz ausgenommen ist, weil es ein Programm als solches ist, kann nicht allein auf das Verständnis von Computerfachleuten zurückgegriffen werden. Die Bestimmung hat vielmehr – wie auch sonst bei der Gesetzesauslegung – ausgehend vom Wortlaut sachbezogen nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung zu erfolgen.
aa) Die gesetzliche Regelung ergibt schon nach ihrem Wortlaut zunächst, daß weder Programme für Datenverarbeitungsanlagen schlechthin vom Patentschutz ausgenommen sind, noch daß bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des Gesetzes für jedes Computerprogramm Patentschutz erlangt werden kann. Letzteres führt zu der Erkenntnis, daß eine beanspruchte Lehre nicht schon deshalb als patentierbar angesehen werden kann, weil sie bestimmungsgemäß den Einsatz eines Computers erfordert. Es muß vielmehr bei einer Lehre, die bei ihrer Befolgung dazu beiträgt, daß eine geeignete Datenverarbeitungsanlage bestimmte Anweisungen abarbeitet, eine hierüber hinausgehende Eigenheit bestehen. Da Datenverarbeitung geeignet erscheint, in nahezu allen Bereichen des menschlichen Lebens nützlich zu sein, kann im Hinblick auf diese Notwendigkeit außerdem nicht unberücksichtigt bleiben, daß das Patentrecht geschaffen wurde, um durch Gewährung eines zeitlich beschränkten Ausschließlichkeitsschutzes neue, nicht nahegelegte und gewerblich anwendbare Problemlösungen auf dem Gebiet der Technik zu fördern. Das wiederum verbietet, jedwede in computergerechte Anweisungen gekleidete Lehre als patentierbar zu erachten, wenn sie nur – irgendwie – über die Bereitstellung der Mittel hinausgeht, welche die Nutzung als Programm für Datenverarbeitungsanlagen erlauben. Die prägenden Anweisungen der beanspruchten Lehre müssen vielmehr insoweit der Lösung eines konkreten technischen Problems dienen. Unter diesen Voraussetzungen ist die beanspruchte Lehre dem Patentschutz auch dann zugänglich, wenn sie als Computerprogramm oder in einer sonstigen Erscheinungsform geschützt werden soll, die eine Datenverarbeitungsanlage nutzt.
bb) Diese Abgrenzung der für Datenverarbeitungsanlagen bestimmten Programme, für die als solche Schutz begehrt wird, von computerbezogenen Gegenständen, die § 1 Abs. 2 Nr. 3 PatG nicht unterfallen, führt dazu, daß Ansprüche, die zur Lösung eines Problems, das auf den herkömmlichen Gebieten der Technik, also der Ingenieurwissenschaften, der Physik, der Chemie oder der Biologie besteht, die Abarbeitung bestimmter Verfahrensschritte durch einen Computer vorschlagen, grundsätzlich patentierbar sind. Ansonsten bedarf es hingegen einer Prüfung, ob die auf Datenverarbeitung mittels eines geeigneten Computers gerichtete Lehre sich gerade durch eine Eigenheit auszeichnet, die unter Berücksichtung der Zielsetzung patentrechtlichen Schutzes eine Patentierbarkeit rechtfertigt.
Hiervon ist der Senat bereits bisher im Rahmen seiner neueren Rechtsprechung zu computerbezogenen Patentanmeldungen ausgegangen. So hat er – wenn auch im Hinblick auf die für eine Erfindung i.S.d. § 1 Abs. 1 PatG erforderliche Technizität – eine Gesamtbetrachtung darüber gefordert, was nach der beanspruchten Lehre im Vordergrund steht (BGHZ 143, 255, 263 – Logikverifikation). Das erlaubt in dem hier interessierenden Zusammenhang ebenfalls eine sachgerechte Wertung und Abgrenzung. Auch dabei können deshalb als Beispiele die Sachverhalte herangezogen werden, über die der Senat bereits entschieden hat. Danach kann ein Programm patentiert werden, wenn es in technische Abläufe eingebunden ist, etwa dergestalt, daß es Meßergebnisse aufarbeitet, den Ablauf technischer Einrichtungen überwacht oder sonst steuernd bzw. regelnd nach außen wirkt (Beschl. v. 13.05.1980 – X ZB 19/78, GRUR 1980, 849, 850 – Antiblockiersystem). Den in der Regel dem Patentschutz zugänglichen Lehren vergleichbar ist auch ein Verfahren, mit dem vermittels einer Datenverarbeitungsanlage durch Prüfung und Vergleich von Daten ein Zwischenschritt im Rahmen der Herstellung technischer Gegenstände erledigt werden kann, wenn diese Lösung durch eine auf technischen Überlegungen beruhende Erkenntnis und deren Umsetzung geprägt ist (BGHZ 143, 255, 264 – Logikverifikation). Gleiches trifft zu, wenn die Lehre die Funktionsfähigkeit der Datenverarbeitungsanlage als solche betrifft und damit das unmittelbare Zusammenwirken ihrer Elemente ermöglicht (BGHZ 115, 11, 21 – Seitenpuffer). Auch Anweisungen, die einen bestimmten Aufbau einer Datenverarbeitungsanlage lehren oder vorsehen, eine solche Anlage auf eigenartige Weise zu benutzen (vgl. BGHZ 67, 22, 29 f. – Dispositionsprogramm), müssen die Voraussetzungen des Patentierungsausschlusses nicht notwendig erfüllen.
