Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 04.04.2023; Aktenzeichen 67 S 204/22)

AG Berlin-Mitte (Entscheidung vom 28.07.2022; Aktenzeichen 12 C 334/21)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten durch einstimmigen Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Der Kläger macht als Mieter einer Wohnung der beklagten Vermieter in Berlin Ansprüche gegen diese wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB in Verbindung mit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015, in Kraft getreten am 1. Juni 2015, GVBl. 2015, S. 101) geltend.

Rz. 2

Die Parteien schlossen am 15. März 2018 einen Mietvertrag über eine 37,93 m² große Wohnung der Beklagten, die gemäß der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt. Die vertraglich vereinbarte monatliche Nettokaltmiete betrug 438,50 €.

Rz. 3

Mit Schreiben vom 30. Juli 2018 rügte der Kläger gegenüber den Beklagten gemäß § 556g Abs. 2 BGB aF einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) in Bezug auf die vermietete Wohnung und verlangte unter anderem die dauerhafte Herabsetzung der monatlichen Nettokaltmiete. Seither zahlte der Kläger die Miete in der vertraglich vereinbarten Höhe unter dem Vorbehalt der Rückforderung.

Rz. 4

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Beklagten auf Rückzahlung überzahlter Miete für den Zeitraum von September 2018 bis einschließlich Dezember 2021 in Höhe von 3.921,60 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Darüber hinaus hat er die Feststellung der Unwirksamkeit der vereinbarten monatlichen Nettokaltmiete begehrt, soweit diese einen Betrag von 340,46 € übersteigt.

Rz. 5

Das Amtsgericht hat der Klage mit Ausnahme eines Teilbetrags der geltend gemachten Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts insoweit abgeändert, als es einen Rückzahlungsanspruch nur in Höhe von 3.035,60 € zugesprochen und die Unwirksamkeit der vereinbarten Nettokaltmiete nur insoweit festgestellt hat, als diese einen Betrag von 362,61 € übersteigt.

Rz. 6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 7

Auf den vorliegenden Mietvertrag seien die Vorschriften der §§ 556d ff. BGB anwendbar. Denn die Regelung über die sogenannte Mietpreisbremse sei in Berlin durch die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung zum 1. Juni 2015 wirksam in Vollzug gesetzt worden. Die Kammer halte an ihrer Rechtsprechung fest, wonach allenfalls evidente Formmängel zur Unwirksamkeit dieser Verordnung führen würden. Derartige Mängel lägen indes nicht vor, insbesondere auch nicht im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Verordnungsbegründung.

Rz. 8

Die für die streitgegenständliche Wohnung nach den Regelungen der §§ 556d ff. BGB zulässige monatliche Nettokaltmiete betrage 362,61 €. Die von dem Kläger entrichtete monatliche Nettokaltmiete sei somit in Höhe von 75,89 € preisrechtswidrig überhöht gewesen. Ihm stehe deshalb gemäß § 812 Abs. 1, §§ 556d ff. BGB ein Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete für die Monate September 2018 bis einschließlich Dezember 2021 in Höhe von 3.035,60 € zu. Der Feststellungsantrag habe insoweit Erfolg, als die Unwirksamkeit der vertraglich vereinbarten monatlichen Nettokaltmiete bezüglich der einen Betrag von 362,61 € übersteigenden Höhe festzustellen sei.

Rz. 9

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

II.

Rz. 10

1. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Rz. 11

Das Berufungsgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen zur Klärung der Verteilung der objektiven Beweislast für die (Un-) Wirksamkeit einer auf § 556d Abs. 2 Satz 1 BGB beruhenden Rechtsverordnung und der Pflicht zur richterlichen Beweiswürdigung amtlicher Auskünfte bei widerstreitendem zivilprozessualem Sachvortrag. Dies rechtfertigt die Zulassung indes nicht.

Rz. 12

Das Gericht hat die rechtliche Wirksamkeit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung selbständig zu prüfen (vgl. Senatsurteile vom 5. Juli 2023 - VIII ZR 94/21, NJW-RR 2023, 1309 Rn. 20; vom 17. Juli 2019 - VIII ZR 130/18, BGHZ 223, 30 Rn. 15; jeweils mwN). Dies führt hier zu dem Ergebnis der Wirksamkeit dieser Verordnung. Auf die nachfolgenden Ausführungen hierzu wird verwiesen. Es kommt mithin schon deshalb im vorliegenden Verfahren nicht auf eine etwaige objektive Beweislast hierfür an.

Rz. 13

Soweit das Berufungsgericht die Zulassung wegen Grundsatzbedeutung auch damit begründet hat, dass die Pflicht zur richterlichen Beweiswürdigung amtlicher Auskünfte bei widerstreitendem zivilprozessualem Sachvortrag zu klären sei, ist dem bereits keine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage zu entnehmen. Überdies ist auch insoweit eine Entscheidungserheblichkeit nicht ersichtlich.

