Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen Notar. Vermögensverfall des Notars. Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden durch Wirtschaftsführung des Notars. Amtsenthebung des Notars. Insolvenz des Notars. Auskunftspflicht des Insolvenzschuldners
Leitsatz (amtlich)
a) In die Würdigung, ob bei einem Notar eine die Interessen der Rechtsuchenden gefährdende Art der Wirtschaftsführung vorliegt, können außer den gegen den Notar betriebenen Maßnahmen der Zwangsvollstreckung weitere, sein geschäftliches Verhalten betreffende Umstände (z.B. Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen, Verletzung von Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten in der Insolvenz) einfließen.
b) Der Insolvenzschuldner ist verpflichtet, bereits erteilte Auskünfte unverzüglich und in eigener Initiative zu ergänzen oder richtig zu stellen, wenn er erkennt, dass sich nicht unwesentliche Änderungen ergeben haben; ein besonderes Auskunftsverlangen des Insolvenzverwalters oder des Gerichts ist nicht erforderlich.
Normenkette
BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2; InsO §§ 20, 97
Verfahrensgang
OLG Dresden (Beschluss vom 09.11.2007; Aktenzeichen DSNot 14/07) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Notarsenats des OLG Dresden vom 9.11.2007 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass bei dem Antragsteller die Voraussetzungen für die Amtsenthebung vorliegen, weil seine wirtschaftlichen Verhältnisse und die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährden (§ 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 1 und 2 BNotO).
Der gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 26.7.2007 gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Gerichtskosten des Verfahrens und hat dem Antragsgegner die in dem Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 90.000 EUR
Gründe
A.
[1] Der 1940 geborene Antragsteller wurde 1972 in den höheren Justizdienst des Landes B. übernommen. Er war dort sei 1986 als Notar tätig. 1991 wurde er in S. zum Notar mit Amtssitz in D. bestellt.
[2] Nachdem es zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Antragsteller gekommen war, kündigte der Antragsgegner ihm mit Bescheid vom 23.6.2003 an, ihn seines Amtes als Notar zu entheben, weil er in Vermögensverfall geraten sei und die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährde. Den darauf von dem Antragsteller erhobenen Antrag, gem. § 50 Abs. 3 Satz 3 BNotO festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Amtsenthebung nicht vorliegen, wies das OLG Dresden durch Beschl. v. 2.7.2004 - DSNot 23/03 - zurück. Nachdem der Antragsteller während des Verfahrens der sofortigen Beschwerde (NotZ 18/04) einen Teil seiner Schulden getilgt und Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen hatte, kam es am 28.4.2006 zu einer vergleichsweisen Regelung mit dem Antragsgegner.
[3] Im zweiten Halbjahr 2006 ergingen gegen den Antragsteller Vollstreckungsbescheide; Maßnahmen der Zwangsvollstreckung schlossen sich an. Am 13.6.2007 stellte der Antragsteller Insolvenzantrag. Das Insolvenzverfahren wurde am 1.7.2007 eröffnet und führte zu einem am 6.9.2007 gerichtlich bestätigten Insolvenzplan.
[4] Zuvor - durch Bescheid vom 20.6.2007 - hatte der Antragsgegner dem Antragsteller mitgeteilt, er beabsichtige, ihn seines Amtes zu entheben. Denn der Antragsteller sei in Vermögensverfall geraten und durch seine wirtschaftlichen Verhältnisse sowie durch die Art seiner Wirtschaftsführung würden die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet. Hiergegen hat der Antragsteller gem. § 50 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BNotO beantragt, disziplinargerichtlich festzustellen, dass die Voraussetzungen der Amtsenthebung nicht vorliegen. Das OLG hat diesem Antrag durch Beschluss vom 9.11.2007 stattgegeben.
[5] Durch Bescheid vom 26.7.2007 enthob der Antragsgegner den Antragsteller vorläufig seines Amtes. Auf Ersuchen des Antragstellers hat das OLG durch Beschluss vom 2.8.2007 die Vollziehung der vorläufigen Amtsenthebung "bis zum Termin der mündlichen Verhandlung in der Hauptsache" ausgesetzt. Durch den vorgenannten Beschluss vom 9.11.2007 hat das OLG den die Amtsenthebung anordnenden Bescheid des Antragsgegners vom 26.7.2007 aufgehoben.