cc) Das vom Senat für maßgeblich gehaltene Verständnis von § 1 Abs. 2 Nr. 3 PatG wird durch die Gesetzessystematik bestätigt. Die dargelegte Tragweite des Patentierungsverbots für Computerprogramme entspricht derjenigen von anderen Tatbeständen des § 1 Abs. 2 PatG. Sowohl die dort in Nr. 1 genannten wissenschaftlichen Theorien und mathematischen Methoden als auch die in Nr. 3 genannten Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten sind nur insoweit vom Patentschutz ausgeschlossen, als sie losgelöst von einer konkreten Umsetzung beansprucht werden. Soweit sie hingegen zur Lösung eines konkreten technischen Problems Verwendung finden, sind sie – in diesem Kontext – grundsätzlich patentfähig (BGHZ 67, 22, 26 ff. – Dispositionsprogramm; vgl. auch EPA, Entsch. v. 30.05.2000 – T 27/97, Tz. 3 – Cryptographie à clés publiques/FRANCE TELECOM).
dd) § 1 Abs. 2 Nr.3, Abs. 3 PatG ist bewußt an die europäische Regelung in Artikel 52 Abs. 2 Buchstabe c, Abs. 3 EPÜ angeglichen worden, um sicherzustellen, daß der Kreis der patentfähigen Erfindungen nach nationalem Recht derselbe ist wie nach dem Europäischen Patentübereinkommen (BT-Drucks. 7/3712, S. 27). Bei der Entstehung des Europäischen Patentübereinkommens herrschte zwar im Hinblick auf die Patentierung von computerbezogenen Lehren keine klare Vorstellung darüber, welche Definition gewählt werden soll. Während der diplomatischen Konferenz zum Abschluß des Übereinkommens wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß vergeblich versucht worden sei, die Begrifflichkeiten auszufüllen; die Auslegung müsse der Rechtspraxis überlassen bleiben (Dokument M/PR/I, S. 28 Tz. 18, in: Berichte der Münchner Diplomatischen Konferenz über die Einführung eines Europäischen Patenterteilungsverfahrens, herausgegeben von der Regierung der Bundesrepublik Deutschland; auch abgedr. in: Materialien zum Europäischen Patentübereinkommen, herausgegeben vom Europäischen Patentamt, Anl. Bd. 3).
Die in das Europäische Patentübereinkommen und das PatG übernommene Wortwahl trägt jedoch dem Anliegen Rechnung, die Entwicklung auf dem damals immer noch relativ neuen Gebiet der Computertechnik nicht durch eine uferlose Ausdehnung des Patentschutzes zu behindern. Dies legt es nahe, Lehren aus Gebieten, die nach traditionellem Verständnis nicht zur Technik gehören, nicht allein deshalb dem Patentschutz zugänglich zu erachten, weil sie mit Hilfe eines Computers angewendet werden sollen. Andererseits würde es über das genannte Ziel hinausgehen, einer Lehre, deren Eigenart durch technische Vorgänge oder Überlegungen geprägt ist, den Patentschutz zu versagen, weil sie auf einem Computer zur Ausführung kommen soll und/oder von einem Teil der Computerfachleute in einem engeren Sinne als Programm für Datenverarbeitungsanlagen angesehen wird.
