Fristverlängerung bei Gericht beantragen - Fehlerquellen und Haftungsgefahren
Bei Eintragung und Berechnung bei Gericht beantragter Fristverlängerungen ist Umsicht geboten. Immer wieder gibt es Fälle, in denen Verlängerungen durch kanzleiinterne Eintragungs-, Berechnungs- oder Kontrollfehler empfindlich „ins Auge“ gehen.
Fristverlängerung: Voraussetzungen für einen Antrag
Grundsätzlich können gerichtliche und gesetzliche Fristen auf Antrag verlängert werden, wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht werden. Gesetzliche Fristen jedoch nur in besonders geregelten Fällen. Im Falle der Verlängerung wird die neue Frist, soweit nichts anderes bestimmt ist, vom Ablauf der bisherigen Frist an gerechnet (§ 224 ZPO).
Fristverlängerung eingereicht – Kontrollpflicht erfüllt?
Beantragt der Prozessbevollmächtigte eine Fristverlängerung, muss er
- das beantragte Fristende bei oder alsbald nach Einreichung des Verlängerungsantrags im analogen und/oder elektronischen Fristenkalender eingetragen,
- als vorläufig kennzeichnen
- und dies rechtzeitig, spätestens nach Eingang der gerichtlichen Mitteilung überprüfen,
- damit das wirkliche Ende der Frist festgestellt werden kann.
Hinweis: Das gilt auch, wenn die gesetzliche Begründungsfrist im Zeitpunkt des Fristverlängerungsantrags eingetragen ist und noch läuft und diese aufgrund einer allgemeinen Kanzleianweisung erst dann gelöscht wird, wenn die begehrte Fristverlängerung gewährt und die verlängerte Frist im Fristenkalender eingetragen worden ist.
In welchem zeitlichen Abstand zum Ende der ursprünglichen Frist ein Fristverlängerungsantrag gestellt wird, ist dabei irrelevant. Zudem muss zum beantragten Fristende auch eine Vorfrist notiert werden (BGH, Beschluss v. 22.3.2011, II ZB 19/09 und BGH, Beschluss v. 13.7.2010, VI ZB 1/10).
Vorsicht: Vom Gericht bewilligte Fristverlängerung kann kürzer sein als beantragt!
Wird bei Gericht die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt, darf sie nicht in der Weise vorgemerkt werden, dass schon mit der Antragstellung der Endpunkt der Frist im Kalender eingetragen wird, als ob sie bereits zu diesem Zeitpunkt bewilligt worden sei. Es handelt sich hierbei um eine hypothetische Frist, da der Vorsitzende die Frist auch auf einen kürzeren Zeitraum als beantragt bewilligen kann (BGH, Beschluss v. 24.11.2009, VI ZB 69/08).
Fristverlängerung: Nicht zu sehr auf die Bewilligung verlassen
Nicht jeder Richter reagiert gleich. Die Fristverlängerung darf daher nicht schon vorab als gewährt behandelt werden. Die Weisung, vor Ablauf einer Frist, deren Verlängerung beantragt worden ist, bei dem zur Entscheidung berufenen Gericht anzurufen und nachzufragen, ob die Fristverlängerung gewährt worden sei, reicht nicht aus, um im Fristenkalender den beantragten neuen Fristablauf als endgültig notieren zu dürfen (BGH, Beschluss v. 27.1.2011, VII ZB 44/09). Der Anwalt darf auch nicht auf die Gewährung der beantragten Fristverlängerung vertrauen, weil er keine anderslautende Nachricht von dem Gericht erhält. Er muss sich rechtzeitig, – d. h vor Ablauf der Frist – über das wirkliche Ende der Frist durch Rückfrage bei Gericht Gewissheit verschaffen, wenn keine entsprechende Verfügung zugegangen ist (BGH, Beschluss v. 20.6.2006, VI ZB 14/06). Der Eintrag des endgültigen Fristablaufs ist erst dann zulässig, wenn die Verlängerung tatsächlich gewährt worden ist (BGH, Beschluss v. 20.6.2006, VI ZB 14/06).
Auf gerichtliche Übung darf vertraut werden
In einigen besonderen Fällen dürfen Anwälte nach der Rechtsprechung des BGH auf die Gewährung einer beantragten Fristverlängerung vertrauen. Dies gilt für solche Fallkonstellationen, in denen sich bei den Gerichten eine Übung dahin gehend gebildet hat, beantragte Fristverlängerungen zu gewähren. Dies gilt allgemein für die erstmalige Verlängerung der Fristen für die Begründung von Rechtsmitteln wie Berufung, Revision und Rechtsbeschwerde. Voraussetzung für ein gerechtfertigtes Vertrauen ist aber immer eine hinreichende Begründung des Verlängerungsantrags (BGH, Beschluss v. 16.11.2021, VIII ZB 70/20).