[6] Mit der sofortigen Beschwerde begehrt der Antragsgegner, die Anträge des Antragstellers zurückzuweisen.
B.
[7] Die sofortige Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zu der Feststellung, dass bei dem Antragsteller die Voraussetzungen für die Amtsenthebung vorliegen, weil seine wirtschaftlichen Verhältnisse und die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährden (§ 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 1 und 2 BNotO) (I.). Ferner ist der gegen die vorläufige Amtsenthebung (Bescheid vom 26.7.2007) gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen (II.).
I.
[8] Durch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers werden in Verbindung mit der Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet.
[9] 1. a) Eine Zerrüttung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Notars, durch die die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet werden, ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn gegen ihn Zahlungsansprüche in erheblicher Größenordnung bestehen oder gerichtlich geltend gemacht werden, Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gegen ihn erlassen, fruchtlose Pfändungsversuche unternommen, Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gem. § 807 ZPO eingeleitet oder Haftbefehle zur Erzwingung dieser Versicherung gegen ihn erlassen worden sind. Dies gilt insb., wenn die Abtragung einer erheblichen Schuldenlast nicht innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zu erwarten ist. Schon als solche nicht hinnehmbar ist im Übrigen eine Wirtschaftsführung des Notars, die Gläubiger dazu zwingt, wegen berechtigter Forderungen Zwangsmaßnahmen zu ergreifen. Ohne Belang ist dabei, ob diese Zwangsmaßnahmen wegen schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse, Vermögenslosigkeit oder Überschuldung des Notars erforderlich werden (st.Rspr., vgl. Senat, Beschl. v. 20.3.2006 - NotZ 50/05 - ZNotP 2006, 269 Rz. 5; Beschl. v. 26.11.2007 - NotZ 73/07 - juris Rz. 6 f.).
[10] Derartige Umstände belegen in aller Regel die von § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO vorausgesetzte Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden. Die Verschuldung eines Notars gefährdet seine Integrität und stellt seine Unabhängigkeit in Frage. Sie lässt besorgen, dass er fremde Vermögensinteressen nicht mit der gebotenen Sorgfalt wahrnimmt und Versuchen Dritter, seine Amtsführung sachwidrig zu beeinflussen, nicht mit dem erforderlichen Nachdruck entgegentreten will oder kann. Darüber hinaus begründen Zahlungsschwierigkeiten des Notars und insb. gegen ihn geführte Maßnahmen der Zwangsvollstreckung die Gefahr, dass er etwa Kostenvorschüsse nicht auftragsgemäß verwendet oder gar zur Tilgung eigener Schulden auf ihm treuhänderisch anvertraute Gelder zurückgreift. Eine solche abstrakte Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden genügt. Es ist nicht erforderlich, dass sich bereits in einem konkreten Fall Anhaltspunkte ergeben haben, der Notar könnte aufgrund seiner wirtschaftlichen Zwangslage sachwidrigen Einflüssen auf seine Amtsführung nicht entgegengetreten sein oder habe gar Fremdgeld weisungswidrig für sich verbraucht. Dies folgt daraus, dass die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden in den beiden ersten Tatbestandsvarianten des § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO nur allgemein aus den wirtschaftlichen Verhältnissen des Notars bzw. der Art seiner Wirtschaftsführung resultieren muss, während die zweite tatbestandliche Alternative dieser Vorschrift demgegenüber gerade an konkrete Amtstätigkeiten des Notars anknüpft, indem sie als Amtsenthebungsgrund die durch die Durchführung von Verwahrungsgeschäften bedingte Gefährdung der Rechtsuchenden normiert. Hinzu kommt, dass die Interessen der Rechtsuchenden auch ohne Zutun des Notars durch ausgebrachte Vollstreckungsmaßnahmen seiner Gläubiger beeinträchtigt werden können; denn es sind ohne Weiteres Fallgestaltungen denkbar, in denen seine Gläubiger auf ihm anvertraute Fremdgelder Zugriff nehmen können, bevor sie auf ein Notaranderkonto eingezahlt sind (vgl. Senatsbeschluss vom 20.3.2006, a.a.O., Rz. 6 und Senatsbeschluss vom 26.11.2007, a.a.O., Rz. 7).