2. Ob Anspruch 22 hiernach von dem Patentierungsausschluß nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 PatG erfaßt wird, kann der Senat nicht abschließend beurteilen.
a) Die Anmeldung betrifft die Suche und/oder Korrektur einer fehlerhaften Zeichenkette in einem Text. Das liegt nicht auf technischem Gebiet, auch wenn der zu prüfende Text mit einem computergestützten Textverarbeitungssystem erstellt worden ist. Im vorliegenden Fall ist deshalb – wie ausgeführt – eine Bewertung nötig, ob Anspruch 22 Anweisungen enthält, die den erforderlichen Bezug zur Technik herstellen. Das erfordert eine tatrichterliche Analyse sowie die Feststellung der maßgeblichen Umstände, die das Bundespatentgericht – in Konsequenz seines rechtlichen Ausgangspunktes – nicht getroffen hat. Das wird daher nachzuholen sein.
b) Die neuerliche Prüfung ist nicht etwa deshalb entbehrlich, weil mit Anspruch 22 ein Verfahren nicht unmittelbar beansprucht wird. Die in Anspruch 22 enthaltene Lehre kann nicht schon deshalb patentiert werden, weil dieser Anspruch insbesondere auf eine Diskette und damit auf einen körperlichen Gegenstand (Vorrichtung) gerichtet ist.
Nach der Beschreibung in der Patentanmeldung wird bei bekannten Textverarbeitungssystemen auf ein sogenanntes Lexikon zurückgegriffen. Dieses enthält eine Liste von bekannten Wörtern. Zur Fehlersuche werden die Wörter eines eingegebenen Textes mit den Einträgen des Lexikons verglichen. Die Verwendung des Lexikons erfordert einen relativ großen Speicherplatz. Ferner kann es seinerseits Fehleinträge enthalten. Es muß darüber hinaus ständig aktualisiert werden, was zu weiteren Fehleinträgen führen kann.
Zur Überwindung der hiernach bestehenden Nachteile kommt der durch Anspruch 22 gemachte Lösungsvorschlag nicht ohne Ausführung des insbesondere nach dem erteilten Patentanspruch 1 beanspruchten Verfahrens aus. Ähnlich einem Blatt Papier, das anderweitig benötigte Informationen enthält, kommt dem Speichermedium, das durch Anspruch 22 geschützt werden soll, nur die Funktion eines Informationsträgers zu, der eingesetzt werden kann, wenn die Ausführung des Verfahrens durch einen Computer gewünscht wird. Auch die Rechtsbeschwerde erkennt an, daß der Datenträger als solcher im vorliegenden Fall nicht zur Begründung der Patentfähigkeit beiträgt. Wie die Anmelderin in der Rechtsbeschwerde noch einmal geltend gemacht hat, ist Anspruch 22 auf eine Lehre für einen solchen Gegenstand nur deshalb gerichtet, um ohne besonderen Nachweis den Vorwurf der Patentverletzung nicht erst bei Ausführung des Verfahrens erheben zu können, sondern Dritte als Patentverletzer bereits dann belangen zu können, wenn Gegenstände gehandelt werden, mit deren Hilfe die Ausführung des Verfahrens gelingt bzw. in Gang gesetzt werden kann. Diesem Wunsch mag zwar die Überlegung zugrunde liegen, daß es Sache des Anmelders ist, den in Frage kommenden Patentschutz durch entsprechende Anspruchsformulierung auszuschöpfen. Das bietet jedoch keinen Grund, die Frage, ob ein angemeldeter Patentanspruch die erforderliche Patentfähigkeit aufweist, allein nach der Kategorie dieses Anspruchs und unabhängig davon zu beantworten, was nach der beanspruchten Lehre im Vordergrund steht.
Der vorstehenden Bewertung der Kategorie des Anspruchs 22 steht auch nicht entgegen, daß der Senat in der in BGHZ 144, 282 ff. veröffentlichten Entscheidung mit dem Stichwort „Sprachanalyseeinrichtung” bei einer Datenverarbeitungsanlage, auf welcher die Bearbeitung von Texten vorgenommen wird, technischen Charakter angenommen hat, weil der Patentanspruch eine industriell herstellbare und gewerblich einsetzbare Vorrichtung betrifft. Denn damals waren es die vorrichtungsmäßig gekennzeichneten Merkmale des zu beurteilenden Patentanspruchs, die der Lösung des Problems dienten, das dem damaligen Schutzbegehren zugrunde lag.
c) Bei der erneuten Befassung wird das Bundespatentgericht daher vor allem die verfahrensmäßigen Anweisungen der in Anspruch 22 in Bezug genommenen Ansprüche 1 bis 17 zu bewerten haben. Diesen Anweisungen liegen ausweislich der Beschreibung der Patentanmeldung Erkenntnisse zugrunde, die durch statistische Erhebung gewonnen werden können. Sollten sie (auch) die Lehre nach Anspruch 22 prägen, müßte diesem nach dem Vorgesagten die Patentierbarkeit abgesprochen werden. Allerdings erscheint auch die gegenteilige Bewertung nicht gänzlich ausgeschlossen.
