Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zulässigkeit. Prozesskostenhilfe. Berufungsfrist. Berufungsbegründungsfrist. Überlegungsfrist. Glaubhaftmachung
Leitsatz (redaktionell)
Beantragt eine bedürftige Partei nach Ablehnung eine Prozesskostenhilfeantrags Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist, bedarf es keiner formellen Angabe und Glaubhaftmachung der für die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags erforderlichen Tatsachen. Diese ergeben sich aus den Akten und sind offenkundig.
Normenkette
ZPO § 236 Abs. 2 S. 2, § 234 Abs. 1, § 233
Verfahrensgang
LG Schweinfurt (Entscheidung vom 31.07.2008; Aktenzeichen 24 S 53/08) |
AG Bad Kissingen (Entscheidung vom 10.04.2008; Aktenzeichen 21 C 529/07) |
Tenor
Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde bewilligt.
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Schweinfurt vom 31. Juli 2008 aufgehoben.
Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Bad Kissingen vom 28. April 2008 gewährt.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Räumung einer Mietwohnung in Anspruch. Das Urteil des Amtsgerichts ist dem Beklagten am 5. Mai 2008 zugestellt worden. Am 3. Juni 2008 hat er für die Berufungsinstanz Prozesskostenhilfe beantragt und im Schriftsatz vom 30. Juni 2008 zu den Erfolgsaussichten des beabsichtigten Rechtsmittels vorgetragen.
Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 3. Juli 2008 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte innerhalb der Berufungsfrist kein Rechtsmittel eingelegt habe und das beabsichtigte Rechtsmittel deshalb ohne Aussicht auf Erfolg sei. Nach Erhalt dieses Beschlusses am 17. Juli 2008 hat der Beklagte am 30. Juli 2008 Berufung eingelegt, Wiedereinsetzung beantragt und das Rechtsmittel gleichzeitig begründet.
Mit Beschluss vom 31. Juli 2008 hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Wiedereinsetzungsantrag nicht dem Inhalt des § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO entspreche, weil der Beklagte es versäumt habe, die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen. Die Berufung sei unzulässig, weil sie erst mit Schriftsatz vom 30. Juli 2008 und mithin verspätet eingelegt worden sei.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Der Beklagte, der innerhalb laufender Berufungsfrist einen ordnungsgemäßen Prozesskostenhilfeantrag unter Beifügung vollständiger Unterlagen über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gestellt hatte, war aufgrund seiner Mittellosigkeit zunächst unverschuldet an der Einlegung und Begründung der Berufung gehindert. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der bedürftigen Partei nach Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags noch eine Überlegungsfrist von drei bis vier Tagen ab Erhalt des den Antrag zurückweisenden Beschlusses - hier: 17. Juli 2008 - einzuräumen, ob sie das Rechtsmittel auf eigene Kosten durchführen will (BGHZ 4, 55, 57 f. , BGH, Beschluss vom 8. November 1989 - IVb ZB 110/89, NJW-RR 1990, 451); erst mit Ablauf dieser Überlegungsfrist entfällt das Hindernis und beginnt die Wiedereinsetzungsfrist.
Mit dem am 30. Juli 2008 eingegangenen Schriftsatz hat der Beklagte die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist wegen Versäumung der Berufungsfrist (§ 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO) sowie die einmonatige Wiedereinsetzungsfrist wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) gewahrt und gleichzeitig die versäumten Prozesshandlungen nachgeholt (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Einer formellen Angabe und Glaubhaftmachung der für die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags erforderlichen Tatsachen bedurfte es - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nicht, weil sich diese Tatsachen aus den Akten ergaben und offenkundig waren (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 2006 - XII ZB 215/05, NJW 2006, 1205, Tz. 12); das Landgericht hätte deshalb auch von Amts wegen Wiedereinsetzung bewilligen müssen (§ 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 2962199 |
WuM 2009, 262 |