Leitsatz (amtlich)
Es gehört zu den Aufgaben des Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein Antrag auf Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung innerhalb der laufenden Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht.
Normenkette
FamFG § 117 Abs. 1; ZPO § 233
Verfahrensgang
KG Berlin (Beschluss vom 12.03.2013; Aktenzeichen 13 UF 19/13) |
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 09.11.2012; Aktenzeichen 120 F 14423/12) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats des KG in Berlin vom 12.3.2013 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.
Beschwerdewert: 3.296 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Mit Beschluss vom 9.11.2012, der dem Antragsgegner am 21.11.2012 zugestellt worden ist, hat das FamG ihn zur Zahlung von Kindesunterhalt an den Antragsteller verpflichtet. Hiergegen hat der Antragsgegner rechtzeitig Beschwerde eingelegt. Mit einem am 15.1.2013 nach Dienstschluss beim FamG eingegangenen Telefax hat der Antragsgegner die Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung beantragt. Die Akte lag zu der Zeit dem Rechtspfleger des FamG vor. Am 18.1.2013 hat die Abteilungsrichterin des FamG verfügt, den Vertretern der Beteiligten sei mitzuteilen, dass Fristverlängerung bis 8.2.2013 gewährt werde. Am 21.1.2013 hat die Kanzleiangestellte der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners beim FamG die Auskunft eingeholt, dass die beantragte Fristverlängerung gewährt sei. Am selben Tag hat das FamG die Weiterleitung der Akte an das Beschwerdegericht verfügt, wo sie am 23.1.2013 eingegangen ist. Mit Verfügung des Vorsitzenden des Beschwerdesenats vom 31.1.2013 ist dem Antragsgegner mitgeteilt worden, dass seinem Antrag auf Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung nicht stattgegeben werden könne, weil der Antrag erst nach Ablauf der zweimonatigen Beschwerdebegründungsfrist beim Beschwerdegericht eingegangen sei. Am 8.2.2013 hat der Antragsgegner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Beschwerdebegründung nachgeholt.
Rz. 2
Das Beschwerdegericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Beschwerde verworfen. Die Beschwerdebegründungsfrist sei versäumt, weil das FamG sie nicht wirksam habe verlängern können und die Akte mit dem Verlängerungsantrag erst nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist beim Beschwerdegericht eingegangen sei. Die Frist sei auch nicht schuldlos versäumt. Die Bevollmächtigte des Antragsgegners habe ihre Kanzleiangestellte, die den Verlängerungsantrag an das FamG adressiert und dort eingereicht habe, nicht ausreichend darüber unterrichtet, dass der Fristverlängerungsantrag auch dann beim Beschwerdegericht eingereicht werden müsse, wenn sich die Akte noch beim FamG befinde. Das FamG habe den Antrag im ordentlichen Geschäftsgang an das Beschwerdegericht weitergeleitet. Zu einer besonderen Beschleunigung der Aktenübersendung sei das FamG nicht verpflichtet gewesen. Der Anspruch auf ein faires Verfahren sei auch nicht dadurch verletzt, dass der Kanzleiangestellten telefonisch durch die Geschäftsstelle des FamG die Fristverlängerung bestätigt worden sei.
II.
Rz. 3
Die gem. §§ 117 Abs. 1 Satz 4, Abs. 5 FamFG, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
Rz. 4
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsgegner nicht in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einem Beteiligten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten seines Verfahrensbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. BGH v. 11.6.2008 - XII ZB 184/07, FamRZ 2008, 1605 Rz. 6 m.w.N.).
Rz. 5
1. Zu Recht hat das Beschwerdegericht festgestellt, dass die Frist zur Beschwerdebegründung nicht gewahrt ist, da bis zu deren Ablauf am 21.1.2013 weder die Beschwerdebegründung noch ein Fristverlängerungsantrag bei dem Beschwerdegericht eingegangen war. Die Frist war auch nicht wirksam durch die Abteilungsrichterin des FamG verlängert worden, da über die Verlängerung der Begründungsfrist der Vorsitzende des Beschwerdegerichts entscheidet (§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. § 520 Abs. 2 Satz 2, 3 ZPO). Insoweit liegt der Fall anders als bei der Fristverlängerung durch den Vorsitzenden eines nicht berufenen Spruchkörpers (BGHZ 37, 125 = NJW 1962, 1396; offen gelassen in einem wiederum anders gelagerten Fall BGH Beschl. v. 12.2.2009 - VII ZB 76/07, NJW 2009, 1149).
Rz. 6
2. Ebenso zutreffend hat das Beschwerdegericht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt, da die Frist nicht schuldlos versäumt ist.
Rz. 7
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH - auch des Senats - gehört es zu den Aufgaben des Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht (vgl. Senatsbeschlüsse v. 29.6.2011 - XII ZB 691/10 - juris Rz. 6 und vom 19.9.2012 - XII ZB 221/12 - juris Rz. 7, 9). In einer Familienstreitsache ist die Begründung der Beschwerde beim Beschwerdegericht einzureichen (§ 117 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Dasselbe gilt für Anträge auf Verlängerung der Frist, über die der Vorsitzende des Beschwerdegerichts entscheidet. Die schuldhafte Verkennung dieser eindeutigen Gesetzeslage ist dem Antragsgegner nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.