Der Einbeziehung der Patentansprüche 1 bis 17 in die Bewertung des Anspruchs 22 steht nicht entgegen, daß die Erteilung des Streitpatents in der Fassung des Hilfsantrages nicht angefochten ist. In diesem Umfang kann das Patent zwar wegen des im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren geltenden Verbots der reformatio in peius (Sen.Beschl. v. 12.10.1989 – X ZB 12/89, GRUR 1990, 109, 110 – Weihnachtsbrief) in dem anhängigen Verfahren nicht mehr beseitigt werden. Hieraus folgt jedoch keine Bindungswirkung für die hier zu treffende Entscheidung über die Ansprüche 22 bis 24 mit ihrem jeweils Lehren der Ansprüche 1 bis 17 integrierenden vollen Inhalt. Die Patentfähigkeit dieser Ansprüche unterliegt vielmehr der vollen rechtlichen Nachprüfung im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren.
IV. Die Patentschutz für Anspruch 22 versagende Entscheidung des Bundespatentgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.
Das Patentamt hat die Zurückweisung des Hauptantrags in der ersten Instanz noch auf die Erwägung gestützt, es fehle an der erforderlichen Einheitlichkeit. Anspruch 22 enthalte ein völlig anderes Lösungsprinzip als die vorangegangenen Ansprüche. Diese rechtliche Beurteilung ist auf der Grundlage der bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht zutreffend.
Danach betreffen alle Ansprüche dieselbe Lehre. Die Ansprüche 1 bis 21 schlagen zur Lösung der gestellten Aufgabe vor, die Suche nach fehlerhaften Zeichenketten im Wege eines bestimmten Verfahrens durchzuführen bzw. einen hierfür geeigneten Computer einzusetzen. Die Ansprüche 22 bis 24 fügen zu diesem Vorschlag lediglich hinzu, sich zur Realisierung des Verfahrens eines Programms auf einem Speichermedium zu bedienen. Dies stellt – vorbehaltlich besonderer Umstände, für deren Vorliegen derzeit nichts ersichtlich ist – lediglich eine besondere Ausprägung der bereits in Anspruch 1 wiedergegebenen Erfindungsidee dar. Eine Zurückweisung wegen Uneinheitlichkeit stünde zudem in Widerspruch mit dem vom Senat aufgestellten Grundsatz, wonach bei der Prüfung der Einheitlichkeit eine unnötige Zerstückelung der Patentanmeldung tunlichst zu vermeiden ist (Sen.Beschl. v. 29.06.1971 – X ZB 22/70, GRUR 1971, 512, 514 – Isomerisierung; Sen.Beschl. v. 25.06.1974 – X ZB 2/73, GRUR 1974, 774, 775 – Alkalidiamidophosphite).
V. Die Zurückverweisung der Sache wegen der Beurteilung des Anspruchs 22 rechtfertigt diese Maßnahme auch im Hinblick auf die ferner noch streitigen Ansprüche 23 und 24, ohne daß es eines näheren Eingehens auf ihren Gegenstand bedürfte. Dem Begehren der Anmelderin läßt sich nicht entnehmen, daß sie die Erteilung dieser Ansprüche hilfsweise unabhängig von ihrem Begehren nach Erteilung des Anspruchs 22 erstrebt. Über die Ansprüche 22 bis 24 kann deshalb nur als Ganzes entschieden werden (Busse, PatG, 5. Aufl., Vor § 34 Rdn. 52 m.w.N.; vgl. auch EPA, Entsch. v. 12.05.2000, T 728/98, ABl. EPA 2001, 319, 330 – reines Terfenadin/ALBANY).
C. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 12 b Abs. 1 GKG.
Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (§ 107 Abs. 1 PatG).
Unterschriften
Rogge, Jestaedt, Melullis, Scharen, Meier-Beck
Fundstellen
Haufe-Index 651896 |
BGHZ |
BGHZ, 68 |
DB 2002, 204 |
BGHR 2002, 74 |
CR 2002, 88 |
GRUR 2002, 143 |
Nachschlagewerk BGH |
ZUM-RD 2002, 415 |
BPatGE, 286 |
ITRB 2002, 50 |
K&R 2002, 199 |
MMR 2002, 105 |
GRUR-Int. 2002, 323 |
IIC 2002, 753 |
Mitt. 2001, 553 |
Mitt. 2002, 16 |