Leitsatz (amtlich)
Zur wirksamen Einlegung der sofortigen Beschwerde bedarf es der Vertretung durch einen beim Beschwerdegericht postulationsfähigen Rechtsanwalt.
Normenkette
ZPO §§ 78, 577
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Aktenzeichen 5 O 487/99) |
OLG Naumburg (Aktenzeichen 6 W 10/00) |
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluß des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 19. April 2000 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Gründe
I. Mit Mahnbescheid vom 26. Mai 1999 hat der Kläger gegen den Beklagten einen Zahlungsanspruch in Höhe von 12.365,87 DM nebst Zinsen und Kosten geltend gemacht. Dieser Mahnbescheid wurde dem Beklagten unter der vom Kläger angegebenen Anschrift durch Niederlegung zugestellt. Nachdem bis zum 1. Juli 1999 kein Widerspruch eingegangen war, erließ der Rechtspfleger beim Amtsgericht Weißenfels an diesem Tage wegen der geltend gemachten Forderungen antragsgemäß Vollstreckungsbescheid, der am 21. Juli 1999 ebenfalls durch Niederlegung unter der angegebenen Anschrift zugestellt wurde.
Am 12. November 1999 ging bei dem Amtsgericht Weißenfels ein als Einspruch bezeichneter Schriftsatz des Beklagten ein, in dem dieser zugleich um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (wegen der Versäumung der Einspruchsfrist) bat und Vollstreckungsgegenklage erhob. Zur Begründung machte er geltend, er habe Mahnbescheid und Vollstreckungsbescheid nicht erhalten. Zu den angegebenen Zeitpunkten habe er sich unter der angegebenen Anschrift nicht aufgehalten; das Haus sei zum damaligen Zeitpunkt umgebaut worden. Von Mahnbescheid und Vollstreckungsbescheid habe er erst nach Zugang eines darauf gestützten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses Kenntnis erlangt.
Aufgrund des Einspruchs wurde die Sache vom Amtsgericht Weißenfels an das Landgericht Halle abgegeben, das den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und den Anspruch gegen den Vollstreckungsbescheid als unzulässig zurückgewiesen bzw. verworfen hat. Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte – vertreten durch seinen erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten – sofortige Beschwerde eingelegt. Der Rechtsmittelschriftsatz ist an das Beschwerdegericht gerichtet und dort eingegangen; er ist von einem bei diesem Gericht nicht zugelassenen anwaltlichen Vertreter unterzeichnet worden. Mit Rücksicht hierauf hat das Beschwerdegericht das Rechtsmittel des Beklagten als unzulässig angesehen und auf seine Kosten verworfen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere sofortige Beschwerde des Beklagten, die dessen bei dem Beschwerdegericht zugelassener Prozeßbevollmächtigter bei diesem Gericht eingelegt hat.
II. Die weitere sofortige Beschwerde ist zulässig.
1. Das Rechtsmittel ist statthaft und zulässig. Allerdings können nach § 568 Abs. 2 ZPO, dessen Regelungen für die sofortige Beschwerde entsprechend heranzuziehen sind (vgl. Zöller/Gummer, aaO, § 577 ZPO Rdn. 19), Entscheidungen des Beschwerdegerichts mit der weiteren Beschwerde nur dann angegriffen werden, wenn das Gesetz eine solche Anfechtungsmöglichkeit bestimmt. Für die hier vorliegende Beschwerde ergibt sich diese indessen aus § 568 a ZPO, nach dem Beschlüsse der Oberlandesgerichte, durch die über eine sofortige Beschwerde gegen die Verwerfung des Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil entschieden wird, der sofortigen weiteren Beschwerde unterliegen, sofern gegen ein Urteil gleichen Inhalts die Revision stattfinden würde. Das schließt in Fallgestaltungen wie der vorliegenden die Zulässigkeit des Rechtsmittels zum Bundesgerichtshof ein. Insoweit ist anerkannt, daß eine Entscheidung, mit der – wie hier – das Rechtsmittel gegen die Verwerfung des Einspruchs auch seinerseits als