Tenor
Der Antrag der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der weiteren Beschwerde gegen den Beschluß des 26. Zivilsenats – zugleich Familiensenat – des Oberlandesgerichts München vom 26. Juni 2000 wird zurückgewiesen.
Die weitere Beschwerde gegen den genannten Beschluß wird auf Kosten der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz als unzulässig verworfen.
Wert: 1.000 DM.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat durch Verbundurteil unter anderem den Versorgungsausgleich durch Rentensplitting zu Lasten des Antragstellers durchgeführt und dabei bei der Dynamisierung betrieblicher Versorgungsanwartschaften Ersatzwerte für die Barwertverordnung (nach Glockner/Gutdeutsch FamRZ 2000, 270) herangezogen. Hiergegen hat die Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz (LVA) als weitere Beteiligte Beschwerde eingelegt. Diese ist durch Beschluß des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2000 zurückgewiesen worden. Der Beschluß ist der LVA am 7. Juli 2000 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 4. August 2000, adressiert an das Oberlandesgericht München, hat die LVA gegen den genannten Beschluß weitere Beschwerde eingelegt, die am 8. August 2000 bei dem Oberlandesgericht eingegangen ist. Durch Verfügung vom 18. August 2000 (abgegangen am 21. August 2000) hat der Vorsitzende des Beschwerdesenats beim Oberlandesgericht die LVA darauf hingewiesen, daß die Beschwerdeschrift den Eingangsstempel des Oberlandesgerichts vom 8. August 2000 trage, so daß sich die Frage der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels stelle; außerdem sei die – zugelassene – weitere Beschwerde gemäß § 621e Abs. 3 ZPO beim Bundesgerichtshof einzulegen; die Frist hierfür dürfte abgelaufen sein. Am 5. September 2000 hat die LVA beim Oberlandesgericht eine Begründung der weiteren Beschwerde eingereicht. Daraufhin hat das Oberlandesgericht den Vorgang dem Bundesgerichtshof vorgelegt, bei dem er am 8. September 2000 eingegangen ist.
Mit Schriftsatz vom 20. September 2000, per Telefax an diesem Tag eingegangen, hat die LVA unter Beifügung der Beschwerdebegründung bei dem Bundesgerichtshof „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO” beantragt und zur Begründung dieses Antrags ausgeführt: Sie habe mit Schreiben vom 4. August 2000 gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2000 weitere Beschwerde eingelegt. Aufgrund von durch Urlaubs- und Krankheitszeiten bedingten personellen Engpässen in der Registratur sei das Schreiben des Oberlandesgerichts vom 21. August 2000 – welches die Mitteilung enthalte, daß die Beschwerdeschrift vom 4. August 2000 dort am 8. August 2000 eingegangen sei – erst jetzt zur Akte und in die Sachbearbeitung gelangt. Das Schreiben vom 4. August 2000 sei noch am selben Tag zum Expedieren gegeben worden mit dem beigefügten Hinweis, daß als Adressat der Bundesgerichtshof anstelle des Oberlandesgerichts anzugeben sei. Diese Verfahrensweise sei üblich und habe bislang nie zu Problemen geführt. Es sei davon auszugehen gewesen, daß der Brief mit neuer Adresse noch am 4. August 2000 abgesandt werden und somit noch vor Fristende am 7. August 2000 sein Ziel erreichen würde. Aus welchen Gründen im konkreten Fall Schwierigkeiten aufgetaucht seien, lasse sich im Hinblick auf die Vielzahl von Schriftstücken, die in einer Massenverwaltung wie der LVA täglich zu bearbeiten und zu versenden seien, nicht klären.
II.
1. Die Voraussetzungen für eine Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der weiteren Beschwerde gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2000 sind nicht erfüllt.
a) Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig. Es ist nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, daß die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO gewahrt ist. Zu der Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und damit zum notwendigen Inhalt eines Wiedereinsetzungsgesuchs gehört grundsätzlich Sachvortrag, aus dem sich ergibt, daß der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig nach Behebung des Hindernisses (§ 234 Abs. 2 ZPO) gestellt wird (vgl. Senatsbeschluß vom 18. September 1991 – XII ZB 51/91 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 5 m.w.N.). Davon kann nur abgesehen werden, wenn die Frist nach Lage der Akten offensichtlich eingehalten ist, was hier nicht der Fall ist.