Rz. 8
Selbst wenn sich die Akten mit der eingelegten Beschwerde noch beim Ausgangsgericht befinden, ist die Beschwerdebegründung oder ein entsprechender Verlängerungsantrag in Ehe- und Familienstreitsachen nach § 117 Abs. 1 FamFG beim Beschwerdegericht einzureichen. Auch darüber konnte bei der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners kein Zweifel bestehen (vgl. BGH v. 15.6.2011 - XII ZB 468/10, FamRZ 2011, 1389 Rz. 10).
Rz. 9
An einen mit der Beschwerdeeinlegung betrauten Rechtsanwalt sind hinsichtlich der Ermittlung des für die Einlegung des Rechtsmittels zuständigen Gerichts hohe Sorgfaltsanforderungen zu stellen (vgl. etwa BGH v. 3.11.2010 - XII ZB 197/10, FamRZ 2011, 100 Rz. 19 m.w.N.). Denn die Klärung der Zuständigkeit fällt in seinen Verantwortungsbereich. Er ist daher gehalten, die Rechtsmittelschrift und insb. die Empfangszuständigkeit des darin bezeichneten Adressaten auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (vgl. Senatsbeschluss v. 19.9.2012 - XII ZB 221/12 - juris Rz. 7, 9; BGH Beschlüsse v. 14.10.2010 - VIII ZB 20/09, NJW 2011, 683 Rz. 16; v. 12.4.2010 - V ZB 224/09, NJW-RR 2010, 1096 Rz. 12 m.w.N.). Dieselben Maßstäbe gelten für die Einreichung der Rechtsmittelbegründung und eines darauf bezogenen Fristverlängerungsantrags. Bei der Unterzeichnung eines solchen Antrags hat der Rechtsanwalt den von der Kanzleiangestellten vorbereiteten Entwurf auf seine Richtigkeit, insb. auf korrekte Adressierung hin zu überprüfen.
Rz. 10
b) Das Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten entfällt nicht dadurch, dass die Abteilungsrichterin des FamG eine Fristverlängerung bewilligt hat und dies der Kanzleiangestellten der Bevollmächtigten auf deren telefonische Nachfrage mitgeteilt worden ist. Der daraus bei der Kanzleiangestellten entstandene Irrtum, welcher sie letztlich zur Streichung der Frist im Fristenkalender veranlasst hat, lässt die Fristversäumung nicht als unverschuldet erscheinen, weil er eine schlichte Folgewirkung der von der Verfahrensbevollmächtigten persönlich zu vertretenden Fehladressierung ist.
Rz. 11
Auch wenn die Verfahrensbevollmächtigte vor Fristablauf von der Fristverlängerung durch das FamG erfahren hätte, hätte sie auf deren Wirksamkeit nicht vertrauen dürfen.
Rz. 12
c) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts verstößt auch nicht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens.
Rz. 13
Nach der auf eine Entscheidung des BVerfG zurückgehenden Rechtsprechung des BGH darf ein Rechtsuchender allerdings darauf vertrauen, dass ein mit der Sache bereits befasstes Gericht einen bei ihm eingereichten, aber für das Rechtsmittelgericht bestimmten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird (BGH v. 23.5.2012 - XII ZB 375/11, FamRZ 2012, 1205 Rz. 26; v. 15.6.2011 - XII ZB 468/10, FamRZ 2011, 1389 Rz. 12). Das ist im vorliegenden Fall geschehen. Der am 15.1.2013 nach Dienstschluss eingegangene Verlängerungsantrag hat der Geschäftsstelle am 16.1.2013 vorgelegen. Dies bewegt sich im Rahmen eines ordentlichen Geschäftsgangs (vgl. BGH v. 12.6.2013 - XII ZB 394/12, FamRZ 2013, 1384 Rz. 23).
Rz. 14
Dass die Abteilungsrichterin irrtümlich verfügt hat, den Vertretern der Beteiligten sei mitzuteilen, dass Fristverlängerung bis 8.2.2013 gewährt werde, hat den ansonsten ordentlichen Geschäftsgang nur um einen Tag verzögert. Ohne diese Verzögerung wäre die Aktenübersendung am Montag, den 21.1.2013, von der Geschäftsstelle veranlasst worden. Auch in diesem Fall wäre sie nicht mehr rechtzeitig am selben Tag, an dem auch die Frist ablief, beim OLG eingegangen.
Rz. 15
3. Das OLG hat dem Antragsgegner daher die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 233 ZPO zu Recht versagt. Auch die Verwerfung der Beschwerde nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist deswegen nicht zu beanstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 7264851 |
NJW 2014, 3159 |
NJW 2014, 8 |
EBE/BGH 2014 |
FamRZ 2014, 1845 |
FuR 2014, 708 |
JurBüro 2016, 53 |
WM 2015, 258 |
AnwBl 2014, 961 |
JZ 2014, 631 |
MDR 2014, 1224 |
NJ 2014, 4 |
AdVoice 2014, 50 |
FF 2014, 466 |
FamRB 2014, 409 |
AK 2015, 20 |
FK 2014, 182 |
PAK 2015, 2 |
Rafa-Z 2015, 9 |