[11] b) Eine die Amtsenthebung begründende außer Ordnung geratene Wirtschaftsführung des Notars (§ 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 BNotO) liegt nicht allein dann vor, wenn Gläubiger gezwungen sind, ihre berechtigten Forderungen mit Zwangsmitteln beizutreiben. Es geht bei diesem Amtsenthebungsgrund um den allgemeinen Tatbestand der Unzuverlässigkeit wegen der Art der Wirtschaftsführung (vgl. Senatsbeschluss vom 8.7.2002 - NotZ 1/02, NJW 2002, 2791, 2792). Deswegen können bei der Würdigung, ob eine ordentliche notarielle Wirtschaftsführung gegeben ist (§ 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 BNotO), weitere, das geschäftliche Verhalten betreffende Umstände einfließen. In Betracht kommen insoweit etwa falsche oder unvollständige Angaben ggü. den Gläubigern oder ggü. den (Insolvenz- oder Zwangsvollstreckungs-)Gerichten, die Vernachlässigung sonstiger insolvenzrechtlicher Mitwirkungspflichten (vgl. §§ 20, 97 InsO) oder das Vorenthalten der für die Kanzleiangestellten zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge. Ein solches geschäftliches Verhalten kann ebenfalls eine unzuverlässige Art der Wirtschaftsführung indizieren. Denn es gehört zum Notar, dass er auch in einer wirtschaftlichen Krise die für sein Amt unverzichtbare Integrität wahrt (vgl. - allgemein zur Pflicht des Notars zu uneingeschränkter Wahrhaftigkeit und Redlichkeit - Senatsbeschluss vom 10.3.1997 - NotZ 22/96 - DNotZ 1997, 894, 895 f m.w.N.).
[12] 2. Die Zerrüttung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers und die Unzuverlässigkeit seiner Wirtschaftsführung ergeben sich aus folgenden Tatsachen:
[13] a) Bei dem Antragsteller trat bereits im Jahr 2003 eine Gefährdungslage ein, die den Antragsgegner veranlasste, ihm mit Bescheid vom 23.6.2003 die Amtsenthebung wegen Vermögensverfalls und wegen Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch seine wirtschaftlichen Verhältnisse und die Art seiner Wirtschaftsführung anzukündigen. Insgesamt geriet ein Betrag von mindestens 139.259,32 EUR in Vollstreckung. Die L. betrieb wegen rückständiger Abgaben i.H.v. 19.256 EUR mehrere Zwangsvollstreckungsverfahren, darunter auch solche, die bereits auf die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gerichtet waren. Ferner ging es um titulierte Mietzinsforderungen i.H.v. 10.229,76 EUR und - vor allem - um Steuerschulden i.H.v. insgesamt 109.773,46 EUR. Das ergibt sich aus den Feststellungen, die das OLG Dresden in dem Beschl. v. 2.7.2004 - DSNot 23/03 (Beschlussumdruck S. 2 f, 9 bis 15) getroffen und die der Antragsteller nicht angegriffen hat. In der gegen den vorgenannten Beschluss erhobenen sofortigen Beschwerde (NotZ 18/04) ist er vielmehr - die Differenzen sind zu vernachlässigen - von Verbindlichkeiten in der genannten Höhe ausgegangen (vgl. Beschwerdeschrift vom 18.11.2004 S. 3, 6 f in NotZ 18/04); dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn ergriffen wurden, hat er nicht in Zweifel gezogen.