Rz. 14

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO). Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass dem Kläger für die Monate September 2018 bis Dezember 2021 ein Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete aus § 556g Abs. 1 Satz 3, § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB in Höhe von 3.035,60 € sowie auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung einer monatlichen Nettokaltmiete von nicht mehr als 362,61 € zusteht.

Rz. 15

a) Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass als Anspruchsgrundlage für die gegen die Beklagten gerichteten Begehren des Klägers die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe bei Wohnraum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d ff. BGB in der bis zum 31. Dezember 2018 geltenden Fassung, Art. 229 § 49 Abs. 2 EGBGB) in Verbindung mit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015 in Betracht kommen.

Rz. 16

Nur im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht indes angenommen, dass die von dem Kläger auf dieser Grundlage geltend gemachten Ansprüche nicht an einer Unwirksamkeit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung scheitern, die auf der Grundlage der Ermächtigung in § 556d Abs. 2 BGB erlassen wurde.

Rz. 17

aa) Mit der Erwägung, ein Verfahrensfehler führe nur im Falle seiner - hier fehlenden - Evidenz zur Nichtigkeit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung, hat das Berufungsgericht (erneut) verkannt, dass dem in § 556d Abs. 2 Satz 5 BGB vorgesehenen Begründungserfordernis nicht nur verfahrensrechtliche Bedeutung, sondern - wie der Senat mehrfach, auch vor dem Erlass des Berufungsurteils, entschieden hat - zudem ein materiell-rechtlicher Gehalt zukommt (vgl. nur Senatsurteile vom 5. Juli 2023 - VIII ZR 94/21, NJW-RR 2023, 1309 Rn. 15; vom 30. März 2022 - VIII ZR 279/21, WuM 2022, 600 Rn. 24 f.; vom 19. Januar 2022 - VIII ZR 123/21, NZM 2022, 202 Rn. 21 f.; vom 17. Juli 2019 - VIII ZR 130/18, BGHZ 223, 30 Rn. 21 ff., 41 f.; Senatsbeschluss vom 27. Mai 2020 - VIII ZR 292/19, WuM 2020, 488 Rn. 9). Bei der Begründung zur Gebietsverordnung und deren bei Inkrafttreten erfolgter öffentlicher Bekanntmachung handelt es sich um eine Wirksamkeitsvoraussetzung, deren Fehlen zur Nichtigkeit der Verordnung führt (siehe nur Senatsurteile vom 5. Juli 2023 - VIII ZR 94/21, aaO; vom 30. März 2022 - VIII ZR 279/21, aaO Rn. 25; vom 17. Juli 2019 - VIII ZR 130/18, aaO Rn. 42).

Rz. 18

Wie der Senat in den vorgenannten Entscheidungen ebenfalls ausgeführt hat, wäre zudem im Falle einer unterbliebenen Veröffentlichung der Begründung durch staatliche Stellen die vom Berufungsgericht vermisste Evidenz dieses Fehlers ohne Weiteres zu bejahen (vgl. nur Senatsurteile vom 5. Juli 2023 - VIII ZR 94/21, aaO Rn. 16; vom 19. Januar 2022 - VIII ZR 123/21, aaO Rn. 23; jeweils mwN).

Rz. 19

bb) Die rechtsfehlerhafte Begründung des Berufungsgerichts hat sich jedoch im Ergebnis nicht ausgewirkt. Die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015 begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Rz. 20

(1) Der Senat hat sich in einer Reihe von Entscheidungen bereits eingehend mit den gegen eine wirksame Bekanntmachung der Verordnung vorgebrachten Einwänden befasst, diese aber aus den dort im Einzelnen ausgeführten Gründen nicht für durchgreifend erachtet (vgl. nur Senatsurteile vom 5. Juli 2023 - VIII ZR 94/21, NJW-RR 2023, 1309 Rn. 18 ff.; vom 30. März 2022 - VIII ZR 279/21, WuM 2022, 600 Rn. 27 f.; vom 19. Januar 2022 - VIII ZR 123/21, NZM 2022, 202 Rn. 20, 24 f.; vom 11. November 2020 - VIII ZR 369/18, NZM 2021, 220 Rn. 39; vom 27. Mai 2020 - VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 80, 83 ff.; Senatsbeschluss vom 27. Mai 2020 - VIII ZR 292/19, WuM 2020, 488 Rn. 12 ff.). Hieran hält er auch nach nochmaliger Prüfung unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens fest.

Rz. 21

(2) Dies betrifft auch die von der Revision unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung vom 1. November 2022 in Zweifel gezogene rechtzeitige Bekanntmachung der Verordnungsbegründung vor Inkrafttreten der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung zum 1. Juni 2015, die - wie der Senat in den vorgenannten Entscheidungen nach umfassender Prüfung ausgeführt hat - auf der Internetseite des Berliner Abgeordnetenhauses noch im Mai 2015 erfolgt ist (vgl. nur Senatsurteile vom 5. Juli 2023 - VIII ZR 94/21, NJW-RR 2023, 1309 Rn. 19 ff.; vom 27. Mai 2020 - VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 86 ff.).