Das Hindernis, nach dessen Behebung die Wiedereinsetzungsfrist zu laufen begann, bestand im vorliegenden Fall in der Unkenntnis des zuständigen Sachbearbeiters der LVA davon, daß die Beschwerdeschrift vom 4. August 2000 erst am 8. August 2000 (Dienstag) und damit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist am 7. August 2000 und darüber hinaus – entgegen dem nach der Behauptung der LVA erteilten Hinweis beim Expedieren – nicht mit neuer Anschrift an den Bundesgerichtshof versehen worden, sondern gemäß der in dem Schreiben enthaltenen Adresse bei dem Oberlandesgericht als unzuständigem Gericht eingegangen war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auch des Senats, ist ein Hindernis im Sinne des § 234 Abs. 2 ZPO behoben, sobald die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt oder ihr Fortbestehen nicht mehr unverschuldet ist (vgl. Senatsbeschluß vom 18. September 1991 aaO; BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 1988 – III ZB 40/87 = BGHR ZPO § 234 Abs. 1 Fristbeginn 1, und vom 12. Oktober 1989 – I ZB 3/89 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 1, jeweils m.w.N.). Das war hier jedenfalls zu dem Zeitpunkt der Fall, als der zuständige Sachbearbeiter der LVA bei Anwendung der unter den gebotenen Umständen von der LVA – als zur Einlegung und Durchführung der weiteren Beschwerde vor dem Bundesgerichtshof ohne Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts befugten Rechtsmittelführerin (§ 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 n.F. ZPO) – zu erwartenden Sorgfalt von der Verfügung des Oberlandesgerichts vom 18./21. August 2000 hätte Kenntnis nehmen können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 1989 aaO; vom 24. Oktober 1996 – VII ZB 25/96 und vom 15. Oktober 1997 – IV ZB 15/97 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 8 und 10, jeweils m.N.).
Hierzu enthält das Wiedereinsetzungsgesuch keinen – ausreichenden – Sachvortrag. Der Hinweis auf urlaubs- und krankheitsbedingte Engpässe in der Registratur genügt den Anforderungen des § 234 Abs. 2 ZPO nicht und rechtfertigt nicht die Annahme, daß bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt der zuständige Sachbearbeiter nicht vor dem 6. September 2000 (d.h. zwei Wochen vor Eingang des Wiedereinsetzungsantrags am 20. September 2000) Kenntnis von dem Hinweis auf die Versäumung der Frist des § 621 e Abs. 3 ZPO hätte nehmen können. Bei Zugrundelegung der üblichen Postlaufzeit von München nach Landshut ist die am 21. August 2000 hinausgegangene Verfügung des Senatsvorsitzenden wenige Tage später bei der LVA eingegangen und damit in deren Verantwortungsbereich gelangt. Hier gebot die erforderliche Sorgfalt im Hinblick auf die Fristwahrung in gerichtlichen Verfahren die Schaffung und Überprüfung organisatorischer Maßnahmen, durch welche sichergestellt wurde, daß Schriftstücke, die ein gerichtliches Verfahren betrafen, nach ihrem Eingang in der Registratur ohne Verzug dem zuständigen Bearbeiter vorgelegt wurden. Dem Wiedereinsetzungsgesuch sind keine Angaben dazu zu entnehmen, daß derartige organisatorische Maßnahmen und Anordnungen bei der LVA getroffen seien, und gegebenenfalls aus welchem Grund die Verfügung vom 18./21. August 2000 gleichwohl nach ihrem Eingang in der Registratur „erst jetzt” (20. September 2000), das heißt nach mehreren Wochen, zur Akte und in die Sachbearbeitung gelangte.
b) Unter den dargelegten Umständen bedarf es keiner näheren Ausführungen dazu, daß das Wiedereinsetzungsgesuch im übrigen auch unbegründet wäre, weil nach seinem weiteren Inhalt auch ein Verschulden der LVA an der Versäumung der Frist zur Einlegung der weiteren Beschwerde nicht ausgeräumt ist. Weder genügen die Angaben zum Zeitpunkt der Absendung der Beschwerdeschrift vom 4. August 2000 den insoweit nach § 233 ZPO zu stellenden Anforderungen, noch vermag der beim „Expedieren beigefügte Hinweis” auf die Notwendigkeit einer Änderung der Anschrift und Bezeichnung des Bundesgerichtshofs als des richtigen Rechtsmittelgerichts ein Verschulden des zuständigen Sachbearbeiters der LVA auszuräumen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. Mai 1990 – XII ZB 17/90 = BGHR ZPO § 233, Büropersonal 3, vom 14. November 1990 – XII ZB 141/90 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 4 unter 2). Dieser mußte vielmehr vor der Unterzeichnung der Rechtsmittelschrift dafür Sorge tragen, daß diese an das richtige Gericht adressiert war (vgl. BGH, Beschlüsse aaO).
2. Die am 5. September 2000 bei dem Bundesgerichtshof eingegangene weitere Beschwerde gegen den der LVA am 7. Juli 2000 zugestellten Beschluß des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2000 ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der Monatsfrist des § 621e Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 516 ZPO eingelegt worden – und die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist aus den dargelegten Gründen zu versagen – ist.
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Hahne, Gerber, Wagenitz
Fundstellen
Haufe-Index 556482 |
FamRZ 2001, 416 |
FuR 2001, 237 |
SGb 2001, 434 |
NJOZ 2001, 240 |