[14] Dem Antragsteller gelang es, durch die Veräußerung einer Immobilie, durch die Verwendung einer Lebensversicherung und durch den Abschluss einer Reihe von Ratenvereinbarungen (vgl. S. 2 ff. der Beschwerdeschrift vom 18.11.2004, Schriftsätze von Rechtsanwältin beim BGH Dr. H. vom 9.3.2005 und 19.10.2005 in NotZ 18/04) weitere Vollstreckungsmaßnahmen zu verhindern. Am 28.4.2006 kam es zu einer vergleichsweisen Regelung: Das Ministerium der Justiz nahm den Bescheid vom 23.6.2003 zurück. Das Verfahren wurde übereinstimmend für erledigt erklärt. Der Antragsteller übernahm sämtliche Gerichtskosten; außergerichtliche Kosten wurden nicht erstattet (vgl. Schriftsatz des Ministeriums der Justiz vom 18.4.2006, Schriftsatz von Rechtsanwältin beim BGH Dr. H. vom 28.4.2006 und Senatsbeschluss vom 8.6.2006 - NotZ 18/04).
[15] b) Mit der vorgeschilderten vergleichsweisen Regelung im April 2006 war die wirtschaftliche Situation des Antragstellers indessen nicht bereinigt. Vielmehr ging es nahezu nahtlos damit weiter, dass Gläubiger des Antragstellers selbst wegen kleiner und kleinster Beträge Titel gegen ihn erwirken und Zwangsmaßnahmen einleiten mussten, um ihre berechtigten Forderungen durchzusetzen:
[16] aa) Bereits am 4.7.2006 - nur wenig mehr als zwei Monate nach der am 28.4.2006 zustande gekommenen vergleichsweisen Regelung des ersten Verfahrens auf Feststellung der Voraussetzungen der Amtsenthebung - erließ das AG Coburg auf Antrag des Verlages einen Vollstreckungsbescheid gegen den Antragsteller über 223,65 EUR. Die Vollstreckung ist seit dem 23.11.2006 erledigt.
[17] bb) Auf Antrag der O. GmbH erließ das AG Stuttgart am 16.11.2006 einen Vollstreckungsbescheid über 45,24 EUR. Die Forderung ist seit dem 30.1.2007 erledigt.
[18] cc) Auf Antrag des Verbandes der Miteigentümer des Grundstücks S. Straße in D. erließ das AG Dresden (582 M 19393/06) am 28.12.2006 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zur Vollstreckung einer durch Vollstreckungsbescheid titulierten Forderung über 1.892,80 EUR zzgl. Kosten.
[19] dd) Wegen einer Forderung der D. AG i.H.v. 42.948,52 EUR zzgl. Kosten ordnete das AG Mannheim (1 K 2/07 unter 1 L 1/07) gegen den Antragsteller die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung bezüglich seines in M. gelegenen Grundbesitzes an; dieselben Zwangsmaßnahmen erfolgten in den Verfahren 1 K 3/07 und 1 L 2/07 AG Mannheim wegen einer weiteren Forderung der D. AG i.H.v. 56.369,93 EUR zzgl. Kosten.
[20] ee) Am 7.2.2007 wurde dem Antragsteller von der Gerichtsvollzieherin E. in D. ein auf Antrag der A. AG erlassener Vollstreckungsbescheid zugestellt (DR I-0283/07).
[21] ff) Am 8.2.2007 erließ das AG Dresden (505 M 2298/07) auf Antrag der AOK S. wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 1.704,10 EUR eine Durchsuchungsanordnung.
[22] gg) Am 27.2.2007 erließ das AG Dresden (183 B 01608/07) auf Antrag des vorgenannten Verbandes der Miteigentümer S. Straße einen Vollstreckungsbescheid über 2.929,72 EUR gegen den Antragsteller.
[23] hh) H., die frühere Ehefrau des Antragstellers, betrieb gegen ihn die Zwangsvollstreckung, um rückständigen Unterhalt i.H.v. 45.562,65 EUR zu erhalten. Auf ihren Antrag hin erging am 27.12.2006 gegen den Antragsteller ein Haftbefehl des AG Mannheim (218 M 70985/06), um die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu erzwingen. Die eidesstattliche Versicherung legte der Antragsteller schließlich am 13.1.2007 ab (DR II 9/07 der Gerichtsvollzieherin A., M.).