Rz. 22

Die Auffassung der Beklagten, wonach sich der Senat bislang nicht hinreichend damit befasst habe, ob, wann und in welcher Datenbank sowie mit welcher "Datenbezeichnung" die Begründung der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei, trifft nicht zu. Der Senat hat sich zuletzt im Einzelnen mit den zur Veröffentlichung der Verordnung vorgenommenen Schritten befasst, insbesondere mit der Übermittlung der Textdatei der Verordnung einschließlich der Begründung an das Abgeordnetenhaus, der dortigen Erstellung einer PDF-Datei zur Verordnung sowie der Anlegung eines Datensatzes in dem System der Parlamentsdokumentation des Abgeordnetenhauses von Berlin (PARDOK), der Verlinkung des PARDOK-Datensatzes mit der Mietenbegrenzungsverordnung einschließlich ihrer Begründung jedenfalls am 20. Mai 2015 und der mit dieser Verlinkung einhergehenden allgemeinen Abrufbarkeit der Datei im Internet. Er ist auf der Grundlage dessen erneut zu der Überzeugung gelangt, dass auch die Begründung der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vor deren Inkrafttreten allgemein zugänglich veröffentlicht worden war (vgl. Senatsurteil vom 5. Juli 2023 - VIII ZR 94/21, NJW-RR 2023, 1309 Rn. 19 ff.). Die Ausführungen der Revision stellen diese Erkenntnisse nicht in Frage und zeigen keine Umstände auf, die Anlass zu Zweifeln an der vom Senat angenommenen rechtzeitigen Veröffentlichung auch der Verordnungsbegründung auf der Internetseite des Berliner Abgeordnetenhauses geben könnten.

Rz. 23

(3) Ohne Erfolg beruft sich die Revision weiter darauf, dass die Begründung der Verordnung nicht - wie für eine wirksame Veröffentlichung erforderlich - leicht zugänglich gewesen sei, weil eine Information der Bürger über die Veröffentlichung der Begründung nicht erfolgt sei und diese deshalb keine Kenntnis darüber erlangt hätten, dass überhaupt eine Verordnungsbegründung existiere und ab wann und wo diese abgefragt werden könne. Die leichte Zugänglichkeit der Begründung der Verordnung bereits vor deren Inkrafttreten bestand dadurch, dass - was die Revision nicht in Frage stellt - mit der Verlinkung des PARDOK-Datensatzes mit der Mietenbegrenzungsverordnung einschließlich ihrer Begründung jedenfalls am 20. Mai 2015 die Datei für jedermann auffindbar und einsehbar wurde (vgl. Senatsurteil vom 5. Juli 2023 - VIII ZR 94/21, NJW-RR 2023, 1309 Rn. 31). Anders als die Revision meint, bedurfte es zur Gewährleistung der leichten Zugänglichkeit der Begründung darüber hinaus einer gesonderten Information der Öffentlichkeit, dass die Mietenbegrenzungsverordnung eine Begründung enthält und dass und an welcher Stelle diese veröffentlicht wurde, nicht (vgl. Senatsurteil vom 27. Mai 2020 - VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 88). Ebenso wenig war hierfür - entgegen der Auffassung der Revision - eine direkte Verlinkung auf der Startseite des Internetauftritts des Abgeordnetenhauses erforderlich. Die von dem Senat nachvollzogene und von der Revision nicht in Frage gestellte Veröffentlichung in dem Parlamentsdokumentationssystem des Abgeordnetenhauses war insoweit ausreichend.

Rz. 24

b) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht - ausgehend von der Wirksamkeit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung - auf der Grundlage seiner revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellung, wonach die gemäß den Vorschriften der §§ 556d ff. BGB zulässige monatliche Nettokaltmiete für die streitgegenständliche Wohnung 362,61 € beträgt, einen Anspruch des Klägers auf Rückzahlung anteiliger Miete in Höhe von 3.035,60 € für die Monate September 2018 bis einschließlich Dezember 2021 aus § 556g Abs. 1 Satz 3, § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB bejaht sowie festgestellt, dass die vertragliche Vereinbarung der monatlichen Nettokaltmiete gemäß § 556g Abs. 1 Satz 1, 2 BGB unwirksam ist, soweit sie den Betrag von 362,61 € übersteigt. Gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den kalkulatorischen Grundlagen und der Berechnung der zulässigen Miethöhe sowie zur Höhe des Rückzahlungsanspruchs bestehen aus revisionsrechtlicher Sicht keine Bedenken. Sie werden von der Revision auch nicht in Frage gestellt.

III.

Rz. 25

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Dr. Bünger     

Dr. Liebert     

Dr. Schmidt

Wiegand     

Dr. Böhm     

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Rücknahme erledigt worden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI16256646

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