Verlängerungsersuchen immer begründen
Die Senate einiger Oberlandesgerichte gewähren bei Erstanträgen eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auch ohne eine dezidierte Begründung des Verlängerungsantrags. Auch bei diesen Oberlandesgerichten ist aber Vorsicht geboten. Nach einer Entscheidung des BGH existiert eine vertrauensbegründende gerichtliche Übung, wonach bei Erstanträgen auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist eine Begründung für die Fristverlängerung nicht erforderlich ist, auch bei diesen Gerichten nicht (BGH, Beschluss v. 14.11.2023, XI ZB 10/23). Allerdings sind bei einem erstmaligen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist an die gemäß § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO erforderliche Darlegung eines erheblichen Grundes keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Der Hinweis auf eine außergewöhnliche Arbeitsüberlastung genügt i. d. R. (BGH, Beschluss v. 9.5.2017, VIII ZB 69/16).
Sonderfall: Zustimmung des Gegners
Anders ist die Rechtslage, wenn der Gegner dem Ersuchen um eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zustimmt, § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO. In diesem Fall darf der Rechtsanwalt auf die Verlängerung selbst dann vertrauen, wenn es sich um eine wiederholte Fristverlängerung handelt (BGH, Beschluss v. 31.7.2023, VIa ZB 1/23). Auch hier ist allerdings die kleine, nicht unwichtige Einschränkung zu beachten, dass der Anwalt dann nicht auf die Verlängerung der Frist vertrauen darf, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Gericht keine weitere Fristverlängerung gewähren will oder der Antrag auf Fristverlängerung rechtsmissbräuchlich ist.
Bewilligter Zeitraum oder konkreter Tag zur Fristverlängerung entscheidet über Fristablauf
Wird die Berufungsbegründungsfrist um einen bestimmten Zeitraum verlängert und fällt der letzte Tag der ursprünglichen Frist auf einen Samstag, Sonntag oder allgemeinen Feiertag, beginnt der verlängerte Teil der Frist erst mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages (§ 190 BGB; BGH, Beschluss v. 10.3.2009, VII ZB 87/08).
Hat das Berufungsgericht die Begründungsfrist hingegen bis zu einem konkret bezeichneten Tag verlängert, kommt es auf den Beginn der verlängerten Frist nicht an (BGH, Beschluss v. 15.8.2007, XII ZB 82/07).
Beweis der Rechtzeitigkeit der Fristverlängerung
Die rechtzeitige Vornahme der Einreichung eines Fristverlängerungsantrags wurde vor den Zeiten des BeA durch den Eingangsstempel des angegangenen Gerichts auf dem entsprechenden Schriftstück nachgewiesen (§ 418 Abs. 1 ZPO). Heute ist der Zeitpunkt des Eingangs des per BeA versandten Verlängerungsantrags auf dem Gerichtsserver maßgeblich (BGH, Beschluss v. 28.5.2020, I ZR 214/19).
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fristversäumnis
Falls doch eine Frist versäumt wird, besteht die Möglichkeit einen Antrag auf Wiedereinsetzung zu stellen. Hierfür besonders wichtig ist die Schlüssigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs. Zur Schlüssigkeit eines Wiedereinsetzungsgesuchs gehört es, dass
- ein Verfahrensablauf vorgetragen wird, der ein Verschulden des Anwalts zweifelsfrei ausschließt.
- Unklarheiten gehen im Rahmen eines Wiedereinsetzungsgesuchs zulasten der Partei, die die Wiedereinsetzung begehrt.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung erfordert eine vollständige, substantiierte und in sich schlüssige Darstellung der für die Wiedereinsetzung wesentlichen Tatsachen innerhalb der 2-Wochen-Frist nach § 234 ZPO incl. Glaubhaftmachung.
Technische Störungen sofort glaubhaft machen
Bei der Glaubhaftmachung durch eidesstattliche Versicherung lauert eine besondere Falle bei technischen Störungen des BeA. Ist die Übermittlung eines fristgebundenen Schriftstücks aus technischen Gründen über das BeA nicht möglich, ist nach der Rechtsprechung des BGH eine sofortige vollständige Darlegung und Glaubhaftmachung der Gründe für die technische Unmöglichkeit erforderlich. Ausnahmsweise ist – wenn die technische Störung erst kurz vor Fristablauf auftritt – eine unverzügliche Nachholung der Darlegung und Glaubhaftmachung der technischen Probleme möglich (BGH, Beschluss v. 17.11.2022 IX ZB 17/22; BGH, Beschluss v. 15.12.2022, III ZB 18/22). In diesen Fällen ist dann eine Ersatzeinreichung des Fristverlängerungsantrags per Fax oder in Schriftform zulässig. Bei anderweitigen technischen Problemen, die die Wahrung einer Frist gefährden oder verhindern, macht es Sinn, den IT-Service um ein Protokoll ihrer Reparaturbemühungen einschließlich Störungsdauer – und Folgen zu bitten bzw. ein solches von ihnen abzeichnen zu lassen.