[24] Am 2.5.2007 wurde dem Antragsteller von der Gerichtsvollzieherin E. in D. (DR I-0896/07) ein von H. erwirkter Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugestellt.
[25] ii) Mit einem dem AG Dresden am 13.6.2007 zugegangenem Anwaltsschreiben vom 12.6.2007 stellte der Antragsteller Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit. Das AG Dresden eröffnete am 1.7.2007 das Insolvenzverfahren (531 IN 1669/07). In dem Insolvenzverfahren wurden Forderungen gegen den Antragsteller i.H.v. insgesamt 945.592,24 EUR festgestellt; dem stand ein Vermögen i.H.v. 78.342,34 EUR gegenüber (vgl. S. 12 des von dem Antragsteller am 30.7.2007 eingereichten Insolvenzplans). Das Insolvenzgericht bestätigte am 6.9.2007 den Insolvenzplan (in der Fassung vom selben Tage), der eine Quote von 4 % der festgestellten Forderungen vorsah. Der Antragsteller erfüllte - unter Mithilfe seiner Ehefrau, die von ihr finanzierte 20.000 EUR zuschoss, - den Insolvenzplan durch Zahlung von 38.583,71 EUR (= 4 % der insgesamt festgestellten Forderungen i.H.v. 964.592,24 EUR). Durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 31.1.2008 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben.
[26] c) Auch nach der Durchführung des Insolvenzverfahrens blieben - bis in die jüngste Zeit - die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers zerrüttet und seine Wirtschaftsführung ungeordnet:
[27] aa) Am 11.2.2008, keine zwei Wochen nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens am 31.1.2008, erging gegen den Antragsteller ein Versäumnisurteil des AG Dresden (151 C 7753/07) wegen einer Hausgeldforderung der Wohnungseigentümergemeinschaft S. Straße in D. über 2.741,69 EUR nebst Zinsen.
[28] bb) Am 24.4.2008 ordnete das AG Dresden (513 K 440/08) wegen eines dinglichen Anspruchs der C. AG i.H.v. 427.818,88 EUR nebst Zinsen die Zwangsversteigerung von Wohnungseigentum des Antragstellers in Dresden an.
[29] d) Aufgrund der vorgenannten Feststellungen sind die Amtsenthebungsgründe des § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 1 und 2 BNotO anzunehmen. Jedenfalls seit Januar 2007 bis in die jüngste Zeit sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers und die Art seiner Wirtschaftführung durchgängig in einer die Interessen der Rechtsuchenden gefährdenden Unordnung.
[30] Die Unzuverlässigkeit der Wirtschaftsführung (§ 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 BNotO) wird zusätzlich belegt durch sein im Folgenden geschildertes, die gesetzlichen Pflichten missachtendes geschäftliches Verhalten in der wirtschaftlichen Krise:
[31] aa) Der Antragsteller gab am 13.1.2007 eine unvollständige eidesstattliche Versicherung ab. In dem der eidesstattlichen Versicherung beigefügten Vermögensverzeichnis (Ergänzungsblatt II zu Nrn. 25 und 26 des Vermögensverzeichnisses) führte er lediglich das Wohnungseigentum in D. an, nicht hingegen seine Eigentumswohnungen in M. (Grundbuchamt M. Bl., vgl. S. 24 des in dem Insolvenzverfahren erstatteten Gutachtens der Rechtsanwälte W. vom 29.6.2007).
[32] bb) Der Antragsteller verheimlichte im Insolvenzverfahren, dass ihm eine Kostenforderung i.H.v. rund 32.000 EUR zustand.
[33] Am 21.8.2007 beurkundete der Antragsteller einen Kaufvertrag mit Auflassung, der einen Geschäftswert von 5.800.000 EUR hatte. Aufgrund der Beurkundung hatte er von der T. GmbH Kosten i.H.v. 32.029,45 EUR zu beanspruchen, von denen jedenfalls die Vertragsgebühr i.H.v. 16.138 EUR (netto) sofort fällig war. Er stellte der T. GmbH jedoch zunächst keine Kosten in Rechnung. Die Kostenrechnung "vom 21.08.2007" - KRG 641/2007 - fertigte er am 25.9.2007 - nach der gerichtlichen Bestätigung des Insolvenzplans am 6.9.2007. Die T. GmbH zahlte den Betrag am 19.10.2007.