unzulässig verworfen wird, nach dem Rechtsgedanken des § 547 ZPO ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes zum BGH angefochten werden kann (BGH NJW 1979, 218; Musielak/Ball, § 568 a ZPO Rdn. 3; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 568 a ZPO Rdn. 5; Thomas/Putzo, § 568 a ZPO Rdn. 7; Zöller/Gummer, § 568 a ZPO Rdn. 3 jeweils m.w.N.) und dies auch im Rahmen des § 568 a ZPO zu beachten ist, auch wenn § 547 ZPO dort nicht ausdrücklich aufgeführt ist. Seine Anwendbarkeit ergibt sich aus dem Zweck der Regelung, nach dem eine Verwerfung des Einspruchs durch Beschluß unter den gleichen Voraussetzungen wie eine aufgrund mündlicher Verhandlung ergangene Entscheidung der Anfechtung unterliegen soll (allg. M.; vgl. statt aller Musielak/Ball, ZPO, § 568 a Rdn. 1; Thomas/Putzo, § 568 a ZPO Rdn. 7; Zöller/Gummer, § 568 a ZPO Rdn. 5). Einem Versäumnisurteil in diesem Sinne steht nach § 700 Abs. 1 ZPO der für vollstreckbar erklärte Vollstreckungsbescheid gleich, bei dem Entscheidungen über die Verwerfung des Einspruchs daher unter den gleichen Voraussetzungen wie bei einem Versäumnisurteil angefochten werden können. Diese gelten auch für Rechtsmittel gegen die Entscheidung, mit der – wie hier – eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt worden ist. Diese ist unter den gleichen Voraussetzungen wie die Entscheidung zur Sache anfechtbar (vgl. Zöller/Greger, § 238 ZPO Rdn. 7 m.w.N.).
Der Zulässigkeit der weiteren sofortigen Beschwerde steht nicht entgegen, daß sie durch einen beim Bundesgerichtshof nicht postulationsfähigen Bevollmächtigten eingelegt wurde. Für Zulässigkeit und Wirksamkeit des Rechtmittels genügt, daß er zur Vertretung des Beklagten vor dem Beschwerdegericht befugt ist. Die weitere sofortige Beschwerde ist, der Regelung nach den §§ 577 Abs. 2, 569 ZPO entsprechend, bei dem Oberlandesgericht Naumburg als dem Gericht eingereicht worden, das die mit ihr angefochtene Entscheidung erlassen hat. In einem solchen Fall begegnet die Einlegung durch einen nur dort zugelassenen Prozeßbevollmächtigten keinen Bedenken (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 21. Aufl., § 569 ZPO Rdn. 13; s.a. Zöller/Vollkommer, § 78 ZPO Rdn. 9 ff.; s.a. Musielak/Ball, § 569 ZPO Rdn. 3, 5).
2. Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde zu Recht als unzulässig angesehen, weil sie nicht von einem bei ihm zugelassenen (postulationsfähigen) Rechtsanwalt unterzeichnet worden ist. Die Feststellung, daß der anwaltliche Vertreter, der die Beschwerdeschrift unterzeichnet hat, über eine solche Zulassung nicht verfügt, wird von der weiteren sofortigen Beschwerde nicht angegriffen. Sie wird bestätigt durch den Briefkopf, unter dem die Beschwerde gefertigt wurde. Dieser weist für ihren Unterzeichner nur eine Zulassung bei den erstinstanzlichen Gerichten aus.
Nach § 78 Abs. 1 ZPO müssen sich vor den Landgerichten und vor allen Gerichten des höheren Rechtszuges, also insbesondere auch den Oberlandesgerichten, die Parteien durch einen bei dem Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigtem vertreten lassen. Von diesem sind auch die bestimmenden Schriftsätze zu unterzeichnen (vgl. § 130 Nr. 6 ZPO). Damit setzt die Zulässigkeit der Beschwerde die Unterschrift durch einen beim Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsanwalt jedenfalls dann voraus, wenn der Schriftsatz unmittelbar beim Beschwerdegericht eingereicht wird und damit eine diesem Gericht gegenüber vorgenommene Verfahrenshandlung darstellt (Thomas/Putzo, § 569 ZPO Rdn. 5; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 78 ZPO Rdn. 25; MünchKomm./v. Mettenheim, § 78 ZPO Rdn. 69; s.a. BGH, Beschl. v. 14.07.1988 – III ZB 15/88, BGHR ZPO § 568 a – Anwaltszwang 1). Hieran ist jedenfalls für das Verfahren der sofortigen Beschwerde festzuhalten.