Verlängerungsanträge möglichst mit qualifizierter Signatur
Zu empfehlen ist, mittels BeA gestellte Fristverlängerungsanträge grundsätzlich mit einer qualifizierten Signatur zu versehen. Das OLG Hamburg hat einen mittels BeA gestellten Antrag zur Verlängerung einer Beschwerdebegründungsfrist in einer Familiensache als unzulässig bewertet, weil dieser weder gemäß §§ 130a Abs. 3, Abs. 4 Nr. 2, 130d ZPO mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen noch von der verantwortenden Person signiert über das BeA eingereicht worden war. Das OLG zog aus den von ihm festgestellten Umständen den Schluss, dass eine Büromitarbeiterin der Anwältin den Verlängerungsantrag über das BeA versandt hatte und der Antrag auf Fristverlängerung damit nicht von der den Antrag verantwortenden Person, sondern von einer Mitarbeiterin versandt worden und damit unzulässig war (OLG Hamburg, Beschluss v. 6.5.2022,12 UF 208/21). Mit einer elektronischen Signatur wäre dieses Problem nicht entstanden.
Hinweis: Anwälte dürfen die Aufgabe der Übersendung von fristgebundenen Schriftsätzen über das BeA grundsätzlich an Mitarbeiter übertragen (BGH, Beschluss v. 20.6.2023, 2 StR 39/22). Voraussetzung ist, dass bei der Übersendung per BeA der Übersender und der Inhaber des persönlichen Zertifikats identisch sind, d. h. dem übermittelnden Mitarbeiter muss ein persönliches Zertifikat samt zugehöriger PIN zugeordnet sein, § 24 der Rechtsanwaltsverzeichnis- und Postfachverordnung.
Was gilt für Fristversäumnisse bei Büroversehen?
Fristversäumnisse sind trotz Outlook, Anwaltssoftware, Fristenkalender und BeA ein Dauerbrenner. Gerichte geben den häufigen Wiedereinsetzungsanträgen meist nicht statt, schon gar nicht, wenn der Anwalt es unterlässt, vorzutragen, dass und wie er seine mit der Fristennotierung beauftragte Angestellte überwacht hat. Bei Teilzeitkräften ist besonders ausführlich vorzutragen.
Beruft sich ein Anwalt auf ein sogenanntes Büroversehen, muss er grundsätzlich innerhalb der 2-Wochen-Frist nach § 234 ZPO darlegen, dass kein Organisationsfehler vorliegt, insbesondere muss er vortragen, durch welche Maßnahmen er gewährleistet hat, dass in seinem Büro die Fristen entsprechend seinen Anordnungen notiert und kontrolliert werden und wann bzw. wie er seine Bürokräfte entsprechend belehrt und wie er die Einhaltung dieser Belehrungen überwacht hat.
Fristversäumnis wegen Krankheit
Bei Krankheit ist es sinnvoll, neben einem Attest auch zu erläutern, weshalb der Vertreter ausnahmsweise nicht einspringen konnte, denn für den Fall einer plötzlich auftretenden Krankheit des Rechtsanwalts hat dieser dafür Sorge zu tragen, dass ein Vertreter vorhanden ist oder sich das Personal an einen solchen wenden kann. Dabei muss der Anwalt seine Kanzlei ganz allgemein anweisen, sich zwecks Erledigung fristgebundener Geschäfte bzw. Beantragung einer Fristverlängerung um eine Vertretung durch einen Anwaltskollegen zu bemühen.
Wiedereinsetzungsantrag: Alle Argumente sofort auf den Tisch
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muss im Fall der Versäumung einer Frist gemäß § 234 Abs. 1 ZPO innerhalb einer 2-wöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist (BGH, Beschluss v. 5.4.2011, VIII ZB 81/10). Wichtig zu wissen: Es ist kein Nachtrag möglich. Spätere Ausführungen sind unerheblich: Lücken in der Begründung des Wiedereinsetzungsbegehrens können durch die nach Ablauf der Frist des § 234 ZPO eingereichten Schriftsätze nicht mehr geschlossen werden. Es sollten also von Anfang an alle Argumente deutlich und umfassend ins Rennen gebracht werden.
Hintergrund:
Es gehört zu den Aufgaben des Anwalts, dafür zu sorgen, dass ein Antrag auf Verlängerung der Frist innerhalb der laufenden Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Ist eine wichtige Frist, etwa für ein Rechtsmittel oder seine Begründung, „durchgerauscht“, besteht noch die Möglichkeit, sie durch einen erfolgreichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand „auf Null“ zu setzen.
Der BGH erwartet vom Anwalt langfristiges Vorausplanen und Maßnahmen für den Moment des Ausfalls. Ein Rechtsanwalt muss stets dafür sorgen, dass Fristen auch dann gewahrt werden, auch wenn er plötzlich ausfällt.
- Dafür muss er seinem Personal einen Notfallplan für dieses Szenario geben.
- Hat er keine Mitarbeiter, muss er andere Wege zur Sicherstellung der Wahrung von Fristen finden, z. B. einen vertretungsbereiten Kollegen.
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