[34] Dieser Sachverhalt ergibt sich aus der vorbezeichneten Kostenrechnung. Der Antragsteller hat dazu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, der Insolvenzverwalter habe von der Möglichkeit einer "größeren Beurkundung" gewusst und ihn vor dem 21.8.2007 gefragt, ob sie stattgefunden habe. Er habe (zutreffend) verneint. Der Insolvenzverwalter habe weder damals noch später ergänzende Angaben verlangt. Deshalb habe er den Insolvenzverwalter auch nicht am 21.8.2007 oder danach von der inzwischen erfolgten Beurkundung unterrichtet.
[35] Der Antragsteller verletzte insolvenzrechtliche Mitwirkungspflichten.
[36] Der Insolvenzschuldner ist gem. § 20 Abs. 1, § 97 Abs. 1 InsO verpflichtet, bereits erteilte Auskünfte unverzüglich und in eigener Initiative zu ergänzen oder richtig zu stellen, wenn er erkennt, dass sich nicht unwesentliche Änderungen ergeben haben; ein besonderes Auskunftsverlangen des Insolvenzverwalters oder des Gerichts ist nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschl. v. 9.10.2008 - IX ZB 212/07 - juris Rz. 11; MünchKomm/InsO-Schmahl 2. Aufl. 2007 § 20 Rz. 28 und 38; s. auch BGH, Urt. v. 27.7.1955 - 3 StR 211/55 - GA 1956, 123, 124). Dem entsprechend hätte im vorliegenden Fall der Antragsteller dem Insolvenzverwalter (sowie dem Insolvenzgericht und dem Gläubigerausschuss) von sich aus die aus der Beurkundung vom 21.8.2007 ergebende erhebliche Kostenforderung anzeigen müssen. Sie war, wie der Antragsteller wusste, in dem von ihm am 30.7.2007, drei Wochen zuvor, eingereichten Insolvenzplan naturgemäß noch nicht berücksichtigt. Es handelte sich auch um eine wesentliche nachträgliche Änderung seiner Vermögenslage. Das lag für den Antragsteller bei einer nachträglich entstandenen (werthaltigen) Forderung i.H.v. rund 32.000 EUR und einer freien Insolvenzmasse von rund 79.000 EUR auf der Hand.
[37] cc) In den Monaten August 2006 bis Mai 2007 führte der Antragsteller auf die Gehälter seiner Kanzleiangestellten zu entrichtende Sozialversicherungsbeiträge nicht ab. Ließ das Bankguthaben die Zahlung der üblichen Gehälter und der darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge nicht zu, hätte er seinen finanziellen Möglichkeiten entsprechende (gekürzte) Gehälter einschließlich Sozialversicherungsbeitrag zahlen müssen.
[38] 3. Nachdem aufgrund der getroffenen Feststellungen die Amtsenthebungsgründe des § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 1 und 2 BNotO vorliegen, kann dahingestellt bleiben, ob sich der Antragsteller darüber hinaus in Vermögensverfall (§ 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO) befindet.
II.
[39] Die Anordnung der vorläufigen Amtsenthebung ist gerechtfertigt. Denn die endgültige Amtsenthebung ist jedenfalls wegen der Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers und die Art seiner Wirtschaftsführung zu erwarten (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 1 und 2 BNotO). Der Antragsgegner hat sein unter diesen Voraussetzungen gegebenes Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Die vorläufige Maßnahme ist - auch mit Blick auf sein die persönliche Zuverlässigkeit in Frage stellendes geschäftliches Verhalten in der wirtschaftlichen Krise (s. oben unter I. 2. d) - zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten und wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Fundstellen
Haufe-Index 2099082 |
DB 2009, 451 |