Im System der ZPO ist die den Anwaltszwang regelnde Norm des § 78 eine formale Ordnungsvorschrift (Zöller/Vollkommer, § 78 ZPO Rdn. 2). In der Vorschrift ist zwingend und strikt geregelt, wann und in welcher Weise sich die Parteien eines Rechtsstreits durch Prozeßbevollmächtigte vertreten lassen und welche Voraussetzungen diese erfüllen müssen. Beides richtet sich nach § 78 ZPO nach rein formalen Gesichtspunkten (vgl. BGHZ 86, 160, 163). Unerheblich ist demgegenüber, ob in dem jeweiligen Verfahren eine solche Vertretung durch einen zugelassenen Anwalt sinnvoll oder doch wenigstens zweckmäßig ist. Ebensowenig kommt es darauf an, wer zur Durchsetzung seiner Rechte jeweils einen Anwalt wirklich benötigt. Deshalb hängt der Anwaltszwang auch nicht davon ab, welche Bedeutung eine Prozeßhandlung im Einzelfall für den Betroffenen hat oder wie sie sich für ihn auswirkt. Seiner gesetzlichen Ausgestaltung nach ist der Anwaltszwang eine formale Ordnungsregelung; als dies zum Ausdruck bringende Vorschrift ist § 78 ZPO auch dann strikt anzuwenden, wenn es im Einzelfall im gerichtlichen Verfahren einer solchen Vertretung nicht bedürfte (vgl. BGHZ 86, 160, 163; Zöller/Vollkommer, § 78 ZPO Rdn. 2 a.E.). Vor diesem Hintergrund kann auch die Frage, wer jeweils zur Vertretung der Partei berufen ist, nur nach dem Kriterium der formalen Zuordnung des Verfahrens oder der Verfahrenshandlung zu dem jeweiligen Gericht bestimmt werden; eine an die materielle Notwendigkeit anknüpfende Abstufung der Vertretungsbefugnis wäre weder mit diesem formalen Element noch mit dem Zweck der Vorschrift in Einklang zu bringen. Um die auch im Interesse eines ordnungsgemäßen Verfahrensganges unabdingbare Feststellung der Zulässigkeit und Wirksamkeit der jeweiligen Verfahrenshandlung zu gewährleisten, bedarf es insoweit formaler Kriterien. Wirksamkeit und Zulässigkeit der Verfahrenshandlung können nicht davon abhängen, ob und in welchem Umfang es gerade einer Vertretung durch den beim Gericht zugelassenen Anwalt bedurfte. Mit der gebotenen Sicherheit ist die Wirksamkeit der Verfahrenshandlung nur festzustellen, wenn sich diese Vertretung nicht nach materiellen Erwägungen, sondern nach dem formalen Gesichtspunkt richtet, gegenüber welchem Gericht der Bevollmächtigte die jeweilige Verfahrenshandlung vornimmt. Das schließt es aus, in dem von der Rechtsbeschwerde vorgetragenen Umfang auf materielle Gesichtspunkte Rücksicht zu nehmen. Die Frage der Wirksamkeit der sofortigen Beschwerde richtet sich vielmehr alleine danach, ob der anwaltliche Vertreter gegenüber dem Gericht, bei dem er die Beschwerde eingereicht hat, zur Vertretung des Antragstellers zugelassen war (so schon für die einfache Beschwerde Musielak/Ball, § 569 ZPO Rdn. 3).
Soweit vorgeschlagen wird (vgl. Zöller/Gummer, § 569 ZPO Rdn. 13 sowie die weitere von der sofortigen Beschwerde angeführte Literatur und Rechtsprechung), die Einlegung durch den erstinstanzlichen Bevollmächtigten auch bei dem Beschwerdengericht zuzulassen, ist diese Überlegung auf das Verfahren der sofortigen Beschwerde nicht zu übertragen. Die Beschwerde nach den §§ 567 bis 576 ZPO ist geprägt durch die im Regelfall nach § 571 ZPO bestehende Möglichkeit der Abhilfe durch den erstinstanzlichen Richter. Demgemäß ist der Antrag auch dann, wenn er bei dem Rechtsmittelgericht eingereicht wurde, an die erste Instanz weiterzuleiten. In diesem Stadium des Verfahrens könnte der dort vertretungsbefugte Bevollmächtigte die Wirksamkeit einer bis dahin unzulässigen Beschwerde dadurch herbeiführen, daß er seine bisherigen Anträge genehmigt oder wiederholt. Diese Besonderheit mag es denkbar erscheinen lassen, das Verlangen nach einer solchen Erklärung als unnötige und verzichtbare Förmelei zu betrachten, zumal die einfache Beschwerde in der Regel nicht fristgebunden ist und ihre Wiederholung daher für längere Zeit möglich erscheint. Bei der sofortigen Beschwerde besteht indessen eine vergleichbare Zuständigkeit des Gerichtes, dessen Entscheidung mit dem Rechtsmittel angefochten wird, nicht; ihm ist nach § 577 Abs. 3 ZPO eine Änderung seiner Entscheidung verwehrt. Für die Weiterleitung des Antrags an die Vorinstanz besteht angesichts der fehlenden Abhilfemöglichkeit daher kein Anlaß. Ebensowenig kann das Verlangen nach Einhaltung der Förmlichkeiten hier als unnötige Förmelei angesehen werden. Soweit die Beschwerde meint, das Verlangen nach einer Vertretung durch den beim Beschwerdegericht zugelassenen Anwalt bei der Einreichung der Beschwerdeschrift stelle eine solche Förmelei schon deshalb dar, weil der Vertreter der Partei aus der Vorinstanz das gleiche Rechtsmittel bei dem Ausgangsgericht hätte einreichen können, übersieht sie, daß diese Art der Aufteilung der Vertretungsbefugnisse dazu dient, jederzeit und anhand objektiver, allgemein zugänglicher Kriterien die Wirksamkeit der von dem Vertreter vorgenommenen Prozeßhandlungen bestimmen zu können. Mit dieser, auch im Interesse eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs und der Rechtssicherheit gebotenen Bestimmbarkeit wäre es nicht zu vereinbaren, die Voraussetzungen für die Wirksamkeit über die im Gesetz getroffene Regelung hinaus dem Belieben des Bevollmächtigten zu überlassen.
Ohne Erfolg verweist die sofortige Beschwerde auch darauf, daß in Einzelfällen des Beschwerdeverfahrens eine Vertretung durch einen beim Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsanwalt als entbehrlich angesehen wird. Unbeschadet der Frage, ob insoweit ihrem grundsätzlichen Ansatz gefolgt werden kann, beruht die Annahme, daß es bei der Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrages auf Erlaß einer mündlichen Verhandlung einer solchen Vertretung nicht bedürfe (so etwa KG NJW-RR 1992, 576; OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 1470; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., § 55 Rdn. 7; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 2. Aufl., Rdn. 282 jeweils m.w.N.), auf den Besonderheiten des Verfügungsverfahrens. Hier wird in der Beschwerdeinstanz das erstinstanzliche Erlaßverfahren fortgesetzt; wie bei diesem ist eine anwaltliche Vertretung nicht erforderlich, solange eine mündliche Verhandlung nicht stattfindet. Mit dieser bedarf es jedoch einer Vertretung durch einen bei dem Beschwerdegericht zugelassenen Anwalt. Für die Vertretung bei der Einlegung der sofortigen Beschwerde in Fällen wie dem vorliegenden ist daraus nichts herzuleiten.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Unterschriften
Rogge, Jestaedt, Melullis, Scharen, Mühlens
Fundstellen
BB 2000, 1808 |
HFR 2001, 622 |
NJW 2000, 3356 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 2219 |
WuB 2001, 123 |
MDR 2001, 49 |
MittRKKöln 2000, 325 |